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Von den Tücken von EXW im Logistikbereich


„Vertragsloser Absender“ scheiterte mit Schadensersatzforderung vor Handelskammer

International aufgestellte Diebes- und Betrügerbanden sind schon seit Jahrzehnten ein Problem in der Logistikbranche. Dieser aktuelle grenzüberschreitende Fall gegen ein großes deutsches Logistikunternehmen zeigt das Dilemma für Verkäufer einmal mehr.

Ladungsdiebstahl im großen Stil

Da versuchte eine italienische Großhändlerin erfolglos einen Schadensersatzanspruch gegen ein großes deutsches Logistikunternehmen durchzusetzen, nachdem ihr über eine Tonne Lithium-Batterien entwendet wurden. Dies lief so ab, dass Betrüger 1) unter falschem Namen und Identität zunächst die Batterien für ein Unternehmen in Frankreich in der Nähe der italienischen Grenze bestellte und die Klägerin diese dann gemäß den vereinbarten Incoterms „ex works“ (EXW) von Italien aus dorthin  liefern sollte.

Incoterms wurden verwendet

Kurz vor dem Transport änderte die Verkäuferin jedoch die Lieferadresse und hab als neues Ziel ein Gewerbegebiet in London an. Über Unterfrachtführer gelangte die Ware im Wert von fast 50.000 € schließlich in einen Vorort von London und war dann nie mehr gesehen. Als die italienische Klägerin den Schaden zuzüglich des entgangenen Gewinns von wohl an die 9000 € der vermeintlichen Verkäuferin in Rechnung stellte, flog der Schwindel auf. Die Verkäuferin versuche aber nun sich bei der Logistikerin schadlos zu halten,  die Logistikerin hingegen meinte, der Klägerin stünde gegen sie kein Schadensersatzanspruch zu.

Keine Obhut beim Spediteur

Zurecht, wie die Handelskammer des LG Saarbrücken jetzt der beklagten Spedition Recht gab (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 17 HK O 9/16). Die Klage sei aus mehreren Gründen unbegründet, so die Richter. Zum einen seien die von der Klägerin behaupteten italienischen und englischen Normen, nach der die Logistikerin nach Einschätzung der Anwälte der italienischen Händlerin haften solle, gar nicht einschlägig. Sondern ganz einfach Art. 17 CMR, wonach die beklagte Logistikerin aber nicht hafte, da die Unter(unter)frachtführerin Obhut gehabt habe, aber nicht sie. Eine Pflichtverletzung der Unterfrachtführerin, die der Beklagten zuzurechnen sei, sei aber auch nicht erkennbar. Es falle in den Risikobereich der Verkäuferin, dass sie einem solchen Betrüger aufgesessen sei.

Vorkasse oder Akkreditiv

Tipp vom Anwalt: Verifizieren Sie, zumindest bei größeren Aufträgen, bei Neukunden immer deren Identität und sichern sie sich Ihren Kaufpreisanspruch durch Vorauskasse oder Einschaltung eines Akkreditivs. Aber passen Sie auf: Weist der Verkäufer gegenüber der Bank nicht rechtzeitig die notwendigen Lieferunterlagen vor,  so schauen Sie als Verkäufer bei der Zahlung des Kaufpreises am Ende gleichwohl in die Röhre!

CMR oft anwendbar auf Transporte zwischen CMR-Mitgliedsstaaten ohne Rechtswahl

Weil Deutschland und Italien Mitgliedsstaaten der CMR sind und die beklagte Logistikerin den Haupt- oder Zweigsitz im Raum um Saarbrücken hatte, konnte vor deutschen Gerichten geklagt werden. Mangels getroffener Rechtswahl kam nach Einschätzung des Handelsgerichts auch die CMR zur Anwendung.  Denn da der Frachtvertrag nicht zwischen Händlerin und Logistikunternehmen geschlossen wurde, sondern zwischen Betrüger 2) und der Logistikerin kam über Art. 5 Rom I, weder englisches Recht, noch über Art. 4 Rom II italienisches Recht – der Frachtvertrag war zwar als Vertrag zugunsten eines Dritten, hier der italienischen Verkäuferin, ein außervertragliches Schuldverhältnis – jedoch konnte keine unerlaubte Handlung durch die Logistikerin festgestellt werden.

Verkäuferin war Opfer von Betrügerbande

Es blieb also bei der Anwendung der CMR, da der Transport grenzüberschreitend zwischen zwei CMR-Staaten erfolgte und die Klägerin als „vertragslose Absenderin“ sich ohnehin nicht auf diesen Schadensersatzanspruch nicht berufen könne. Ihr fehle die sogenannte Aktivlegitimation trotz eines Eintrags der Spedition als Partei im Frachtbrief.

Beweiswirkung des Frachtbriefes widerlegbar

Denn dessen Beweiswirkung könne und wurde vorliegend widerlegt. Da die Ware „ex works“, also ab Werk, verkauft worden war, stand die frachtrechtliche Verfügungsgewalt über die Waren mit deren Übernahme ausschließlich der angeblichen Käuferin zu. Eine der Hauptfrachtführerin zurechenbare Pflichtverletzung der Unterfrachtführerin wollten die Handelsrichter auch nicht erkennen, denn der Transport an sich wurde ja ordnungsgemäß zum bestimmungsgemäßen Empfangsort durchgeführt. Die einzige gerichtlich festgestellte unerlaubte Handlung war jedoch der Abschluss des Kaufvertrages durch einen betrügerischen Käufer. Das Gericht stellte eine kluge Überlegung an: Hätte die Betrügerbande selber die Ware vom Werk abholen lassen, dann wäre der Schaden genauso entstanden, wenn die Betrüger das Logistikunternehmen nicht zwischengeschaltet hätten. Das Sicherungsmittel der klagenden Händlerin war also schon in dem Moment „entwertet“, als sie es aus der Hand gegeben hatte.

Verlust der frachtrechtlichen Verfügungsgewalt beachten

Tipp vom Anwalt: Die EXW beschränkt zwar die Verpflichtungen für den Verkäufer  erheblich, jedoch er verliert dann in der Regel die frachtrechtliche Verfügungsgewalt und ist kein Absender mehr. Nach EXW bleiben nämlich alle transportbezogenen und logistischen Fragen (und die damit verbundenen Kosten) der Klärung durch den Warenkäufer überlassen. Nicht der Verkäufer, sondern der Käufer beauftragt schließlich vertraglich das Transportunternehmen. Im Gegenzug besteht für den Verkäufer das Risiko, dass er weder den Beladevorgang seiner Ware noch die Zuverlässigkeit und Professionalität des Transporteurs kontrollieren kann. Und beim Verladevorgang ist der Käufer im Regelfall nicht mit dabei. Häufig springt gleichwohl der Verkäufer ein und verlädt die Ware für den Käufer mit firmeneigenen Geräten und Hilfsmitteln auf das Transportfahrzeug. Diese Gefahren sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, vor Benutzung der EXW-Klausel.

Lesen Sie hier diesen Rechtstipp zum Verhalten an der Laderampe: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/wp-content/uploads/2017/06/Newsletter15-2.pdf

Im Schiffsverkehr stehen Alternativen bereit

Der Verkäufer verstößt also gegen die vereinbarte Vertragsklausel EXW verstößt und setzt sich möglicherweise zugleich einer Vielzahl von Haftungsrisiken aussetzt.  Im Schiffsverkehr können die ICC-Vertragsformeln FCA (frei Frachtführer) oder FOB je nachdem eine Alternative darstellen.

Hier geht es zu unserem Ressort https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/transport-und-speditionsrecht/