Risiko der Scheinselbständigkeit: Freie Mitarbeiter in Praxis für Physiotherapie

Der Staat ist immer hungrig darauf mehr Beitragszahler für die Sozialsysteme zu gewinnen. Nicht selten erhalten die Träger der Sozialversicherung, zumeist die Deutsche Rentenversicherung, vor den Sozialgerichten auch noch Recht.

Abrechnung mit Krankenkassen

Auch in diesem Fall vorm LSG Baden-Württemberg: Geklagt hatte unter anderem ein Betreiber einer Physiotherapiepraxis, der mehrere freie Mitarbeiter mit einem Modell beschäftigt hatte, dass vorsah, dass die Patienten, die von den Praxisinhabern nicht übernommen wurden, von den freien Mitarbeitern kontaktiert wurden und dann in ihren Räumen behandelt wurden. Dabei wurde das Equipement der Praxis, wie Behandlungsliegen oder Trainingsgeräte von den “freien Mitarbeitern” nach Absprache genutzt. Von den Einnahmen durften die freien Mitarbeiter 70 % behalten, wobei die Abrechnung mit den Krankenkassen über das praxiseigene Abrechnungssystem erfolgte.

Tipp vom Anwalt: Wollen Sie vermeiden, dass Ihre freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer von der Sozialversicherung eingestuft werden, sollten sie mit diesen Regelungen treffen, dass diese u.a. ein Unternehmerrisiko tragen, etwa eine feste Miete – durchaus auch tageweise – für die Nutzung bestimmter Räume und Behandlungsgeräte oder eine Servicepauschale für die Abrechnung mit den Krankenkassen. Zudem sollten die freien Mitarbeiter auch selbst werbend nach eigenen Patienten suchen. Für diese sollten dann weniger oder keine Anteile abgeführt werden müssen.

Finanzielle Risiken

Für die Rentenversicherung waren diese freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen, so dass Renten- und Sozialversicherungsbeträge nachzuzahlen waren. Die DRV sah die Freien hinreichend in den Betrieb der Praxis eingebunden und insgesamt zu wenig in einer selbständigen Rolle.

Tipp vom Anwalt: Achten Sie auch bei ihrem Internetauftritt darauf, dass ihre freien Mitarbeiter genannt und ihre Leistungen beschrieben werden. Es empfiehlt sich außerdem, dass die freien Mitarbeiter eine eigene Homepage und eigene Visitenkarten besitzen.

Problem der Scheinselbständigkeit

Dass Gericht gab der Rentenversicherung in der 2. Instanz Recht und stellte die Arbeitnehmereigenschaft des vermeintlich freien Mitarbeiters fest. Das Urteils ist noch nicht rechtskräftig (LSG Baden-Württemberg vom 27.09.2021, Az.: L 4 BA 75/20).

Tipp vom Anwalt: Seien Sie Vorsichtig bei zu eigenwilligen Gestaltungen von Verträgen mit freien Mitarbeitern. Es drohen nicht nur deftige Nachforderungen der Sozialversicherungsträger, sondern es gibt auch ein nicht zu unterschätzendes Strafbarkeitsrisiko wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen.

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Höhe des Verdienst ist nicht unbedingt Indiz für Selbständigkeit

Bauunternehmer scheiterte mit Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

Widersprüche gegen Sozialversicherungsbescheide, die  Beiträge nachfordern, haben zunächst Mal keine aufschiebende Wirkung, sodass die geforderte Summe zu zahlen ist.  Dann muss ein Antrag auf  Herstellung der aufschiebenden  Wirkung  gestellt werden Wegen der hohen Anforderung ist er aber nur mithilfe fachkundiger Unterstützung zu gewinnen, wie der folgende Fall des Sozialgericht Oldenburg einmal mehr zeigt (S 81 BA 28/18 ER).

Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung

Helfen kann hier nur ein entsprechender Antrag an Sozialgericht, wobei argumentiert werden muss, dass der Bescheid entweder offensichtlich rechtswidrig ist oder das private Interesse des Antragstellers an der Nichtvollziehung höher zu bewerten ist als das staatliche Vollzugsinteresse.

Subunternehmer hier keine Selbständigen

Vorliegend scheiterte  ein Trockenbauer mit seinem Geschäftsmodell ausländische Mitarbeiter als Subunternehmer einzusetzen. Mit seiner  Argumentationen, sie seien selbständig, da sie im Vergleich zu seinen Angestellten mehr verdienen würden, drang der Arbeitgeber auch nicht durch.

Soziale Absicherung miteinpreisen

Jedenfalls nicht bei 26 Euro Stundenlohn auf dem Bau. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Umstand, dass der Verdienst teilweise über dem tarifvertraglich geschuldeten Lohn für abhängig Beschäftigte lag, reichte dem Sozialrichter nicht. Die Höhe des hier in Rede stehenden Verdienstes sei nämlich hier nicht geeignet, ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit der Mitarbeiter abzugeben. Denn die Höhe des von einem Subunternehmer erzielten Verdienstes kann bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nur dann als Indiz für eine selbständige Tätigkeit gewertet werden, wenn er den Bruttolohn eines vergleichbare Arbeiten verrichtenden Arbeitnehmers derart massiv überschreitet, dass aufgrund der Höhe des Verdienstes sowohl eine soziale Absicherung bezahlt werden kann, die mit dem Sozialversicherungsschutz von Arbeitnehmern vergleichbar ist, als auch typische Unternehmenskosten gedeckt werden können (wie insbesondere die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer, die Unterhaltung einer eigenen Betriebsstätte, die Buchhaltung und sonstige Verwaltung des Unternehmens, Kosten für Werbung und gegebenenfalls auch Investitionen in das eigene Unternehmen). 

Tipp vom Anwalt: Maßgebend für den Sozialversicherung rechtlichen Status ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Für eine abhängige Beschäftigung spricht, wenn. “Subunternehmer” über längere Zeiträume ganz regelmäßig für einen Arbeitgeber tätig sind.  Für den Status einer abhängigen Beschäftigung spricht weiterhin, wenn “Subunternehmer” Tätigkeiten ausüben, die zum normalen Betrieb des Arbeitgeber  gehören.

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Die fünf schlimmsten Fehlern in Sozialversicherungsbeitragsbescheiden

Fehler in Sozialversicherungsbescheiden

Unser Experte in der Kanzlei für das Sozialversicherungsrecht Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur sagt Ihnen hier, worauf Sie aufpassen müssen: Denn Fehler in Sozialversicherungsbeitragsbescheiden sind relativ häufig und kosten  Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft eine echte Stange an Geld. Im schlimmsten Fall sieht sich der Arbeitgeber heftigen Beitragsnachforderung sowie gegebenenfalls sogar einem Strafverfahren gegenüber und mancher Angestellter hat keine Leistungsansprüche im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Insolvenz des Arbeitgebers gegenüber der Sozialversicherung – also dann, wenn er sie am dringendsten bräuchte! „Die fünf schlimmsten Fehlern in Sozialversicherungsbeitragsbescheiden“ weiterlesen