Logistikrecht
Der 5. Newsletter der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen dreht sich – wie versprochen – um das Logistikrecht. Der Begriff Logistik kommt ursprünglich aus dem militärischen Bereich. Unter Logistik versteht man aus betriebswirtschaftlicher Sicht die art- und mengenmäßig, räumlich wie zeitlich abgestimmte Versorgung von Produktionsprozessen mit den erforderlichen Einsatzgütern, da nach wie vor eine gesetzliche Definition der Logistik fehlt, da im juristischen Bereich eine Definition nach wie vor fehlt. Nach einer aktuellen Marktanalyse bieten sich für Logistiker wegen der steigenden Bedeutung intraregionaler Märkte, dem wachsende Online-Handel und den Angeboten spezieller Dienstleistungen für eine Reihe von Industriezweigen gute Wachstumschancen. Andererseits erfordert ein Tätigwerden im Bereich des Online-Handels, die Verschiebung der Märkte Richtung Asien und die zunehmende Nachfrage nach Spezialdienstleistungen auch erhebliche Investitionen der Logistikanbieter. Das Expertengremiums der Logistikweisen geht von einem Wachstum in der Logistikbranche zwischen zwei und drei Prozent für 2015 aus, was bei einem derzeitigen Markvolumen von geschätzten 230 Milliarden/Jahr im Vergleich zum restlichen BIP erneut überdurchschnittlich sein wird. Wachstumstreiber sind dabei die Elektronikproduzenten, Maschinenbauer und die Automobilhersteller, aber auch die Pharmaindustrie. Um als Logistikunternehmen hier ein Stück vom Kuchen abzubekommen, brauchen sie neben einer guten Marktstrategie kompetente juristische
Unterstützung. Hierbei unterstützt sie Rechtsanwalt und Europajurist (univ.) Christopher Richter, LLM.Eur zuverlässig. Bereits heute lohnt es sich auch Gedanken zu machen über ein Tätigwerden als Logistiker in den Schwellenländern, als den Wachstumsmärkten von (über)morgen.
Gestaltung von Logistikverträgen
Neben ein paar allgemeinen Hinweisen zur richtigen Gestaltung von Logistikverträgen (siehe Anhang) , möchten wir in diesem Newsletter eine aktuelle frachtführerfreundliche Entscheidung des Landgerichtes Potsdam vom 12.11.2014 vorstellen, die das Recht des Frachtführers, für sein Tätigwerden auch angemessen vergütet zu werden, stärkt. Zudem stellen wir eine
bemerkenswerte Entscheidung des 1. Senats des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2014 aus dem Bereich des Lagerrechts dar, dass Logistiker künftig im Rahmen ihrer Unternehmenscompliance berücksichtigen sollten: Normalerweise hat der Einlagerer bekanntlich schlechte Karten, wenn sein eingelagertes Gut aufgrund Brand, Diebstahl oder Überschwemmung beschädigt wird, da sich der
Lagerhalter oft damit entlasten kann, dass er die kaufmännischen Sorgfaltspflichten eingehalten hat. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, wenn der Lagerhalter den Einlagerer nicht ordnungsgemäß über den Lagerort seines Gutes– bei einer Umlagerung bei einem fremden Lagerhalter– informiert hat, hat das oberste deutsche Zivilgericht nun explizit klargestellt (Az.: I ZR 48/13). Daher müsse der Einlagerer – trotz Einbeziehung der ADSp – hier ggf. sogar unbeschränkt haften!
Zunächst die frachtführerfreundliche Entscheidung des LG Potsdam mit der Message: „Ein Fuhrunternehmer macht grundsätzlich nichts umsonst!“
Darum ging es im Kern: Ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich des Transportwesens und der Logistik stand in ständiger Geschäftsbeziehung mit einem Auftraggeber. Ob es sich dabei um die Molkerei Sachsenmilch handelte ist diesseits unbekannt. Dessen Aufträge, die Ladungen (hier Lebensmittel) an einen bestimmten Bestimmungsort zu liefern, wurden regelmäßig in Internetforen .
eingestellt. In den jeweiligen Frachtangeboten war eine detaillierte Frachtbeschreibung sowie die Größe des benötigten Lkw (hier: Sattelzug) mitangegeben. Später werden in Telefonaten die weiteren wesentlichen technischen Details geklärt und die Transportauftragsbestätigungen, wie das Gewicht der zu transportierenden Güter, Lademeter, Verpackungsart und Warenart
mitgeteilt, aber auch die Stelle benannt, an der die Ladung aufzunehmen war. Es folgte die Mitteilung der Reihenfolge der Entladestellen. Zudem wurden die eigenen AGBs des Auftraggebers mitgeteilt, wobei die ADSp jeweils ausgeschlossen wurden.
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers war folgende Klausel enthalten: „Der Auftragnehmer verpflichtet sich zum kostenfreien Ladungstausch von Direktzustellern bzw. zur Ladung für identische Direktempfänger in einer
Empfangsniederlassung der … Gruppe.“
So wurden im Jahr 2011 etliche Transporte u.a. von Leppersdorf (in Sachsen) aus durchgeführt. Gestützt auf diese Klausel in der Auftragsbestätigung ließ der Auftraggeber den jeweiligen Fahrer der Auftragnehmerin bei der Entladung eines
Teils des transportierten Gutes die freigewordene Ladefläche mit neuen Gütern auffüllen. Auftragnehmerin kannte dabei weder die Art des neu zu transportierenden Gutes noch die Menge. Die Auftragnehmerin stellte später für diese Zuladungen einen Pauschalbetrag in Rechnung. Das zu bezahlen sah der Auftraggeber nicht ein.
Zu Unrecht, wie das Landgericht Potsdam und zuvor dass AG Nauen dem Auftraggeber nun ins Stammbuch schrieben. Denn eine Klausel, nach der Zuladungen an den jeweiligen Entladestellen für die nächst folgenden
Entladestellen vorzunehmen sind ohne dass hierfür eine angemessene Vergütung zu zahlen ist, sei nämlich unwirksam. Diese benachteiligt den Logistikunternehmer unangemessen, was gegen Treu und Glauben verstößt. Denn eine solche Klausel legt dem Logistiker die pauschale Verpflichtung auf die Zuladung ohne vorherige Bestimmung von Art und Länge des Gutes vorzunehmen und dabei für die Ladesicherung, die Ladehilfsmittel und evtl. Kühlung zu sorgen. Zudem wird dem jeweiligen Frachtführer das
Versicherungsrisiko auferlegt. Im Extremfall könnte der Lkw an der ersten (oder weiteren) Entladestellen völlig entladen werden und ohne weitere Kosten für den Auftraggeber wieder neu beladen werden. Der Frachtführer wäre dann gezwungen, ohne zusätzliche Vergütung Güter mit dem doppelten oder sogar dreifachen Gewicht der vertraglich vereinbarten Güter zu transportieren.
Die Gerichte haben die Klausel weiter auseinandergenommen und sie in Bausch und Bogen als unwirksam verworfen: Denn sie hat auch die Folge, dass Transportraum auf Vorrat vorzuhalten ist, wofür der Frachtführer wiederum die Verpflichtung habe die dabei entstehenden zusätzlichen Kosten und Versicherungen zu tragen. Der Frachtführer könne keine Disposition über den frei
werdenden Laderaum an der ersten oder weiteren Entladestelle tätigen, da er jederzeit damit rechnen müsse, vom Auftraggeber weiteres Frachtgut zu erhalten. Ein echter Hammer diese Klausel, wobei man in diese Überlegung noch den erhöhten Zeitaufwand und Kraftstoffverbrauch sowie den Verschleiß für den Frachtführer noch einbeziehen müsste.
Das Fazit: Diese AGB widerspricht völlig dem Gedanken des Frachtrechts das nicht nur Frachtraum für einen bestimmten Transport, sondern der Transport von Gütern gegen Entgelt geschuldet wird. Logisch, denn es besteht ja schließlich eine Obhutshaftung für das Gut und nicht für das Raummaß.
Jedoch nur bei Zahlung einer angemessenen Vergütung ist es sachgerecht, den Frachtführer mit der strengen Haftung des § 425 HGB zu belasten. Die Klausel widerspricht also somit der Einschätzung des Gesetzgebers in § 354 BGB, dass Kaufleute, noch weniger als andere Personen, umsonst tätig werden.
Unser Praxistipp: Daher immer sorgfältig darauf achten, dass auch für alle zu erbringenden Zusatzleistungen eine Entgeltvereinbarung getroffen wurde, um hinterher Streitigkeiten zu vermeiden. Wenn der Frachtführer die Be- und Entladung übernimmt, dann sollte das niemals ohne Entgelt erfolgen.
Entscheidung des BGH, die sie in ihrer Unternehmenscompliance berücksichtigen sollten
Der Auftraggeber, ein Fernseherproduzent und -händler, forderte erfolgreich Schadensersatz in Höhe von über 450.000 Euro
wegen eines Brandschadens an Fernsehgeräten, die der Logistikunternehmer in seinem Auftrag irgendwo in Magdeburg eingelagert hatte.
Der Logistiker hatte in der Vergangenheit regelmäßig Transporte für diesen Auftraggeber ausgeführt. Wegen Umbauarbeiten in seinem eigenen Lager beauftragte der Auftraggeber den Logistiker im Jahr 2007 damit 90 Paletten mit LCD-Fernsehgeräten zu einem Lagergeld von 0,16 € pro Palette für ihn einzulagern. Der Logistiker lagerte die Fernsehgeräte dann zunächst im eigenen
Lager. Der Auftraggeber teilte diesen Lagerort seiner Versicherung mit. In den Logistikvertrag zwischen den Parteien waren die ADSp, die die Haftung des Frachdtführers begrenzen, einbezogen. Später führten die Parteien aus Anlass eines festgestellten Fehlbestandes an LCD-Fernsehgeräten in der Zweigstelle des Logistikers eine Besprechung durch. Im Nachgang daran schickte ein Mitarbeiter
des Logistikers eine Mail an den Auftraggeber mit folgendem Inhalt:
„Nachfolgend die Anschrift unserer zusätzlichen Lagermöglichkeit für Sie – zur Verwendung Ihrer Versicherung: A.S. Logistik GmbH & Co. KG, S. 7-9, 39126 M..“
Später brachte der Logistiker dann 87 der Paletten mit den LCD-Fernsehgeräten des Auftraggebers in ein fremdes Warenlager. Für diese Umlagerung zahlte der Auftraggeber im Nachhinein am die Umlagerkosten von 2,50 € pro Palette. Kurz darauf brannte es in der Halle des fremden Lagerhalters, wo die Fernseher nun eingelagert waren. Ein beträchtlicher Teil dieser wurde vernichtet oder beschädigt. Die Versicherung des Auftraggebers bezahlte nur einen Teil des Schadens, weil sie nicht von der Umlagerung informiert worden war. Die anschließende Schadensersatzklage gegen den Logistiker wurde erstinstanzlich abgewiesen worden, war aber in der Berufung zum Teil erfolgreich. Zurecht, wie der BGH jetzt feststellte, denn die Umlagerung der Fernseher in das fremde Lager war ohne Wissen und ohne Zustimmung des Auftraggebers geschehen. Daher habe er seine Lagerversicherung nicht informieren können. Das Argument des Logistikers, dass er wegen Nr. 15.1. Satz 1 ADSp auch ohne Zustimmung zur Umlagerung berechtigt gewesen zu sein, ließen die Richter des obersten deutschen Zivilgerichts zudem nicht gelten. Bei der Benachrichtigungspflicht des Lagerhalters gem Ziffer 15.1 S. 2 ADSp handelt es sich nämlich um eine vertragswesentliche Pflicht (Kardinalpflicht) des Lagerhalters i.S.v. Ziffer 27.1
Halbsatz 2 ADSp. Denn nur durch eine ausreichende Benachrichtigung würde der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, sich für sein eingelagertes Gut ausreichenden Versicherungsschutz zu besorgen, was für ihn wegen der Haftungssituation im Lagerrecht besonders wichtig sei. Darüber hinaus erhält er nur so die Möglichkeit, von seinem Besichtigungsrecht, als zentralem Recht des Einlagerers, da er die Unterbringung seiner Güter in ungeeigneten Lagerräumen nicht zu dulden braucht,Gebrauch zu machen. Eine verspätete oder inhaltlich unzureichende Benachrichtigung über eine Umlagerung des Gutes in ein unbekanntes Lager führte daher auch zu einem Wegfall der Haftungsbeschränkungen nach Ziffer 24 ADSp, so dass der Lagerhalter unbeschränkt haften könne. Zweifel daran, ob nur auf eine Lagerungsmöglichkeit hingewiesen wird oder eine Umlagerung beabsichtigt ist oder sie tatsächlich
schon stattgefunden hat, gehen zu Lasten des Lagerhalters. Solche Zweifel schließt der Wortlaut der E-Mail vom 18. April 2007 nicht aus,
meinten die Richter: Da in der Mail lediglich die Rede von einer weiteren Lagermöglichkeit war, lasse sich dem Wortlaut der E-Mail nicht entnehmen, dass von der Lagermöglichkeit schon Gebrauch gemacht wurde.
Praxistipp:
Frachtführer sollten ihre Mitarbeiter Disponenten anweisen deutliche Hinweise an den Auftraggeber zu geben, wenn Umlagerungen stattfinden. Bereits bei der Ausschreibung von Logistikverträgen muss eine sorgsame Risikoanalyse mit einem Abgleich von vorhandenen Versicherungsprodukten und dem Leistungsverzeichnis erfolgen. Beim vorliegenden Fall wäre dem Logistiker
möglicherweise mit dem Abschluss einer Lagerexzedentenversicherung geholfen Bei der richtigen Risikoabwägung im Vorfeld unterstützt sie das erfahrene Team der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen gerne, ebenso wie bei einer wirksamen
Unternehmenscompliance.
Kontakt: Christopher Richter, Tel.0931/47085337, richter(at)anwaltskanzlei-wue(dot)de
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