Abfindung oder Weiterbeschäftigung? Strategien zur optimalen Entscheidungsfindung

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, stehen Arbeitnehmer oft vor einer schwierigen Entscheidung: Soll ich eine Abfindung annehmen oder versuchen, weiter beschäftigt zu werden? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen einige Strategien an die Hand geben, die Ihnen dabei helfen können, die für Sie optimale Lösung zu finden.

Abwägen der Vor- und Nachteile

Der erste Schritt ist es, sorgfältig die Vor- und Nachteile einer Abfindung bzw. einer Weiterbeschäftigung gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite bietet eine Abfindung Ihnen finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit in einer Übergangsphase. Sie können sich in Ruhe nach einer neuen Herausforderung umsehen, ohne den Druck eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Andererseits bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes auch einen Verlust von Struktur, sozialen Kontakten und möglicherweise Ihrer beruflichen Identität. Auch Ihre langfristigen Karriereperspektiven könnten durch einen Jobwechsel beeinträchtigt werden.
Bei der Weiterbeschäftigung erhalten Sie zwar Ihr regelmäßiges Einkommen, müssen aber möglicherweise Abstriche bei den Arbeitsbedingungen oder der Vergütung machen. Außerdem bleibt die Zukunft des Unternehmens ungewiss – vielleicht droht auf lange Sicht doch noch eine Kündigung. Dennoch kann es gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sinnvoll sein, den vertrauten Arbeitsplatz zu halten.

Finanzielle Aspekte berücksichtigen

Neben den emotionalen Überlegungen spielen natürlich auch finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle. Wie hoch ist die Abfindungssumme, die Ihnen angeboten wird? Reicht sie aus, um eine Übergangsphase ohne Einkommen zu überbrücken? Welche Kosten fallen bei einer Kündigung an – etwa für die Krankenversicherung oder Miete? Berechnen Sie sorgfältig Ihr monatliches Budget, um einschätzen zu können, wie lange Sie von der Abfindung leben könnten.

Auf der anderen Seite müssen Sie auch die langfristigen finanziellen Auswirkungen einer Weiterbeschäftigung bedenken. Wie wird sich Ihr Gehalt in Zukunft entwickeln? Welche Rentenansprüche bauen Sie weiter auf? Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, Abstriche bei der Vergütung hinzunehmen, wenn dafür der Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Berufliche Perspektiven im Blick behalten

Neben den finanziellen Überlegungen ist es wichtig, auch Ihre beruflichen Perspektiven im Blick zu behalten. Wie stehen Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Finden Sie in Ihrem Alter und mit Ihren Qualifikationen leicht eine neue Stelle? Oder bietet Ihr derzeitiger Arbeitgeber Ihnen bessere Entwicklungsmöglichkeiten?

Wenn Sie sich für eine Abfindung entscheiden, müssen Sie sich darauf einstellen, dass Sie möglicherweise einen Karriereknick erleiden. Vielleicht finden Sie zwar schnell etwas Neues, aber oft sind die Einstiegsgehälter niedriger und die Aufstiegschancen schlechter als in Ihrem bisherigen Unternehmen. Andererseits kann ein Jobwechsel auch eine Chance für einen Neuanfang sein – mit neuen Herausforderungen und Perspektiven.

Persönliche Faktoren berücksichtigen

Neben den finanziellen und beruflichen Überlegungen spielen auch persönliche Faktoren eine wichtige Rolle. Wie belastend empfinden Sie Ihre derzeitige Arbeitssituation? Fühlen Sie sich im Unternehmen noch wertgeschätzt und unterstützt? Oder macht Ihnen der Jobverlust einfach große Angst?

Wenn Ihr Arbeitsverhältnis von Konflikten, Stress oder Überforderung geprägt ist, kann eine Abfindung Ihnen die Möglichkeit geben, Abstand zu gewinnen und neue Kraft zu schöpfen. Andererseits bietet eine Weiterbeschäftigung mehr Sicherheit und Kontinuität in Ihrem Leben.

Auch Ihre persönliche Lebensplanung muss berücksichtigt werden. Planen Sie in absehbarer Zeit, in Rente zu gehen? Oder stehen Ihnen noch viele Berufsjahre bevor? Je näher der Renteneintritt, desto attraktiver kann eine Abfindung sein – vorausgesetzt, sie ermöglicht Ihnen einen finanziell sorgenfreien Übergang.

Rechtliche Aspekte prüfen

Bevor Sie eine endgültige Entscheidung treffen, ist es wichtig, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen. Wie ist Ihr Arbeitsvertrag gestaltet? Welche Kündigungsfristen und -bedingungen gelten? Welche Ansprüche haben Sie auf eine Abfindung?

Lassen Sie sich am besten von einem Anwalt beraten, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Rechte kennen und wahrnehmen. Oft lassen sich durch geschicktes Verhandeln bessere Konditionen für eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung erreichen.

Unterstützung in Anspruch nehmen

Eine Entscheidung zwischen Abfindung und Weiterbeschäftigung ist nie leicht. Holen Sie sich daher unbedingt Unterstützung – sei es von Ihrem Arbeitgeber, Ihrer Familie oder Freunden. Vielleicht bietet Ihr Unternehmen sogar professionelle Beratung an, um Ihnen bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Scheuen Sie sich auch nicht, sich an Experten wie Anwälte, Steuerberater oder Karrierecoaches zu wenden. Sie können Ihnen wertvolle Impulse geben und Ihnen dabei helfen, die für Sie optimale Lösung zu finden.

Fazit: Abwägung aller Faktoren ist entscheidend

Die Entscheidung zwischen Abfindung und Weiterbeschäftigung ist nie einfach. Sie erfordert eine sorgfältige Abwägung aller finanziellen, beruflichen und persönlichen Faktoren. Nur so können Sie für sich die bestmögliche Lösung finden.

Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Entscheidung und holen Sie sich fachliche Unterstützung, wenn nötig. Denn am Ende geht es darum, Ihren nächsten Karriereschritt so zu gestalten, dass er Ihren Bedürfnissen und Zielen optimal entspricht. Mit der richtigen Strategie können Sie diese Herausforderung meistern!

Kündigungsschutzklage – So setzen Sie sich erfolgreich gegen ungerechtfertigte Kündigungen zur Wehr

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Niemand möchte seinen Arbeitsplatz verlieren, vor allem nicht aufgrund einer ungerechtfertigten Kündigung. Leider kommt es jedoch immer wieder vor, dass Arbeitnehmer ohne triftigen Grund von ihren Arbeitgebern entlassen werden. In solchen Situationen können rechtliche Schritte unternommen werden, um mit einer Kündigungsschutzklage gegen die ungerechtfertigte Entlassung vorzugehen.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen erklären, was eine Kündigungsschutzklage genau bedeutet, wann sie zulässig ist und wie Sie am besten vorgehen können, um Ihre Rechte durchzusetzen und eine Weiterbeschäftigung oder angemessene Abfindung zu erlangen.

Was ist eine Kündigungsschutzklage?

Eine Kündigungsschutzklage ist eine Klage, die ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einreichen kann, wenn er der Ansicht ist, dass seine Kündigung ungerechtfertigt oder unwirksam ist. Das Ziel einer solchen Klage besteht darin, die Kündigung für unwirksam erklären zu lassen und entweder die Weiterbeschäftigung oder eine angemessene Abfindung zu erwirken.

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung wirksam ist. Demnach muss der Arbeitgeber einen “sozial gerechtfertigten Grund” für die Kündigung haben. Dieser Grund kann betriebsbedingter, verhaltensbedingter oder personenbedingter Natur sein. Fehlt ein solcher Grund, so ist die Kündigung unwirksam und der Arbeitnehmer kann sich mittels einer Kündigungsschutzklage dagegen wehren. 

ABER, ganz wichtig an dieser Stelle: WIRKLICHEN KÜNDIGUNGSSCHUTZ GENIEßT NUR, WER LÄNGER ALS 6 MONATE IN DEM BETRIEB ARBEITET UND NICHT IN EINEM KLEINBETRIEB BESCHÄFTIGT IST.

Kleinbetrieb ist nach 23 KSchG jeder Betrieb mit nicht mehr als 10 Vollzeitkräften. Welche Mitarbeiter wie zu werten sind, ist z.B. bei Filialen oder Konzerntöchtern manchmal nicht einfach, an dieser Stelle nur so viel dazu: Minijobber zählen 0,5, Teilzeitkräfte bis 30 Std. 0,75, alles darüber wie 1 Vollzeitkraft. Azubis zählen nicht dazu.

Wenn Sie also z.B. bei einem kleinen Handwerksbetrieb mir ein paar Gesellen arbeiten, so kann der Chef ohne Grund wirksam kündigen. Gegen solche Kündigungen kann man also nur vorgehen, wenn die Kündigung sittenwidrig war (z.B. wegen Alters, Religion, Ethnie,) oder wenn ein besonderer Kündigungsschutz (Schwangerschaft, Schwerbehinderung) vorliegt.

WICHTIG: WURDE DIE KÜNDIGUNG AUS VERHALTENSBEDINGTEN GRÜNDEN ODER GAR FRISTLOS AUSGESPROCHEN, DANN SOLLTEN SIE DANN AUF JEDEN FALL GEGEN DIE KÜNDIGUNG KLAGEN, WENN SIE ALG I BEANSPRUCHEN WOLLEN. DENN SONST IST EINE 3-MONATIGE SPERRE – ALSO KEIN ALG IN DEN ERSTEN 3 MONATEN DER ARBEITSLOSIGKEIT QUASI SICHER. Eine Klage kann das verhindern.

Wann ist eine Kündigungsschutzklage zulässig?

Eine Kündigungsschutzklage ist in folgenden Fällen zulässig:

  1. Sozial ungerechtfertigte Kündigung: Wenn der Arbeitgeber keinen sachlichen Grund gemäß den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes für die Kündigung vorweisen kann.

  2. Formale Mängel bei der Kündigung: Wenn formale Vorschriften bei der Kündigung nicht eingehalten wurden, wie z.B. die Anhörung des Betriebsrats. Oder die eigenhändige Unterschrift eines Kündigungsberechtigten nicht auf der Kündigung ist.

  3. Diskriminierung: Falls die Kündigung auf unzulässiger Diskriminierung basiert, beispielsweise aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion oder Behinderung.

  4. Kündigungsschutzrechtliche Sonderfälle: Wenn spezielle Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder nicht beachtet wurden.

Um eine Kündigungsschutzklage erfolgreich einzureichen, müssen Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigungserklärung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Diese Frist ist verbindlich, da verspätete Klagen nicht berücksichtigt werden. WENN ALSO MEHR ALS DREI WOCHEN VORÜBER SIND SEIT ZUGANG DER KÜNDIGUNG, WIRD DIESE IN ALLER REGEL UNANGREIFBAR!

Wie läuft ein Kündigungsschutzprozess ab?

Wenn ich mich entscheide, gegen meine Kündigung rechtlich vorzugehen, verläuft der Kündigungsschutzprozess in der Regel wie folgt:

  1. Klageerhebung: Zunächst muss ich innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Dafür sollte ich einen Anwalt beauftragen, der die Klage für mich formuliert und einreicht.

  2. Gütetermin: In einem ersten Gütetermin versucht das Gericht, zusammen mit den Parteien eine schnelle Lösung zu finden, die für beide Parteien akzeptabel ist. Wenn ich Sie anwaltlich vertrete, müssen Sie in der Regel zum Gütetermin nicht persönlich dabei sein. Es wird jedoch nichts ohne oder gar gegen Ihren Willen vereinbart werden!

  3. Haupttermin: Falls keine Einigung im Gütetermin erzielt wird, folgt meist in 2-3 Monaten der Haupttermin vor der Kammer. Hier werden die Argumente beider Seiten ausführlich diskutiert und Beweise wie Zeugenaussagen oder Unterlagen präsentiert.

  4. Urteilsverkündung: Abschließend verkündet das Gericht sein Urteil. Dies kann bedeuten, dass die Kündigung für unwirksam erklärt wird und ich weiterbeschäftigt werden muss oder dass mir eine Abfindung zugesprochen wird.

  5. Rechtsmittel: Gegen das Urteil können beide Parteien Rechtsmittel einlegen und in die nächste Instanz gehen. Dies zieht den Prozess entsprechend in die Länge.

Der gesamte Prozess kann mehrere Monate dauern, wenn es in der Güteverhandlung keine schnelle Lösung gibt (was in ca. 90 % aller Kündigungsschutzverfahren der Fall ist). Daher ist es wichtig, von Anfang an gut vorbereitet zu sein und einen erfahrenen Anwalt an der Seite zu haben. 

WICHTIG: vorm Arbeitsgericht in erster Instanz trägt jeder seine eigenen Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Vorteilhaft ist es daher, eine gültige Rechtsschutzversicherung zu besitzen, die Arbeitsrechtsschutz umfasst (meist “Beruf” genannt). Alternativ gibt es die Möglichkeit, wenn man ein niedriges Einkommen oder hohe Kosten (Kinder, Miete, etc.) hat, Prozesskostenhilfe zu beantragen, dann zahlt der Staat oft den Anwalt. Die dritte Alternative, für die Anwaltskosten selbst aufzukommen, lohnt sich v.a. dann, wenn das Arbeitsverhältnis mehrere Jahre bestand und eine gute Abfindung zu erwarten ist. All diese Aspekte besprechen wir persönlich mit Ihnen und finden die für Sie beste Lösung.

Argumente für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage

Um im Kündigungsschutzprozess erfolgreich zu sein, muss ich dem Gericht plausibel darlegen, warum meine Kündigung unwirksam ist. Dafür gibt es verschiedene mögliche Argumente, wie oben bereits angemerkt: 

  1. Fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass für die Kündigung ein sachlicher Grund gemäß dem Kündigungsschutzgesetz vorlag. Fehlt ein solcher Grund, ist die Kündigung unwirksam.
  2. Formale Mängel bei der Kündigung: Falls der Arbeitgeber formale Vorschriften bei der Kündigung nicht eingehalten hat, wie z.B. die Anhörung des Betriebsrats, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
  3. Diskriminierung: Wurde die Kündigung aufgrund einer unzulässigen Diskriminierung ausgesprochen, beispielsweise aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung, ist sie ebenfalls unwirksam.
  4. Verletzung von Sonderkündigungsschutzvorschriften: Für bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder gelten besondere Kündigungsschutzregelungen. Werden diese nicht beachtet, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. 

Je nach individueller Situation können also unterschiedliche Argumente für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage herangezogen werden. Es ist entscheidend, dass ich diese Argumente schlüssig und nachvollziehbar vor Gericht darlege.

Mögliche Ergebnisse einer Kündigungsschutzklage

Wenn das Gericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage zu dem Ergebnis kommt, dass die Kündigung unwirksam ist, gibt es im Wesentlichen zwei mögliche Urteile:

  1. Weiterbeschäftigung: Das Gericht kann feststellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber mich weiterbeschäftigen muss – insbesondere dann, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt war.
  2. Abfindung: Alternativ kann das Gericht mir eine Abfindung zusprechen, wenn eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre oder ich selbst eine Abfindung bevorzuge.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach verschiedenen Faktoren wie der Betriebszugehörigkeitsdauer und dem letzten Gehalt des Arbeitnehmers. Üblicherweise beträgt die Abfindung zwischen 0,5 und 1,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Wichtig zu wissen: entgegen der landläufigen Fehlvorstellung ist eine Abfindung in 95 % aller Fälle kein rechtlicher Anspruch, sondern eine Zahlung des Arbeitgebers als Gegenleistung für die Akzeptanz der Beendigung durch Sie als Arbeitnehmer.
Neben der Abfindung werden auch häufig gute oder sehr gute Arbeitszeugnisse, bei längerer Kündigungsfrist Freistellung und Turboklausel zu vereinbaren – die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, das Arbeitsverhältnis einseitig früher zu beenden, wofür er dann das Gehalt als zusätzliche Abfindung “obendrauf” bekommt, das der Arbeitgeber sich hierdurch erspart hat.

Tipps für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage

Um meine Kündigungsschutzklage möglichst erfolgreich zu gestalten, empfehle ich folgende Tipps:

  1. Holen Sie sich rechtlichen Beistand: Lassen Sie sich von einem erfahrenen Arbeitsrechtsspezialisten beraten und vertreten. Wichtig ist aus unserer Erfahrung, dass es eine persönliche und umfassende Betreuung zwischen Anwalt und Mandant gibt. Dieser Anwalt kennt die relevanten Gesetze und Rechtsprechung und kann Ihre Argumente optimal vor Gericht vertreten. V.a. kann er die für Ihre Interessen beste Lösung finden.
  2. Anwalt ja oder nein? Sie können sich zwar theoretisch selbst vor Gericht vertreten. Die Erfahrung zeigt, dass das selten eine gute Wahl ist und meistens zu weit ungünstigeren Lösungen für Sie führt.
  3. Sammeln Sie Beweise: Sichern Sie alle relevanten Unterlagen wie Arbeitsverträge, Kündigungsschreiben, Abmahnungen etc. Auch Zeugenaussagen können wichtig sein, um Ihre Position zu stärken.
  4. Bleiben Sie sachlich und konstruktiv: Vermeiden Sie emotionale oder aggressive Reaktionen. Konzentrieren Sie sich darauf, Ihre Argumente klar und nachvollziehbar darzulegen.
  5. Seien Sie flexibel bei Vergleichsverhandlungen: Auch wenn Sie grundsätzlich auf Weiterbeschäftigung beharren, kann es sinnvoll sein, bei einer Abfindung Zugeständnisse zu machen, um den Rechtsstreit rasch zu beenden. Häufig ist nach einer Kündigung das Tischtuch ohnehin zerschnitten. Selten ist es aber auch mal so, dass eine Weiterbeschäftigung das Hauptziel bleiben muss. All das werden wir persönlich mit Ihnen klären und besprechen. 
  6. Achten Sie auf Fristen: Reichen Sie Ihre Kündigungsschutzklage unbedingt innerhalb der 3-Wochen-Frist, am besten über einen Anwalt Ihres Vertrauens, ein. Verspätete Klagen werden nicht berücksichtigt.
  7. Bleiben Sie hartnäckig: Trotz der möglichen Dauer des Prozesses sollten Sie nicht aufgeben und konsequent Ihre Rechte verteidigen.

Mit der richtigen Vorbereitung und Strategie können Arbeitnehmer durchaus Erfolg mit einer Kündigungsschutzklage haben. So können sie sich effektiv gegen eine ungerechtfertigte Kündigung wehren.

Fazit

Eine Kündigungsschutzklage ist ein wichtiges Mittel für Arbeitnehmer, um sich gegen eine unberechtigte Entlassung zu wehren. Innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigungserklärung sollte beim Arbeitsgericht Klage erhoben werden. Das sollte vorzugsweise über einen anwaltlichen Fachmann passieren. 

Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses müssen Arbeitnehmer dann überzeugend darlegen, warum ihre Kündigung unwirksam ist – beispielsweise aufgrund fehlender sachlicher Gründe oder formaler Fehler seitens des Arbeitgebers. Gelingt dies, können sie entweder ihre Weiterbeschäftigung erzielen oder eine angemessene Abfindung erhalten.

Um im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses erfolgreich zu sein, empfiehlt es sich, sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht vertreten zu lassen und alle relevanten Beweise zu sichern. Zudem sind Verhandlungsgeschick und Durchhaltevermögen gefragt, da sich der Rechtsstreit über längere Zeit hinziehen kann.

Wer also gegen eine ungerechtfertigte Kündigung vorgehen möchte, sollten Sie definitiv und zügig eine Kündigungsschutzklage in Erwägung ziehen. Unser Job dabei ist es, Ihre Interessen so umfassend wie nur möglich durchzusetzen.

Fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber: 5 Tipps für Arbeitnehmer

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist eine ernsthafte Situation, mit der sich viele Arbeitnehmer konfrontiert sehen. Dabei handelt es sich um eine außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der regulären Kündigungsfrist. Als Arbeitnehmer ist es wichtig, die Hintergründe und rechtlichen Aspekte einer solchen Kündigung zu verstehen, um die richtige Vorgehensweise zu wählen.
In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen 5 wertvolle Tipps, die Ihnen als Arbeitnehmer helfen können, wenn Sie mit einer fristlosen Kündigung konfrontiert werden. Erfahren Sie, welche Rechte Sie haben, wie Sie sich am besten verhalten und was Sie tun können, um Ihre Position zu schützen.

VORAB: EINE FRISTLOSE KÜNDIGUNG FÜHRT QUASI ZWANGSLÄUFIG ZU EINER 3 MONATIGEN SPERRE BEIM ALG I, DAHER IST EIN VORGEHEN DAGEGEN MEIST ZWINGEND NÖTIG.

Verstehen Sie die Gründe für die fristlose Kündigung

Bevor Sie weitere Schritte einleiten, ist es wichtig, die Gründe für die fristlose Kündigung genau zu verstehen. Laut Gesetz muss der Arbeitgeber schwerwiegende Verfehlungen oder ein vertrauensschädigendes Verhalten als Rechtfertigung für eine außerordentliche Kündigung anführen können.

Fragen Sie daher umgehend nach den konkreten Gründen, die zur Kündigung geführt haben. Lassen Sie sich diese schriftlich geben und prüfen Sie sorgfältig, ob diese tatsächlich einen wichtigen und rechtlich zulässigen Kündigungsgrund darstellen.

Mögliche Gründe für eine fristlose Kündigung können sein:

  • Schwerwiegende Vertragsverletzungen wie Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug
  • Grobe Verletzung der Arbeitspflichten oder wiederholtes Fehlverhalten
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder Offenbarung von Betriebsgeheimnissen
  • Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Angriffe gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen

Wichtig dabei ist: Der Arbeitgeber muss die schweren Verfehlungen auch beweisen können.

Stellen Sie sicher, dass die vom Arbeitgeber genannten Gründe tatsächlich eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Wenn Sie Zweifel haben, holen Sie sich rechtlichen Beistand.

Reagieren Sie umgehend und dokumentieren Sie alles

Sobald Sie von der fristlosen oder der ordentlichen Kündigung erfahren, ist es wichtig, schnell zu handeln. Achten Sie dabei auf folgende Punkte:

  • Ist die Kündigung formell korrekt (händisch unterschrieben!) und auch wirksam zugestellt worden? E-Mails, Whatsapps, mündliche Kündigungen sind unwirksam, aber auch gegen die muss man vorgehen.
  • Sind die Kündigungsgründe eindeutig und schlüssig dargelegt? 
  • Wurde Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben?

Dokumentieren Sie alle Vorfälle und Kommunikation im Zusammenhang mit der Kündigung möglichst sorgfältig. Fertigen Sie Kopien aller relevanten Unterlagen an und bewahren Sie diese auf. Dies kann später als Nachweis dienen, falls es zu einem Rechtsstreit kommt.

Reagieren Sie zeitnah auf die Kündigung mit dem ersten Schritt: suchen Sie sich einen passenden Rechtsanwalt. Dazu im Folgenden. 

Holen Sie sich rechtlichen Beistand

Eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung ist immer eine Rechtsfrage, bei der es wichtig ist, die richtigen Schritte einzuleiten. Nach 3 Wochen ist jede Kündigung wirksam! Daher ist es ratsam, sich zeitnah anwaltlichen Rat einzuholen. Ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt kann Ihnen dabei helfen:

  • Die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu prüfen
  • Ihre Rechte und Optionen als Arbeitnehmer zu erklären
  • Eine Klage gegen die Kündigung vorzubereiten, falls nötig. Das ist bei Kündigungen die Regel!
  • Mit dem Arbeitgeber zu verhandeln und eine einvernehmliche Lösung zu finden – in Ausnahmefällen 

Ein Anwalt kann Ihre Position deutlich stärken und Ihnen wertvolle Unterstützung bieten. Die Kosten für die anwaltliche Beratung/Vertretung können sich auf lange Sicht auszahlen, wenn Sie Ihre Rechte erfolgreich durchsetzen können. Die Erfahrung zeigt, dass ArbeitnehmerInnen, die sich die Anwaltskosten sparen und sich selbst vertreten, regelmäßig vor Gericht untergehen. Zudem gibt es für einkommensschwache Menschen die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dann trägt der Staat die Anwaltskosten. Das nötige Formular bekommen Sie kostenlos von uns.

Prüfen Sie Ihre Möglichkeiten

Nachdem Sie die Gründe für die Kündigung verstanden und rechtlichen Beistand eingeholt haben, sollten Sie alle Ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen:

  • Abfindung aushandeln: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, mit dem Arbeitgeber über eine Abfindung zu verhandeln. So können Sie das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden.
  • Klage gegen die Kündigung erheben: Binnen 3 Wochen ab Erhalt der Kündigung können Sie Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen. Ihr Anwalt kann Ihnen dabei helfen, die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen und wird die Klageschrift fertigen.
  • sollten Sie einen Arbeitsrechtsschutz besitzen (in der Police meist „Beruf“ genannt), der bereits mehr als 3 Monate bestanden hat, bevor Sie die Kündigung erhielten, dann übernimmt der die Prozess- und Anwaltskosten weitestgehend (bis auf eine Selbstbeteiligung). Wir holen die Deckungszusage für Sie ein, kostenlos. Alternativen, wie Prozesskostenhilfe oder Selbstzahlung, besprechen wir im Erstberatungsgespräch mit Ihnen.
  • Arbeitszeugnis prüfen: Fordern Sie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ein (das können Sie auch dann, wenn Sie auch gegen die Kündigung vorgehen wollen, das widerspricht sich nicht!), das Ihre Leistungen und das Arbeitsverhältnis korrekt beschreibt. Lassen Sie sich vom Arbeitgeber nicht mit einem schlechten Zeugnis abspeisen.

Wägen Sie sorgfältig ab, welche Option für Ihre Situation am sinnvollsten ist. Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt beraten, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Ein guter Anwalt – dafür halten wir uns jedenfalls – wird nicht die Entscheidungen für Sie treffen, sondern Sie gut beraten, damit Sie diese Entscheidung selbst treffen können.

Bewahren Sie die Ruhe und bleiben Sie professionell - Selbstvorwürfe bringen nichts!

Eine fristlose Kündigung ist eine belastende Situation, die starke Emotionen hervorrufen kann. Dennoch ist es wichtig, dass Sie in Ihren Reaktionen und Handlungen ruhig und professionell bleiben.

Vermeiden Sie es, sich zu Äußerungen oder Handlungen hinreißen zu lassen, die Ihnen später schaden könnten. Bleiben Sie sachlich und konzentrieren Sie sich darauf, Ihre Rechte konsequent, aber respektvoll zu verteidigen.

Bewahren Sie Disziplin und Fokus, auch wenn der Arbeitgeber versuchen sollte, Sie zu provozieren. Setzen Sie stattdessen auf konstruktive Kommunikation und eine zielgerichtete Vorgehensweise.

Fazit

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist eine schwierige Situation, die sorgfältig, aber auch zügig gehandhabt werden muss, gerade, wenn man auf Arbeitslosengeld angewiesen ist.

Als Arbeitnehmer ist es wichtig, die rechtlichen Aspekte zu verstehen, schnell und dokumentiert zu reagieren und sich rechtlichen Beistand zu holen.
Prüfen Sie genau, ob die Gründe für die Kündigung tatsächlich gerechtfertigt ein könnten (was aus meiner Erfahrung eher selten der Fall ist), und erwägen Sie dann Ihre Optionen – bis hin zur Klage, die aus den genannten Gründen fast immer sinnvoll ist bei fristlosen Kündigungen.

Bewahren Sie dabei stets Ruhe und Professionalität, um Ihre Position bestmöglich zu schützen.
Mit der richtigen Vorgehensweise können Sie Ihre Rechte als Arbeitnehmer wahren und eine für Sie gute, akzeptable Lösung finden. Zögern Sie daher nicht, energisch, aber respektvoll für Ihre Interessen einzustehen. Die Erfahrung zeigt, dass in 95 % aller Fälle die Arbeitgeber verhandlungsbereit sind und Lösungen damit schnell gefunden werden können. Meistens müssen Sie nicht mal bei Gericht erscheinen, ob das in Ihrem Fall sinnvoll ist, werden wir mit Ihnen besprechen.

Cannabis im Straßenverkehr – wie verhalten Sie sich richtig, wenn Sie von der Polizei angehalten werden?

Anhand eines Falles aus der Praxis als Strafverteidiger möchte ich schildern, wie sich Betroffene richtig verhalten, wenn sie von der Polizei angehalten werden und der Konsum von Drogen – insbesondere von Cannabisprodukten – im Raum steht.

Ich hatte einen Mandanten, der an einem sehr heißen Samstagvormittag im Auftrag einer Stadt eine großflächige Hauswand mit Graffiti-Art verschönert hatte. Er hatte dabei etwa 5 Stunden bei über 30 Grad im Schatten gearbeitet, meist der Sonne voll ausgesetzt. Danach fuhr er nach Hause – Würzburg – Zellerau – wo er gerade dabei war, sein Auto zu parken, als die Polizei ihn anhielt. Natürlich war er nach der harten körperlichen Arbeit bei sengender Hitze etwas zittrig und hatte – vermutlich aufgrund der Spraydosen-Dämpfe – auch rote, etwas glasige Augen. Das alles hielten die Beamten für vorgeschoben, und vermuteten Drogenkonsum.

Sie forderten also von ihm, auf einer geraden Linie für sie zu gehen, etc.

Das alles geschah dann auch, der Mandant wollte ja nicht unkooperativ wirken, auch, weil er zum letzten Mal mehr als 3 Tage zuvor Cannabis konsumiert hatte, fühlte er sich sicher.

Die Polizei war mit seiner Performance allerdings nicht recht zufrieden und ordnete einen Drogentest durch eine ärztliche Blutentnahme und eine ärztliche Prüfung an. Der Mandant wurde also mit auf die Dienststelle genommen, wo ein Arzt sein Blut abnahm und ihn auf Drogenkonsum testete, indem er, wie das so üblich ist, verschiedenste Koordinations- und Motoriktests von dem Mandanten absolvieren ließ. Hier musste der Mandant z.B. 30 Sekunden abschätzen, mit den Zeigefingern die Nase berühren, etc. Der Arzt stellte hier eingeschränkte Fähigkeiten fest, was aber nicht zwangsläufig auf Drogenkonsum hinausläuft, gerade, weil der Mandant wie gesagt eine körperlich sehr anstrengende Tätigkeit geleistet hatte.

Einige Tage später erfuhr der Mandant, dass der THC – Wert im Blut unterhalb der Schwelle zur Ordungswidrigkeit von 1ng/Liter lag. Alle anderen Werte waren vollständig negativ. Einen Bußgeldbescheid brauchte er daher nicht zu fürchten.

Der Würzburger Staatsanwalt, der die Akte dann auf den Tisch bekam, gab diese aber zur gutachterlichen Einschätzung an die Rechtsmedizin weiter, weil er trotz der niedrigen Werte und der plausiblen Begründung des Mandanten Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Mandanten hatte. Der Rechtsmediziner, der anhand des niedrigen THC-Wertes zwar als richtig zu Grunde legte, dass der vorangegangene THC – Konsum mehr als 3 Tage her war, kam dann anhand des Protokolls der ärztlichen Untersuchung jedoch zu dem Schluss, dass der Mandant zum Zeitpunkt der Fahrt FAHRUNTAUGLICH aufgrund des Cannabiskonsums gewesen sei. Dies sei anhand der angeblichen  Ausfallerscheinungen, die der Arzt nach der Fahrt festgestellt habe, und einem sog. “Flashback” für ihn sicher. Demnach sei wissenschaftlich anerkannt, dass Cannabiskonsum auch mehrere Tage später zur Fahruntauglichkeit führen könne, und die Testergebnisse würden genau dies belegen. In juristischer Sicht bedeutete dies: Der Mandant hätte zwar keine Ordnungswidrigkeit begangen – sehrwohl aber eine Straftat, nämlich aufgrund seiner sog. relativen Fahruntauglichkeit eine Straftat nach § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr – begangen!

Dies hatte also einen Strafbefehl zur Folge, gegen den ich nach meiner anschließenden Mandatierung form- und fristgerecht Einspruch eingelegt habe.

Den Einspruch haben wir einerseits mit den Fakten begründet, dass die nicht perfekte Absolvierung des ärztlichen Tests, wie auch die roten Augen und das Zittern, nicht aufgrund Drogenkonsums, sondern aus der Arbeit am Vormittag resultierte. Von einem bekannten Psychiater hat der Mandant dann noch eine Stellungnahme durch einen Fachmann schriftlich eingeholt, wonach die Flashback-Theorie längst wissenschaftlich widerlegt war und die Arbeit am Vormittag genau derartige Folgen wie ärztlich festgestellt hat und dass deswegen die Einschätzung des Rechtsmediziners schlicht falsch ist und somit gerade KEINE relative Fahruntauglichkeit vorlag, weil die Ausfallerscheinungen, so man sie überhaupt so nennen kann, jedenfalls nicht drogenbedingt waren.

Ich beantragte somit folgerichtig die Einstellung des Verfahrens nach § 170 II StPO bzw. die Nichteröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht.

Damit sollte es sich eigentlich erledigt haben.

Aber dem war nicht so – der Richter gab Anweisung, dass ein dritter Sachverständiger sich mit den beiden widersprüchlichen Stellungen der bisherigen Sachverständigen auseinandersetzt. Hierzu wurde also ein weiteres, sicherlich teures Gutachten eines Münchner Gutachterbüros eingeholt.

Am Ende bestätigte dieses, dass der Rechtsmediziner falsch lag, weil es keinerlei belastbare Studien gebe, die die Flashback – Theorie untermauern. Somit lag keine relative Fahruntauglichkeit beim Mandanten vor.

Nun ging das Ganze hier noch gut aus. Es drängt sich jedoch die Frage auf: Hätte dem Mandanten hier Zeit und Nerven erspart werden können durch ein anderes Verhalten?

Die Antwort ist ganz klar JA.

Zentral wichtig ist es hier, zu wissen, dass kein Mensch gezwungen werden kann, sich selbst zu belasten. Das resultiert in einem gesetzlich verbrieften Aussageverweigerungsrecht jedes Menschen, der einer Straftat verdächtig ist. Darauf weisen die Ermittlungsbeamten regelmäßig hin, tun sie es nicht, darf die so gewonnene  Aussage nicht verwertet werden.

Allerdings ist hier das Problem ein anderes: Denn auf die Tatsache, dass Nichtkooperation erlaubt ist, muss keiner der Ermittler Sie hinweisen. Daher tue ich das vorliegend.

Gerade hier in Würzburg und Umgebung, aber auch ganz generell gilt: Wenn die Polizei oder der Arzt Sie auffordert, bestimmte Tests mitzumachen – sei es der Zeigefinger-Nase-Test oder sonstwas – so sollten Sie einfach jegliche Teilnahme daran kathegorisch verweigern. Sie müssen weder der Polizei noch dem Arzt dabei helfen, Ihnen Fahruntauglichkeit nachzuweisen. Lassen Sie den Arzt Blut abnehmen, folgen Sie den Anweisungen der Polizeibeamten, soweit diese nicht irgendwelche Tests darstellen.

Denn fast niemand besteht diese Tests perfekt – und jede Imperfektion in einem der Tests ist ein weiterer Verdachtsmoment für die Ermittler, dass Sie nicht hätten fahren dürfen. Im Umkehrschluss gilt auch: Alles, was ohne Ihre Kooperation nicht testbar war, kann Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. D.h. dass die Ermittler ohne Ihre Mithilfe keine Anhaltspunkte für eine Fahruntauglichkeit bekommen können, also sollte man sie ihnen auch nicht liefern, soweit  man dazu nicht gesetzlich verpflichtet ist! Ausnahme hiervon sind höchstens Fahrfehler, die vor dem Anhalten durch die Polizei gemacht wurden.

Im Beispielsfall hätte das folgendes bedeutet: Hätte mein Mandant hinsichtlich der anfänglichen polizeilichen Tests (Gerade Linie entlang gehen, Finger-Nase-Test) diese verweigert, so wäre er natürlich trotzdem auf die Wache mitgenommen worden, und wahrscheinlich wäre auch die Blutentnahme angeordnet worden. Hätte der Mandant aber dem Arzt gegenüber auch jeden seiner Tests verweigert, so hätte dieser keinerlei nachteilige Ergebnisse dokumentieren können. Somit hätte dann auch nicht der Geringste Anhaltspunkt vorgelegen, der den Würzburger Rechtsmediziner zu seiner (meiner Meinung nach ohnehin völlig abwegigen) Einschätzung der Drogenintoxikation bzw. der Fahruntauglichkeit hätte bringen können. Dementsprechend wäre das Ermittlungsverfahren schnell eingestellt worden.

 

„Schlamper“ kostet 350 Euro

Darf man einen  Anwalt schlampig nennen?

Einen Anwalt als Schlamper zu bezeichnen kann eine üble Nachrede darstellen und kostet 350 Euro – zumindest nach Ansicht des Amtsgerichts Schweinfurt. Unsere Kanzlei konnte eine Verfahrenseinstellung erreichen, nachdem vom Täter beim Opfer eine Entschuldigung ausgesprochen wurde, weil die Bezeichnung als “Schlamper” diesen in seinen Gefühlen und offenbar wohl auch in seiner Berufsehre verletzt hatte. Hintergrund der Anklage war ein kritischer Kommentar des damaligen Angeklagten unter einem Bericht über die Verurteilung eines AfD-Politikers, den das Opfer durch alle Instanzen als Anwalt letztlich ohne Erfolg vertreten hatte. Opfer und Täter kannten sich jedoch schon aus mehreren zivilrechtlichen Verfahren, indem das Opfer den vermeintlichen Täter erfolglos u.a. auf Unterlassung verklagt hatte.

Bei Ehrdelikten Strafantrag nötig

Bei sogenannten Ehrdelikten, wie Beleidigung oder übler Nachrede, muss jedoch neben einer Strafanzeige ein Strafantrag schriftlich erstattet werden. Ironischerweise hatte es der  in seiner Ehre verletze Anwalt nicht hinbekommen eine sichere schriftliche Strafanzeige elektronisch über bea, das besondere elektronische Postfach für Anwälte, zu stellen, wie es der BGH unter Berufung auf §32a StPO vorsieht: Wenn nicht qualifiziert signiert wird, dann muss bei bea-Einreichung zumindest durch Namensangabe am Textende einfach signiert werden. Der Antragsteller, der als Fachanwalt für Strafrecht in einer mittelständischen Kanzlei aus mehreren Berufsträgern organisiert ist, unterschrieb jedoch nicht namentlich und wählte damit gerade nicht den sichersten Weg.

Nach Ablauf Strafantragsfrist unbehebbarer Verfahrensmangel

Nachdem die Strafantragsfrist abgelaufen war, kam es auf die Frage, ob die Bezeichnung als “Schlamper” in diesem Kontext eine üble Nachrede darstellt eigentlich nicht mehr an. Es bleibt ungeklärt, ob der in seiner Ehre angegriffene Anwalt schlampig arbeitete oder nicht. Das Verfahren musste nach Ansicht der Verteidigung ohnehin wegen des unbehebbaren Verfahrensmangel eingestellt werden.

Verfahenseinstellung am Ende

Letztlich war auch dann die Staatsanwaltschaft von einer Verfahrenseinstellung zu überzeugen. Die Kosten des Verfahrens wurden dabei der Staatskasse auferlegt.

Wokeness und cancel culture schreiten voran

Fakt ist, dass bei öffentlicher Kritik im Internet generell Zurückhaltung geübt werden sollte, auch weil die Meinungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät durch eine immer „wokere“ Gesellschaft, die mit shitstorms und Unterlassungsklagen die  Meinungsfreiheit angreift.

Unsere Kanzlei unterstützt sie sowohl beim rechtlichen Vorgehen gegen Verletzer Ihrer Persönlichkeitsrechte, wie auch dann, wenn sie sich gegen den Vorwurf verteidigen müssen Jemand Anderes in seiner Ehre, ob durch Beleidigung

Beweisverwertungsverbot für verdeckte Videoüberwachung unter Nachbarn

Beweisverwertungsverbot verdeckter Videoaufnahmen 


Das LG Schweinfurt hat eine Abwägung zwischen dem Interesse eines Wohnungseigentümers an einer verdeckten Videoüberwachung gegen die Persönlichkeitsrechte des beklagten Nachbars  sowie weiterer Hausbewohner zum Nachteil von Ersteren getroffen (Beschluss des LG Schweinfurt vom 06.10.2023, Az.: 46 S 17/23).

Schikane unter Nachbarn 

Die Parteien sind Nachbarn. Der auf Unterlassung von Eigentumsstörungen  klagende Wohnungseigentümer mahnte zunächst vergeblicher den Beklagten ab, der als Mieter seiner Tochter die Nachbarwohnung inne hatte. Zu den Wohnungen gehören jeweils auch Kellerabteile, wobei die Kellerabteile der Parteien unmittelbar nebeneinanderliegen. Der Kläger behauptet, dass der Beklagte in der Vergangenheit wiederholt Müll in das Kellerabteil des Klägers geworfen bzw. anderweitig verbracht habe, dabei auch zumindest mit der Hand durch die Lattenwand der Abtrennung gelangt habe und zudem auch das Licht Kellerabteil des Klägers eingeschaltet habe.

Nachbarschaftsstreit eskalierte 

Weiterhin soll der Beklagte auch den Zugang zum Kellerabteil zumindest erschwert, wenn nicht gar versperrt haben konkret durch zustellen mit einem Plastikeimer und darüber hinaus eine unbekannte Flüssigkeit auf der Türklinke des Kellerabteils aufgebracht haben.

Videobeweis gegen Beweisnot?

Der Kläger hat zum Zweck des Beweises Videoaufzeichnungen einer Überwachungskamera in seinem Kellerabteil zum Verfahren vorm AG Bad Kissingen gegeben. Zur Frage der Beurteilung, ob diese als Beweismittel verwertbar sind, hat das erstinstanzliche Gericht diese Aufzeichnungen gesichtet.

 

Schwerer Eingriff ins Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Dabei hatte das Mietgericht eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter vorzunehmen, einerseits das Eigentumsrecht des Klägers im Bezug auf sein Kellerabteil, maßgeblich dort die Verunreinigung durch Müll und die hiermit einhergehenden Aufwendungen und Beeinträchtigungen, sowie Kosten durch nicht benötigtes Kellerlicht, und andererseits betroffene Rechte durch eine hier verdeckte Videoaufnahme einerseits des Beklagten im besonderen Maße, aber auch der Allgemeinheit, soweit durch die Videoaufnahme auch Bereiche außerhalb des Kellerabteils überwacht wurden, festzustellen, dass letztlich die Beeinträchtigungen insbesondere durch die permanente Überwachung verdeckter Art und Weise eines öffentlichen Bereiches einen derartig schwerwiegenden Eingriff darstellt, dass dieser im Verhältnis zu den zu schützenden Interessen, letztlich der Eingriff durch die Videoüberwachung zu einen Beweisverwertungsverbot der Videoaufnahmen führt.

Verworfene Berufung nach Hinweisbeschluss

Das LG Schweinfurt hat sich in einem Hinweisbeschluss dann der Auffassung des AG Bad Kissingen angeschlossen und schließlich die Berufung des Klägers einstimmig verworfen.

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*Update* Laienprivileg bei Verdachtberichterstattung: Keine vorherige Stellungsnahme einzuholen durch politischen Aktivisten

 

Berufungsgericht pro Meinungsfreiheit

*Update*: Nach Ansicht des OLG Bamberg ist von der Klägerin eingelegte Berufung offensichtlich unbegründet. Das Berufungsgericht regt daher die Rücknahme der Berufung an.

Worum ging es?

Das Landgericht Schweinfurt hat eine wichtige Entscheidung für alle politischen Aktivisten und Whistleblower getroffen. Im Rahmen einer Verdachtberichterstattung ist für diese keine vorherige Stellungnahme einzuholen, sofern sie kein journalistisch-redaktionelles Angebot vorhalten (sog. Laienprivileg).

Keine Anhörung bei Verdachtberichterstattung bei Laien

Dies würde einen zu starken Eingriff in den politischen Diskurs bedeuten.
Die Klage einer Compliance-Beauftragten  einer Gemeinde gegen den Sprecher einer Bürgerentscheid auf Löschung seiner Verdachtsberichterstattung gegen sie scheiterte daher auf ganzer Linie.  Das Landgericht Schweinfurt nahm somit an, dass die neuere BGH-Rechtsprechung  zur presserechtlichen Sorgfaltspflichten im vorliegenden Einzelfall  nicht auf politische Aktivisten anwendbar ist (Urteil vom 27.7.2023, Az.: 1 0 458/22)
Keine Pflicht zur Anhörung durch politische Aktivisten

Streitwertfestsetzung bei einem Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln

Das Landgericht Schweinfurt hat sich in einem interessanten Beschluss damit auseinendergesetzt, wie der Streitwert für einen isolierten Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln bei vertraglich vereinbarten Verpflichtungen zwischen Mieter und Vermieter zu bestimmen ist. Vorliegend ging es darum das Besitzrecht eines Mieters vor einem sein Betretungsrecht übergriffig ausübenden Vermieter zu schützen, nachdem sich die Parteien zuvor vergleichsweise auf Regeln geeinigt hatten, der Vermieter sich daran aber (erneut) nicht hielt (Az.: 41 T 145/22).

Christopher Richter, LL.M.Eur

Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht

Auch ein formunwirksamer Vollstreckungsantrag wahrt die Sechsmonatsfrist des Mahnbescheides

bea-Nutzer aufgepasst: Formunwirksamkeit kann geheilt werden

Das Landgericht Coburg (Az.: 21 T 69/22) hat eine interessante Entscheidung getroffen:

Ein Antrag auf Vollstreckungsbescheid wurde kurz vor dem Wegfall der Wirkung des Mahnbescheides in einem von Mahngericht nicht akzeptierten Format übermittelt. Nach der Ablauf der Sechsmonatsfrist wurde das der Antrag auf Vollstreckungsbescheid im akzeptieren Format eingericht. Das Amtsgericht Coburg wollte die Wirkungen des Mahnbescheides entfallen lassen, auf die Beschwerde hin hat das Landgericht den Rechtsstreit ans AG zurückverwiesen, wo mittlerweile der Vollstreckungsbescheid erlassen wurde.

Landgericht verwies zurück zum Mahngericht

Aus den Gründen: “Ist ein mangelhafter Antrag fristgerecht gestellt worden, treten die Folgen des § 701 S. 1 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn der Mangel behebbar ist, auch wenn die Behebung – wie hier – erst nach Fristablauf erfolgt (Münchener Kommentar zur ZPO 6. Auflage 2020 Rdnr. 2 zu § 701; KG Berlin, Beschluss vom 25.07.2009 zu 8 W 56/09 juris; LG Frankfurt Rechtspfleger 1970, 100; LG Fulda Beck Rs 2009, 26685; Musielak ZPO Rdnr. 2 zu § 701 ZPO). “

hier geht es zu der Entscheidung:  21_T_69_22_Abschrift_Beschluss_LG_Coburg_v_22_12_2022_

Kein vollständiger Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit im Formularmietvertrag

AG Landsberg: Vollständiger Kündigungsausschluss war unwirksam

Das AG Landsberg am Lech hat eine interessante Entscheidung getroffen: Unklarkeiten bei einem Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag gehen zu Lasten des verwendenden Vermieters. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.

Aus dem Urteil: “Zwar ist grundsätzlich ein beiderseitig befristeter Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag möglich und kann wirksam vereinbart werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in dem Kündigungsausschluss gerade nicht aufgeführt ist, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen bleibt. Dieses kann jedoch nicht wirksam ausgeschlossen werden. Eine geltungserhaltende Reduktion ist insoweit nicht möglich, sodass auch aus diesem Grund die Klausel unwirksam ist. Damit lag ein unbefristetes Mietverhältnis vor, welches jederzeit von Mietersete ordentlich kündbar war.”

Hier geht es zur Entscheidung: 

1_C_242_22Urteil_AG_Landsberg_am_Lech_v_14_02_2023_47492i

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Rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen Änderungsbescheide

Änderungsbescheide beerdigen die sie ändernden Bescheide –  aber manchmal nicht auf Dauer!

In einem vorherigen Beitrag habe ich mich den vorläufigen Bescheiden gewidmet, die Unübersichtlichkeit kann durch den Erlass von Änderungsbescheiden aber noch weiter ansteigen! Auch mit Inkrafttreten des Bürgergeldgesetzes ist die Lage für Grundsicherungsempfänger oftmals unübersichtlich und verwirrend.

Änderung oder Aufhebung?

Ein Änderungsbescheid ist ein Bescheid, der einen Leistungsbescheid oder anderen -bescheid ändert. Freilich kann er auch einen vorläufigen Bescheid ändern. Setzt er aber Leistungen herab, dann ist er eigentlich ein Aufhebungsbescheid und seine Rechtmäßigkeit bestimmt sich nach den §§ 45 ff. SGB X.

Vor oder nach dem Widerspruch? Das ist hier die Frage!

Ergeht der Änderungsbescheid nach Einlegung eines Widerspruches, dann wird der Änderungsbescheid automatisch Teil des Widerspruchsverfahrens. Ergeht er früher, dann ist es hochumstritten, ob gegen ihn ein zusätzlicher eigener Widerspruch möglich ist (offengelassen bei LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.11.2021, Az.: L 19 AS 1358/21 B).

Bescheide erledigen und wiederaufleben lassen

Der Erlass eines Änderungsbescheides kann auch auch dazu führen, dass sich ein vorheriger Bescheid erledigt i.S.d. § 39 II SGB X. Allerdings kann, wenn ein Widerspruch gegen einen Änderungsbescheid erfolgreich ist, dieser erledigte Bescheid wieder wirksam wird (vgl. BSG vom 21.02.1985, Az.: 11 RA 2/84).

Angreifen ja, aber wieviele?

Wenn man einen Änderungsbescheid also angreift, wird man wohl nur dessen Inhalt angreifen können, nicht den Inhalt des Bescheides, den er abändert. Greift man Abänderung und davor ergangenen Leistungsbescheid gleichzeitig an, werden zwei Widerspruchsverfahren laufen.

Der Ball liegt beim Jobcenter…

Offen bleibt, ob dann, wenn der ursprüngliche Leistungsbescheid wieder wirksam wird, eine neue Anfechtungsfrist anläuft (wohl eher nicht). Richtigerweise müsste das  Jobcenter das Widerspruchsverfahren gegen den (erledigten) Leistungsbescheid aussetzen, solange der Änderungsbescheid noch nicht bestandskräftig ist. Lehnt es diesen Widerspruch vorher ab, dann wäre dies unzulässig, weil das Verfahren gegen den Änderungsbescheid vorgreiflich ist.

Tipp vom Anwalt: Man kann bei den vielen Bescheiden leicht den Überblick verlieren. Das ist beim neuen Bürgergeld nicht anders als früher bei Hartz IV.  Darum wenden Sie sich bei Zweifeln an einen Fachanwalt für Sozialrecht oder zumindest aufs Bürgergeld spezialisierten Anwalt.

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WEG: Anspruch auf Beschlussersetzung – auch nur für eine Klarstellung!

Zum Erfolg mit dem Hilfsantrag

Eine interessante Entscheidung hat der BGH kürzlich wieder zum Übergangsrecht zwischen alten und neuem Recht im Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen.

Austausch der Terrassentür

Vorausgegangen ist dem ein langjähriger Streit zwischen einem Bewohner im Erdgeschoss mit den anderen Wohnungseigentümern. Stein des Anstoßes war die Auswechslung seiner ebenerdigen Terassentür durch eine mit einer Schwelle. Hierzu wurde Anfang des Jahres 2017 zunächst durch die Eigentümerversammlung ein Beschluss gefasst, dass dei Eigentümergemeinschaft beauftragt wird drei Angebote für die Erneuerung der Terassentür einzuholen, die der bisherigen optisch entspricht. Mitte des Jahres fiel aber der Antrag des Klägers durch, dass der Verwalter beauftragt wird nur Angebote für eine ebenderdige und abschließbare Tür einzuholen. Hiergegen richtete die Klage des im  Erdgeschoss lebenden Klägers.

Beschlussersetzung durch WEG-Gericht

Der Kläger wollte daher einen Beschluss herbeiführen, dass der Verwalter nur, wie von ihm begehrt,  Angebote für eine ebenerdige Tür einholt und im Hilfsantrag, dass das Gericht eine in seinem Ermessen liegende Entscheidung trifft, dass die notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden. Der BGH war anders also die Vorinstanzen der Auffassung, dass die Klage trotz neuem Recht weiter gegen die übrigen Wohnungseigentümer und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) zu richten war (arg.: § 48 V WEG analog).

Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) zuständig für Beschlussumsetzung

Nach neuen Recht ist nunmehr die  GdWE zuständig für die Beschlussumsetzung, nicht mehr der Verwalter, der nur ihr Organ ist. Die Beschlussersetzung dient der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung gem. § 18 II WEG. Die Klage sahen die Richter aber im Hauptantrag gleichwohl für unbegründet an, weil der begehrte  Beschluss tatsächlich vorlag, es aber nur Streitigkeiten um die Umsetzung gab. Es gibt aber nur im Ausnahmefal einen mit Mehrheit beschlossenen Beschluss abzuündern.

Bei Streit Anspruch auf klarstellenden Beschluss

Allerdings hatte der Hilfsantrag auf Beschlussersetzung hinsichtlich des zweiten, des Ablehnungsbeschlusses, Erfolg.Den hier wurde der klägerische Antrag in der Wohnungseigentümerversammlung schließlich abgelehnt und der Kläger nach dem BGH einen Anspruch auf einen klarstellenden Beschluss hat, weil über den Inhalt des vorherigen Beschlusses zwischen den Beteiligten Streit bestünde. Ausnahmsweise war es daher auch unschädlich, dass die GdWE noch nicht mit dem begehrten Beschluss vorberfasst war.

Anwaltlicher Tipp: Stellen Sie daher Hilfsanträge. Es ist erstaunlich, dass der BGH diesem recht unbestimmt daherkommenden Hilfsantrag durch Auslegung als Beschlussersetzungsbegehren auf Klarstellung zum Erfolg hat kommen lassen. Daran werden sich die Instanzgerichte künftig messen lassen müssen.

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Ein Update: Vorläufige Bescheide verwirrend und gefährlich

Vorläufige Bescheide

Vorläufige Bescheide sind in § 41a SGB II geregelt. Wenn Unklarheiten über das Bestehen des ALG II-Anspruchs oder dessen Höhe, etwa wegen unregelmäßigen Einkommen oder sich verändernden Betriebskostenvorschüssen für Ihre Wohnung, bestehen, dann wird das Jobcenter einen vorläufigen Bescheid erlassen.

Schwankendes Einkommen

Das Wort “vorläufig” muss dann aber irgendwo im Bescheid auftauchen. Dieser vorläufige Bescheid wird dann in der Regel mit Ablauf eines Jahres nach Ende des Bewilligungszeitraums automatisch bestandskräftig, wenn sie nicht vorher die Festsetzung beantragen. Das heißt, dass sie trotz ihrer Vorläufigkeit nicht etwa platzen wie Seifenblasen auf dem Bild, sondern ernsthafte Konsequenzen haben können. Problematisch für Hartz IV-Empfänger ist u.a., dass die Jobcenter Überzahlungen nach Abs. 6 erleichtert zurückverlangen können (anders als bei “normalen” Bescheiden).

Verschlechterung mit dem Bürgergeld

Geht das Jobcenter in seiner Prognose des zukünftigen Einkommens offensichtlich von zuviel aus, dann wehren sie sich mit dem Widerspruch. Auch die Annahme eines “Sicherheitszuschlages” durch das Jobcenter ist hier unzulässig. Mit dem Bürgergeld ist eine Verschlechterung eingetreten: Die Jobcenter müssen – unbeschadet des Grundfreibetrages von zumeist 100 € – bei Aufstockern die Erwerbstätigenfreibeträge nicht mehr gewähren.

Tipp: Legen Sie Widerspruch gegen den vorläufigen Bescheid innerhalb eines Monats nach Zugang ein. Haben sie diese Frist vertüdelt, kann man noch mit einem Überprüfungsantrag gegen den vorläufigen Bescheid vorgehen. Im Einzelfall, inbesondere wenn der Leistungszeitraum des vorläufigen in die Zukunft reicht, kkann es sinnvoll sein einen einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht zu ersuchen

Wann endgültige Festsetzung beantragen?

Tipp vom Anwalt: Bis zum April 2021 wurde dann aus allen Einkommen, auch Kindergeld etc., ein Durchschnittseinkommen gebildet. Stellen Sie hier Antrag auf endgültige Festsetzung, insbesondere wenn Ihre Werbungskosten (z.B. Fahrtkosten) 100,00 € übersteigen und Sie mehr als 400,00 € im Monat verdienen. Die bloße Einreichung von Lohnabrechnungen gilt jedenfalls noch nicht als Antrag auf abschließende Festsetzung.

Rechtsbehelfe richtig wählen

Nennt der vorläufige Bescheid nicht den Grund des Vorläufigkeitsvorbehalts sollte er auch zudem mit dem Widerspruch angegriffen werden, denn er setzt Sie – siehe oben – in eine schlechtere Position. Zieht aus einer BG das Mitglied aus, aufgrund dessen der die Vorläufigkeit erging, dann ist der vorläufige Bescheid aufzuheben und ein neuer ohne diese Vorläufigkeit zu erlassen.

Achtung: Nach Ablauf eines Jahres nach dem Ende des Bewilligungszeitraums können Sie den vorläufigen Bescheid wohl nicht mal mehr über den Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X angreifen. Allerdings können sie den abschließenden Bescheid wohl bis vier Jahre nach Ende des Bewilligungszeitraums überprüfen lassen (LSG NRW vom 28.05.2021, Az.: L 21 AS 1280/20; noch nicht rechtskräftig).

Sich gegen Erstattungsforderungen erfolgreich wehren

Einen interessanten Fall stellte daher das BSG-Urteil vom 29. 4. 2015  dar (Az.:  B 14 AS 31/14 R): Dort wurde der Mutter zweier minderjähriger Töchter zunächst Hartz IV wegen möglichen Unterhaltszahlungen des Vaters vorläufig bewilligt. Nach Vorlage der Nachweise der Kontobelege zu den Unterhaltszahlungen forderte  das Jobcenter die Überzahlungen nach § 48 I 2 Nr. 3 SGB X zurück. Zuvor war aber keine abschließende Entscheidung über den vorläufigen Bescheid ergangen, die  den ursprünglichen Vorläufigkeitsvorbehalt aufhebte und die begehrte Leistung als die “zustehende Leistung” endgültig zuerkannt. Daher war die Aufhebung nach dem BSG rechtswidrig.

Änderungsbescheid statt endgültiger Festsetzung?

Leider verliert man im Dickicht vom vorläufigen Bescheiden, Aufhebungsbescheiden und endgültigen Bescheiden manchmal den Überblick, was etwa die BSG-Entscheidung vom 05.07.2017 zeigte (Az.: B 14 AS 36/16 R). Dort bekam der Hartz IV-Empfänger wegen der noch offenen Höhe des Heizkostenabschlag zulässigerweise nur einen vorläufigen Bescheid. Dagegen legte der Hartz IV-Empfänger Widerspruch ein. Als später, nach Kenntnis der Höhe der Heizkostenvorauszahlung durch das Jobcenter, statt endgültiger Festsetzung ein Änderungsbescheid erging, legte der Hartz IV-Empfänger auch hiergegen – jedoch nicht rechtzeitig –  Widerspruch ein.

Lesen Sie hier mehr zur Rechtslage bei Änderungsbescheiden

Das erste Widerspruchsverfahren hatte sich nach Ansicht des Jobcenters jedoch mit dem Erlass des Änderungsbescheides als endgültige Festsetzung erledigt, wogegen sich der Hartz IV-Empfänger aber mit der Klage vorm Sozialgericht wehrte. Interessanterweise wurde nämlich auch der Änderungsbescheid über § 86 SGG Teil des ersten Widerspruchsverfahrens. Jedoch hatte sich der erste Widerspruch in der Tat mit Erlass des Änderungsbescheides, der als endgültige Entscheidung ausgelegt werden konnte, erledigt!

Tipp vom Anwalt: Die abschließende Festsetzung ist, wohl anders als der vorläufige Bescheid, auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist noch mindestens ein Jahr mit dem Überprüfungsantrag anfechtbar.

Anwaltsstrategien bei schwankendem Einkommen

Hartz IV-Aufstocker sehen sich oft mit vorläufigen Bescheiden konfrontiert. Die Frage, ob hier die endgültige Festsetzung für jeden Monat verlangt werden sollte oder die Bildung des Durchschnittseinkommens akzeptiert werden sollte, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Es gibt nur eine grobe Faustregel, dass die Person, die einmal über 1.000 € und sonst darunter verdient mit dem Durchschnittseinkommen besser fährt und die Person, die  mal über 450 € verdient und ansonsten darunter mit der monatlichen Festsetzung besser fährt (wegen der Freibeträge). Eine interessante Entscheidung das das BSG kürzlich getroffen. Demnach ist das Gesamteinkommen, zusammen mit den festen Teilen, wie Kindergeld oder Unerhaltszahlungen, auf den gesamten Bewilligungszeitraum zu verteilen, auch wenn nur in einem Teil der Monate gearbeitet wird (BSG vom 11.07.2019, Az.: B 14 AS 44/18 R).

Achtung: Mit dem Bürgergeld wurde eine Bagatellgrenze von 50 € bei Rückfoerderungen eingeführt, vgl. § 40 I 3 SGB II n.F. Bis zu dieser Grenze dürfen die Jobcenter Gelder nicht zurückfordern.

Mehr Fragen? Hier geht es zu unserem Ressort Hartz IV

Die Folgen verweigerter Mitwirkung

Neues BSG-Urteil: Ausnahme vom Kopfteilungsprinzip bei verweigerter Mitwirkung

Unterkunftskosten bei Hartz IV

Ein häufiger Streitpunkt zwischen Hartz IV-Empfängern und den Jobcentern ist die angemessene Höhe der Unterkunftskosten (lesen Sie hierzu mehr!

Das Kopfteilungsprinzip und seine Ausnahmen

Doch auch wenn hierzu Einigkeit besteht, kann es Probleme geben, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht nur vorübergehend abwesend ist, wenn es eine (Voll-)Sanktionierung gegen ihn gibt oder Mietschulden als einmalige Leistung für die Sicherung der Unterkunft von der Behörde gezahlt werden (zu letzterem: BSG vom 18.11.2014, Az.: B 4 AS 3/14 R). Jetzt hatte das BSG über einen Fall zu entscheiden, wo die Individualansprüche der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht erhöht wurde, nachdem einem Hartz IV-Empfänger die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I gesperrt wurden.

Die Verletzung von Mitwirkungspflichten eines BG-Mitglieds nach § 66 I SGB I

Zurecht, wie das Bundessozialgericht jetzt feststellte (BSG vom 14.2.2018, Az.: B 14 AS 17/17 R). Die Bedarfsgemeinschaft als hier nichtfunktionierende Einstandsgemeinschaft müsse ihr nichtmitwirkendes Mitglied in die Verantwortung nehmen oder die Konsequenzen seines Verhaltens tragen. Mit ihrer Rüge der Verletzung von § 22 SGB II drangen die Kläger daher nicht durch.

Achtung: Nach dem SG Gießen vom 06.09.2021 (Az.: S 22 AS 214/21 ER) darf keine vorläufige Zahlungseinstellung bei fehlender Mitwirkung vom Jobcenter verhängt werden.

Tipp vom Anwalt: Haben Sie ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt? Drängen Sie auf eine Auflösung der Bedarfsgemeinschaft. Anders ist dies aber bei Verhängung einer Sanktion gegen ein BG-Mitglied, hier darf die Kopfanteilsmethode nach dem BSG nicht angewandt werden (Urteil vom 23.05.2013, Az.: B 4 AS 67/12 R).

Dieser Beitrag ist keine Rechtsberatung, sondern dient der Vorstellung der Rechtsberatungsdienstleistungen der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen. Lassen Sie sich daher in jedem Fall individuell von RA Christopher Richter, LL.M.Eur.  beraten. Für Richtigkeit und Vollständigkeit der Infos wird nicht gehaftet. Mehr Infos hier: Hartz IV

AG Würzburg: Pflegekonzept nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar

Eigenbedarfskündigung zur Unterbringung einer Pflegekraft

Eine interessante Entscheidung zur Eigenbedarfskündigung hat das Amtsgericht Würzburg getroffen. Eine Vermieterin hatte ihrer Mieterin gekündigt, weil sie deren neben der Wohnung ihres kranken Vaters befindliche Wohnung für die Unterbringung einer Pflegekraft benötigte.

Keine unzulässige Vorratskündigung

Dem widersprach die MIeterin mit dem Argument die Pflegekraft sei noch niht eingestellt, so dass eine unzulässige Vorratskündigung vorliege. Zudem sei das vorgestellte Pflegekonzept ungeeignet.

Pflegekonzept nur eingeschränkt überprüfbar

Diesen Argumenten erteilte das Amtsgericht Würzburg mit seiner Entscheidung vom 24.08.2022 eine Absage. Ohne eine geeignete Wohnung könne keine Pflegekraft eingestellt werden. Im Übrigen sei es dem Gericht generell verwehrt das vorgelegte Pflegekonzept, außerhalb einer allgemeinen Missbrauchskontrolle, zu überprüfen (Az.: 13 C 1262/22).

hier die Entscheidung: 

13_C_1262_22_Abschrift_Urteil_AG_Wuerzburg_v_07_09_2022

 

Erreichbarkeit im Urlaub – muss ich für den Chef erreichbar sein?

Wir haben Urlaubssaison, und werden daher momentan oft gefragt, ob man über das Handy während des Urlaubs für den Chef oder Kollegen erreichbar sein muss oder nicht, ob man Emails lesen muss oder WhatsApp-Nachrichten.

Der Urlaub ist als Erholung von der Arbeit gedacht. Wer erreichbar ist, kann sich nicht erholen. Daher ist die ganz generelle Antwort: NEIN, man muss weder WhatsApps, SMS, Emails mit Arbeitsbezug lesen, noch muss man telefonisch erreichbar sein.

Allgemein anerkannt ist, dass die Arbeitgeberseite auch nur in absoluten Notfällen – die im Einzelfall natürlich zu definieren sind –  überhaupt versuchen darf, den Arbeitnehmer zu kontaktieren. Wenn dieser dann nicht reagiert, wird der Arbeitgeber den Notfall alleine lösen müssen. Denn letztlich ist das ganz klar etwas, was ins Betriebsrisiko des Arbeitgebers fällt.

Natürlich gibt es keine gesetzlichen Strafen für Arbeitgeber, die ohne Notfall den Arbeitnehmer belästigen, daher machen das auch viele. Allerdings empfehle ich Arbeitnehmern grundsätzlich, das Smartphone auszulassen im Urlaub.

Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Das OLG Köln  hat  eine Entscheidung in Bezug auf die Pflichten beim Warenumschlag getroffen, die für Frachtführer und Spediteure von Bedeutung ist (OLG Köln vom 05.09.2014, Az.: 3 U 15/14). 


Der Sachverhalt:

Es folgt eine Kette unglücklicher Umstände: Das nach Saudi-Arabien abzuliefernde Transportgut (ein Luftkanonenteile) war vom Fahrer der Spedition im Umschlaglager entgegen des vorhandenen Hinweisschildes an einer falschen Stelle abgestellt worden und gelangte über den Seeweg dann irrig nach Indien.

Fehler beim Warenumschlag

Ein für Indien bestimmtes Gut hingegen reiste ebenfalls über See nach Saudi-Arabien.  Die Verwechslung war zuvor im Warenumschlaglager der Beklagten nicht aufgefallen, denn an bei beiden Sendungen fehlte die Markierung (sog. LOT-Nummer). Und weil beide Transportgüter annähernd gleich schwer waren, wurde die Verwechslung von den Mitarbeitern des Umschlagunternehmens auch später nicht entdeckt, obwohl der Fuhrunternehmer zuvor noch per E-Mail darum gebeten hatte, die Markierung am Container nachzuholen.

Mangelnde Sorgfalt bei Kontrolle der Frachtpapiere

Der Fehler hätte aber entdeckt werden können, wenn Anlieferungsquittung und -schein noch zusätzlich kontrolliert worden wären, weil die die LOT-Nummer enthielten, denen der Destinationsort eindeutig  zu entnehmen ist. Der Rücktransport, jeweils über den Luftweg, war  immens teuer.

Regress des Frachtführers nicht erfolgreich

Der Regress des Frachtführers gegen den Umschlagsbetrieb war dennoch nicht erfolgreich [Fall vom Autor aus redaktionellen Gründen leicht modifiziert]. Aus der Urteilsbegründung: „Es stellt keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, welche die Destination zweifelsfrei erkennen lassen, nicht auf der Ware selbst vermerkt sind. (…) Es stellt auch keinen Organisationsmangel (des Umschlagbetriebes) dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit der Zuordnung überprüft werden. Solcher Überprüfung bedarf es nicht, weil bei Eingang der Ware anhand einer korrekten Markierung und der Papiere eine Zuordnung zu den einzelnen Häfen
zweifelsfrei möglich ist. Vor Verladung in den
Container ist eine Verwechslung dadurch ausgeschlossen, dass zuvor eine räumlich deutlich getrennte Aufbewahrung der Güter sichergestellt ist (…)“

Praxishinweis vom Anwalt:
Auch wenn die Entscheidung hier sicher einen Einzelfall abbildet, gibt sie doch Anlass den Fahrern einzuschärfen, dass die Transportware an der richtigen Stelle abgestellt werden muss und im Zweifel bei den Mitarbeitern des Umschlagbetriebes
Rücksprache genommen werden muss.

Kontakt: Rechtsanwalt Christopher Richter, Tel.0931/47085337, richter(at)anwaltskanzlei-wue(dot)de

 

Beförderungssichere Verladung bei Schwertransporten

Erhöhte Pflichten bei Schwertransporten

Das OLG Bamberg  (Az.: 3 U 2/13) hatte sich am 09.04.2014 mit einem Schwertransport eines 46,60 Meter langen und 50 Tonnen schweren Brückenträgers zu befassen, den der Fuhrunternehmer  auf der Baustelle abgelehnt hatte, weil der vom Absender angebotene Transportbock zur Fixierung des Stahlträgers auf seinem LKW nach Ansicht des Fahrers ungeeignet war. Mit seiner Schadensersatzklage wegen der Bauverzögerung scheiterte der Absender.

Hinweispflicht auf Mängel der beförderungssicheren Verladung

Es ist gem. § 412 I 1 HGB Sache des Absenders für eine beförderungssichere Verladung zu sorgen, ist Teil 1 des Credo der   Ladungssicherung. Teil 2 ist, dass der Frachtführer für die Ladungssicherheit verantwortlich ist. Jedoch hat auch der Fuhrunternehmer – zumindest  bei Schwerlasttransporten-  Hinweispflichten im Vorfeld auf erkennbare Mängel der Beförderungssicherheit hinzuweisen, doch müssen diese ihm dann als Nichtwarenfachmann auch ins Auge springen.

Koordinationspflicht bei Schwertransporten

Bei Spezialfrachten (50 t Last) und schwierigen Transportbedingungen (gebogene Träger) gibt es zwar eine Koordinationspflicht des Fuhrunternehmers für die Kompatibilität zwischen Transportmitteln und Transportfahrzeug zu sorgen. Für die Kompatibilität zwischen Transportmittel und Transportgut hat der Fuhrunternehmer aber nicht zu sorgen, betonten die Richter. Und weil sie die Transportböcke als Verpackung im Sinne von § 411 HGB einstuften, sahen sie die Verantwortung für die fehlende Beförderungssicherheit alleine beim Kläger und wiesen dessen Klage ab.

 

Praxistipp vom Anwalt: Daher sind im Vorfeld des Transportauftrages eingereichte Unterlagen des Absenders über Transportgut und -mittel auf evidente Fehler der Kompatibilität zwischen Transportfahrzeug und -mittel prüfen.

Frachtführer im Zweifel in der Verantwortung

An der Verantwortlichkeit des Versenders hier ändert sich zwar nichts, wenn der Versender  auf Nachfrage des Frachtführers sagt, dass eine bestimmte (ungenügende) Transportweise noch nie zu Problemen geführt hat und er daher damit  dessen Besorgnis zerstreut. Nimmt der Frachtführer im Falle eines Unfalls wegen unzureichender Verpackung dann aber den Versender nach § 414 HGB in Regress, muss er übers Mitverschulden jedoch u.U. Abstriche von seinem Schadensersatzanspruch machen (vgl. OLG Saarbrücken vom 08.02.2017, Az.: 5 U 29/16).

Frachtführer machen nichts umsonst

Die frachtführerfreundliche  Entscheidung   des   LG  Potsdam

Sachverhalt: Ein   Dienstleistungsunternehmen   im   Bereich   des Transportwesens und der Logistik stand   in ständiger Geschäftsbeziehung mit seinem Auftraggeber. Dessen Aufträge, die Ladungen (hier Lebensmittel) an  einen bestimmten Bestimmungsort zu liefern, wurden   regelmäßig in Frachtbörsen eingestellt.

Details telefonsich abgeklärt

In   den   jeweiligen  Angeboten   war   eine   detaillierte Frachtbeschreibung     sowie   die   Größe   des   benötigten   Lkw   (hier:   Sattelzug) mitangegeben.   Später   wurden   in   Telefonaten   die   weiteren   wesentlichen technischen Details geklärt und  die Transportauftragsbestätigungen, wie das Gewicht der zu transportierenden Güter, Lademeter, Verpackungsart und Warenart mitgeteilt und die Stelle benannt, an der die Ladung aufzunehmen war. Es folgte   die   Mitteilung   der   Reihenfolge   der   Entladestellen.

Kostenfreier Ladungstausch in AGBs geregelt

Zudem   wurden   die eigenen   AGBs   des   Auftraggebers   mitgeteilt,   wobei   die   ADSp   ausgeschlossen wurden. In   den   Allgemeinen   Geschäftsbedingungen   des   Auftraggebers   war   folgende Klausel enthalten: „Der   Auftragnehmer  verpflichtet   sich   zum  kostenfreien   Ladungstausch   von Direktzustellern   bzw.   zur   Ladung   für   identische   Direktempfänger   in   einer Empfangsniederlassung der … Gruppe.“

Auftraggeber verweigert Zahlung für die Zuladung

So wurden im Jahr 2011 etliche Transporte u.a. von Leppersdorf (in Sachsen) aus durchgeführt.   Gestützt   auf   diese   Klausel   in   der   Auftragsbestätigung   ließ   der Auftraggeber den jeweiligen Fahrer der Auftragnehmerin bei der Entladung einesTeils des transportierten Gutes die freigewordene Ladefläche mit neuen Gütern auffüllen.   Die Auftragnehmerin   kannte   dabei   weder   die   Art   des   neu   zu transportierenden Gutes noch die Menge. Die Auftragnehmerin stellte später für diese Zuladungen einen Pauschalbetrag in Rechnung. Diesen zu bezahlen weigerte sich der Auftraggeber aber.

AGB: Unangemessene Benachteiligung des Frachtführers

Zu   Unrecht,   wie   das   Landgericht   Potsdam   und   zuvor   dass   AG   Nauen   dem Auftraggeber   attestierten.     Denn   eine     Klausel,   nach   der Zuladungen   an   den   jeweiligen   Entladestellen   für   die   nächst   folgenden Entladestellen vorzunehmen seien ohne dass hierfür eine angemessene Vergütung zu   zahlen   ist,   sei    unwirksam.   Diese   benachteiligt   den Logistikunternehmer unangemessen, was gegen Treu und Glauben verstieße. Denn eine solche Klausel legt dem Logistiker die   pauschale Verpflichtung auf  die Zuladung   ohne   vorherige   Bestimmung   von   Art   und   Länge     des   Gutes vorzunehmen   und   dabei   für   die   Ladesicherung,   die   Ladehilfsmittel   und   evtl. Kühlung   zu   sorgen.   Zudem   werde   dem   Frachtführer   das Versicherungsrisiko auferlegt. Im  schlimmsten Falle könne der Lkw an der ersten (oder weiteren) Entladestellen völlig entladen werden und ohne weitere Kosten für den Auftraggeber   wieder   neu   beladen   werden.   Der   Frachtführer   wäre   dann gezwungen, ohne zusätzliche Vergütung Güter mit dem doppelten oder sogar dreifachen Gewicht der vertraglich vereinbarten Güter zu transportieren.

Transportraum sollte auf Vorrat bereitgehalten werden

Die Gerichte haben die Klausel weiter auseinandergenommen :   Denn   sie   habe   auch   die  nicht akzeptable Folge,   dass Transportraum auf Vorrat vom Frachtführer vorzuhalten sei, wobei er  die   dabei   entstehenden   zusätzlichen   Kosten   und Versicherungen zu tragen habe. Der Frachtführer könne keine Disposition über den frei werdenden Laderaum an der ersten oder weiteren Entladestelle tätigen, da er jederzeit damit rechnen müsse, vom Auftraggeber weiteres Frachtgut zu erhalten. Der erhöhte   Zeitaufwand   und   Kraftstoffverbrauch   sowie   den   Verschleiß   gingen dabei allesamt zu Lasten des  Frachtführers.

Fazit: Diese AGB widersprach völlig dem Gedanken des Frachtrechts   das der Transport von Gütern grundsätzlich nur gegen Entgelt erfolgt.  Denn nur bei Zahlung einer angemessenen Vergütung ist es auch sachgerecht, den Frachtführer mit der strengen Haftung des § 425 HGB zu belasten. Die Klausel widerspricht also somit auch der Wertung des Gesetzgebers in § 354 BGB, dass Kaufleute, noch weniger als andere Personen, umsonst tätig werden.

 

Praxistipp:  Daher immer sorgfältig darauf achten, dass auch für alle zu erbringenden   Zusatzleistungen   eine   Entgeltvereinbarung   getroffen   wurde,   um hinterher   Streitigkeiten   zu   vermeiden.   Wenn   der   Frachtführer   selber die   Be-   und Entladung übernimmt, dann sollte das niemals ohne Entgelt erfolgen!

Einlagerer informieren vor Umlagerung

Einlagerer informieren vor Umlagerung

Der   Auftraggeber,   ein   Fernseherproduzent   und -händler, forderte erfolgreich Schadensersatz in Höhe von über 450.000 Euro
wegen eines Brandschadens an Fernsehgeräten, die der Logistikunternehmer in seinem Auftrag  eingelagert hatte. Der   Logistiker   hatte   in   der   Vergangenheit   regelmäßig   Transporte   für   diesen einen Auftraggeber     ausgeführt.   Wegen   Umbauarbeiten   in   seinem   eigenen   Lager beauftragte der Auftraggeber den Logistiker im Jahr 2007 dann damit 90 Paletten mit LCD-Fernsehgeräten   zu   einem   Lagergeld   von   0,16   €   pro   Palette   für   ihn einzulagern. Der Logistiker lagerte die Fernsehgeräte dann zunächst im eigenen Lager. Der Auftraggeber teilte diesen Lagerort seiner Versicherung mit. In den Logistikvertrag   zwischen   den   Parteien   waren   die   ADSp,   die   die   Haftung   des Frachtführers begrenzen, einbezogen.

Fehlbestand festgestellt

Später  führten die Parteien aus Anlass eines  festgestellten Fehlbestandes an LCD-Fernsehgeräten in der Zweigstelle des Logistikers eine Besprechung durch. Im Nachgang des Meetings schickte ein Mitarbeiter
des Logistikers eine Mail an den Auftraggeber mit folgendem Inhalt:

„Nachfolgend   die  Anschrift   unserer   zusätzlichen  Lagermöglichkeit für   Sie   –   zur Verwendung Ihrer Versicherung: A.S. Logistik GmbH & Co. KG, S. 7-9, 39126 M..“

Später brachte der Logistiker  dann 87 der Paletten mit den LCD-Fernsehgeräten des Auftraggebers in dieses Warenlager. Für diese Umlagerung zahlte der Auftraggeber im Nachhinein am die Umlagerkosten von 2,50 € pro Palette.

Kurz darauf brannte es in der Halle  des fremden Lagerhalters, in dem die Fernseher nun eingelagert waren. Ein beträchtlicher Teil dieser wurde vernichtet oder beschädigt. Die Versicherung des Auftraggebers bezahlte nur einen Teil des Schadens, weil sie nicht   von   der   Umlagerung   informiert   worden   war.

Benachrichtigungspflicht als Kardinalpflicht

Die     anschließende Schadensersatzklage   gegen den Logistiker wurde erstinstanzlich   abgewiesen, war aber in der Berufung dann zum Teil erfolgreich. Zurecht, wie der BGH jetzt feststellte, denn die Umlagerung der Fernseher in das fremde Lager war ohne Wissen und ohne Zustimmung des Auftraggebers geschehen. Daher habe er seine Lagerversicherung nicht informieren können. Das Argument des Logistikers, dass er   wegen   Nr.   15.1.   Satz   1   ADSp  auch   ohne   Zustimmung   zur   Umlagerung berechtigt   gewesen   zu   sein,   ließen   die   Richter   nicht   gelten.   Bei   der   Benachrichtigungspflicht   des Lagerhalters   nach  Ziffer   15.1   S.   2   ADSp   handelt   es   sich   nämlich   um   eine vertragswesentliche   Pflicht   (Kardinalpflicht)   des   Lagerhalters   i.S.v.   Ziffer   27.1
Halbsatz 2 ADSp.

Schutz des Einlagerers

Denn nur durch eine ausreichende Benachrichtigung würde der Auftraggeber   in   die   Lage   versetzt   wird,   sich   für   sein   eingelagertes   Gut ausreichenden   Versicherungsschutz   zu   besorgen,   was   für   ihn   wegen   der Haftungssituation im Lagerrecht besonders wichtig sei. Darüber hinaus erhält er nur so die Möglichkeit, von seinem Besichtigungsrecht,  als zentralem Recht des Einlagerers, da er die Unterbringung seiner Güter in ungeeigneten Lagerräumen nicht zu dulden braucht,Gebrauch zu machen.

Wegfall der Haftungsbeschränkungen

Eine verspätete oder inhaltlich unzureichende   Benachrichtigung     über   eine     Umlagerung   des   Gutes   in   ein unbekanntes   Lager   führte   daher   auch   zu   einem   Wegfall   der Haftungsbeschränkungen   nach   Ziffer   24   ADSp,   so   dass   der   Lagerhalter unbeschränkt haften könne.  Zweifel daran, ob nur auf eine Lagerungsmöglichkeit hingewiesen   wird   oder   eine   Umlagerung   beabsichtigt   ist   oder   sie   tatsächlich
schon stattgefunden hat, gehen zu Lasten des Lagerhalters. Solche Zweifel schließt der Wortlaut der E-Mail vom 18. April 2007 nicht aus,
meinten   die   Richter:   Da   in   der   Mail   lediglich   die   Rede   von   einer   weiteren Lagermöglichkeit war,  lasse sich dem Wortlaut der E-Mail nicht entnehmen, dass von der Lagermöglichkeit schon Gebrauch gemacht wurde.

Praxistipp:
Logistiker sollten ihre Mitarbeiter und die Disponenten anweisen deutliche Hinweise an den Auftraggeber zu geben, wenn Umlagerungen stattfinden und dies zu dokumentieren.

Beim   vorliegenden   Fall   wäre   dem   Logistiker
möglicherweise mit dem Abschluss einer Lagerexzedentenversicherung geholfen gewesen.

Update wegen neuem BGH-Urteil zu “Die 10 häufigsten Fehler in Ihrer Betriebsnebenkostenabrechnung”

Fehler in Betriebsnebenkostenabrechnungen

Sie können richtig Geld sparen! Gerade jetzt, wo die Gas- und Ölpreise in die Höhe schießen, lohnt es sich genau hinzuschauen!

Schätzungsweise jede zweite Betriebskostenabrechnung enthält Fehler. In diesem zweiteiligen Beitrag   stellt Ihnen Rechtsanwalt Christopher Richter diesmal  zehn häufige Fehler bei der Umlage von Betriebskosten durch Ihren Vermieter vor. „Update wegen neuem BGH-Urteil zu “Die 10 häufigsten Fehler in Ihrer Betriebsnebenkostenabrechnung”“ weiterlesen

OLG Bamberg hält Audi die Stange – kein sittenwidriges Verhalten ab Januar 2018

Kürzlich hatten wir einen Fall, der zum Themengebiet “Abgasskandal” zu rechnen ist, allerdings mit der Besonderheit, dass es sich um einen Audi A7 handelt, welcher im April 2018 vom Mandanten gebraucht beim Vertragshändler gekauft worden war.

Beim Kauf war dem Mandanten vom Händler kein Hinweis gegeben worden, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Dieser erfuhr dann erst Mitte 2020, dass dies der Fall ist, nämlich durch ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes, in dem er aufgefordert wurde zum Softwareupdate, weil sonst das Fahrzeug stillgelegt würde.

Namens des Mandanten hatte ich Audi Ende 2020 – die Gewährleistung war leider bereits abgelaufen, sonst hätte man noch gegen den Händler aus der Gewährleistungspflicht heraus vorgehen können – zunächst außergerichtlich bei Audi Rückabwicklung verlangt. Das wurde abgelehnt.

Dann haben wir vor dem LG Würzburg auf Rückabwicklung geklagt und gewonnen. Audi ging in Berufung, und argumentierte hierbei u.a., dass zum Zeitpunkt des Kaufs im April 2018 kein sittenwidriges Verhalten mehr unterstellt werden könne, weil man ab Mitte 2017 mehrere Aktionen öffentlich angekündigt habe. Auch habe man (nach einer Pressemeldung des KBA Ende Januar 2018) – im rein internen Händlerforum (!) – online mitgeteilt, dass hier die Händler zur Aufklärung gegenüber Kunden verpflichtet seinen, und diesen Händlern ein Schreiben beigefügt, welches diese am besten jedem Kaufinteressenten eines solchen Audi vorlegen sollten. Darin ist kein klarer Hinweis gegeben, dass hier ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung verkauft wird, welchem eine Stilllegung durch das KBA droht. Stattdessen wird ausgeführt, dass der Käufer ein Fahrzeug hat welches zu den 850.000 Fahrzeugen von Audi gehört, für welches eine “verbesserte Software zur noch besseren Schadstoffreduzierung” entworfen wurde, und dass diese Autos an einer Softwareaktualisierung “teilnehmen können”.

In der Berufungserwiderung haben wir detailliert dargelegt, warum darin auf keinen Fall eine deutliche Abkehr von sittenwidrigen Verhaltensweisen zu sehen sein kann, weil nämlich hier keinerlei Ehrlichkeit herauszulesen ist nach unserer Meinung.

Das sah das OLG Bamberg in seinem Urteil vom 22.12.2021 leider anders. Man dürfe nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, so wurde argumentiert. Auch die Tatsache, dass diese Schreiben rein intern waren und eine vertragliche Verpflichtung Audis zu ihren Händlern hinsichtlich der Aufklärung zwar möglich gewesen wäre, aber gerade nicht erfolgt ist, focht die Richter in Bamberg nicht an. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Unabhängig von der Tatsache, dass ich diese Begründung für äußerst fragwürdig halte, wird man sich als Audikäufer im hießigen OLG Bezirk an die Realitäten halten müssen. Ergänzend muss man sagen, dass bereits andere OLGs wohl ähnlich geurteilt haben.

Andererseits ist damit im Umkehrschluss klar, dass Audikäufer, die vor Ende Januar 2018 einen Audi mit Abschalteinrichtung gekauft haben, einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen Audi innehaben dürften. Allerdings ist hierbei die Verjährungsfrist zu beachten, die 3 Jahre läuft ab Ende des Jahres, wo der Käufer Kenntnis hatte von der Abschalteinrichtung.

Daneben drängt sich die Klage gegen die Händler auf, soweit – wie bei unserem Mandanten der Fall – diese beim Kauf eines (gebrauchten) Audi nach dem Januar 2018 keinerlei Schreiben zur Unterschrift vorgelegt bekommen haben, dass hier “ein Softwareupdate möglich ist”.