Cannabis im Straßenverkehr – wie verhalten Sie sich richtig, wenn Sie von der Polizei angehalten werden?

Anhand eines Falles aus der Praxis als Strafverteidiger möchte ich schildern, wie sich Betroffene richtig verhalten, wenn sie von der Polizei angehalten werden und der Konsum von Drogen – insbesondere von Cannabisprodukten – im Raum steht.

Ich hatte einen Mandanten, der an einem sehr heißen Samstagvormittag im Auftrag einer Stadt eine großflächige Hauswand mit Graffiti-Art verschönert hatte. Er hatte dabei etwa 5 Stunden bei über 30 Grad im Schatten gearbeitet, meist der Sonne voll ausgesetzt. Danach fuhr er nach Hause – Würzburg – Zellerau – wo er gerade dabei war, sein Auto zu parken, als die Polizei ihn anhielt. Natürlich war er nach der harten körperlichen Arbeit bei sengender Hitze etwas zittrig und hatte – vermutlich aufgrund der Spraydosen-Dämpfe – auch rote, etwas glasige Augen. Das alles hielten die Beamten für vorgeschoben, und vermuteten Drogenkonsum.

Sie forderten also von ihm, auf einer geraden Linie für sie zu gehen, etc.

Das alles geschah dann auch, der Mandant wollte ja nicht unkooperativ wirken, auch, weil er zum letzten Mal mehr als 3 Tage zuvor Cannabis konsumiert hatte, fühlte er sich sicher.

Die Polizei war mit seiner Performance allerdings nicht recht zufrieden und ordnete einen Drogentest durch eine ärztliche Blutentnahme und eine ärztliche Prüfung an. Der Mandant wurde also mit auf die Dienststelle genommen, wo ein Arzt sein Blut abnahm und ihn auf Drogenkonsum testete, indem er, wie das so üblich ist, verschiedenste Koordinations- und Motoriktests von dem Mandanten absolvieren ließ. Hier musste der Mandant z.B. 30 Sekunden abschätzen, mit den Zeigefingern die Nase berühren, etc. Der Arzt stellte hier eingeschränkte Fähigkeiten fest, was aber nicht zwangsläufig auf Drogenkonsum hinausläuft, gerade, weil der Mandant wie gesagt eine körperlich sehr anstrengende Tätigkeit geleistet hatte.

Einige Tage später erfuhr der Mandant, dass der THC – Wert im Blut unterhalb der Schwelle zur Ordungswidrigkeit von 1ng/Liter lag. Alle anderen Werte waren vollständig negativ. Einen Bußgeldbescheid brauchte er daher nicht zu fürchten.

Der Würzburger Staatsanwalt, der die Akte dann auf den Tisch bekam, gab diese aber zur gutachterlichen Einschätzung an die Rechtsmedizin weiter, weil er trotz der niedrigen Werte und der plausiblen Begründung des Mandanten Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Mandanten hatte. Der Rechtsmediziner, der anhand des niedrigen THC-Wertes zwar als richtig zu Grunde legte, dass der vorangegangene THC – Konsum mehr als 3 Tage her war, kam dann anhand des Protokolls der ärztlichen Untersuchung jedoch zu dem Schluss, dass der Mandant zum Zeitpunkt der Fahrt FAHRUNTAUGLICH aufgrund des Cannabiskonsums gewesen sei. Dies sei anhand der angeblichen  Ausfallerscheinungen, die der Arzt nach der Fahrt festgestellt habe, und einem sog. “Flashback” für ihn sicher. Demnach sei wissenschaftlich anerkannt, dass Cannabiskonsum auch mehrere Tage später zur Fahruntauglichkeit führen könne, und die Testergebnisse würden genau dies belegen. In juristischer Sicht bedeutete dies: Der Mandant hätte zwar keine Ordnungswidrigkeit begangen – sehrwohl aber eine Straftat, nämlich aufgrund seiner sog. relativen Fahruntauglichkeit eine Straftat nach § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr – begangen!

Dies hatte also einen Strafbefehl zur Folge, gegen den ich nach meiner anschließenden Mandatierung form- und fristgerecht Einspruch eingelegt habe.

Den Einspruch haben wir einerseits mit den Fakten begründet, dass die nicht perfekte Absolvierung des ärztlichen Tests, wie auch die roten Augen und das Zittern, nicht aufgrund Drogenkonsums, sondern aus der Arbeit am Vormittag resultierte. Von einem bekannten Psychiater hat der Mandant dann noch eine Stellungnahme durch einen Fachmann schriftlich eingeholt, wonach die Flashback-Theorie längst wissenschaftlich widerlegt war und die Arbeit am Vormittag genau derartige Folgen wie ärztlich festgestellt hat und dass deswegen die Einschätzung des Rechtsmediziners schlicht falsch ist und somit gerade KEINE relative Fahruntauglichkeit vorlag, weil die Ausfallerscheinungen, so man sie überhaupt so nennen kann, jedenfalls nicht drogenbedingt waren.

Ich beantragte somit folgerichtig die Einstellung des Verfahrens nach § 170 II StPO bzw. die Nichteröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht.

Damit sollte es sich eigentlich erledigt haben.

Aber dem war nicht so – der Richter gab Anweisung, dass ein dritter Sachverständiger sich mit den beiden widersprüchlichen Stellungen der bisherigen Sachverständigen auseinandersetzt. Hierzu wurde also ein weiteres, sicherlich teures Gutachten eines Münchner Gutachterbüros eingeholt.

Am Ende bestätigte dieses, dass der Rechtsmediziner falsch lag, weil es keinerlei belastbare Studien gebe, die die Flashback – Theorie untermauern. Somit lag keine relative Fahruntauglichkeit beim Mandanten vor.

Nun ging das Ganze hier noch gut aus. Es drängt sich jedoch die Frage auf: Hätte dem Mandanten hier Zeit und Nerven erspart werden können durch ein anderes Verhalten?

Die Antwort ist ganz klar JA.

Zentral wichtig ist es hier, zu wissen, dass kein Mensch gezwungen werden kann, sich selbst zu belasten. Das resultiert in einem gesetzlich verbrieften Aussageverweigerungsrecht jedes Menschen, der einer Straftat verdächtig ist. Darauf weisen die Ermittlungsbeamten regelmäßig hin, tun sie es nicht, darf die so gewonnene  Aussage nicht verwertet werden.

Allerdings ist hier das Problem ein anderes: Denn auf die Tatsache, dass Nichtkooperation erlaubt ist, muss keiner der Ermittler Sie hinweisen. Daher tue ich das vorliegend.

Gerade hier in Würzburg und Umgebung, aber auch ganz generell gilt: Wenn die Polizei oder der Arzt Sie auffordert, bestimmte Tests mitzumachen – sei es der Zeigefinger-Nase-Test oder sonstwas – so sollten Sie einfach jegliche Teilnahme daran kathegorisch verweigern. Sie müssen weder der Polizei noch dem Arzt dabei helfen, Ihnen Fahruntauglichkeit nachzuweisen. Lassen Sie den Arzt Blut abnehmen, folgen Sie den Anweisungen der Polizeibeamten, soweit diese nicht irgendwelche Tests darstellen.

Denn fast niemand besteht diese Tests perfekt – und jede Imperfektion in einem der Tests ist ein weiterer Verdachtsmoment für die Ermittler, dass Sie nicht hätten fahren dürfen. Im Umkehrschluss gilt auch: Alles, was ohne Ihre Kooperation nicht testbar war, kann Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. D.h. dass die Ermittler ohne Ihre Mithilfe keine Anhaltspunkte für eine Fahruntauglichkeit bekommen können, also sollte man sie ihnen auch nicht liefern, soweit  man dazu nicht gesetzlich verpflichtet ist! Ausnahme hiervon sind höchstens Fahrfehler, die vor dem Anhalten durch die Polizei gemacht wurden.

Im Beispielsfall hätte das folgendes bedeutet: Hätte mein Mandant hinsichtlich der anfänglichen polizeilichen Tests (Gerade Linie entlang gehen, Finger-Nase-Test) diese verweigert, so wäre er natürlich trotzdem auf die Wache mitgenommen worden, und wahrscheinlich wäre auch die Blutentnahme angeordnet worden. Hätte der Mandant aber dem Arzt gegenüber auch jeden seiner Tests verweigert, so hätte dieser keinerlei nachteilige Ergebnisse dokumentieren können. Somit hätte dann auch nicht der Geringste Anhaltspunkt vorgelegen, der den Würzburger Rechtsmediziner zu seiner (meiner Meinung nach ohnehin völlig abwegigen) Einschätzung der Drogenintoxikation bzw. der Fahruntauglichkeit hätte bringen können. Dementsprechend wäre das Ermittlungsverfahren schnell eingestellt worden.