Wann steht Arbeitnehmern eine Abfindung zu? Ein Anwalt für Arbeitsrecht klärt auf

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Als Anwalt für Arbeitsrecht, der seit nunmehr über 15 Jahren praktiziert, möchte ich Ihnen in diesem Blogbeitrag umfassende Einblicke in das Thema Abfindungen geben. Sie werden erfahren, wann Sie Anspruch auf eine Abfindung haben, welche rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gelten und wie Sie im Falle einer Kündigung bestmöglich vorgehen können. Dieser Beitrag richtet sich an Arbeitnehmer, die sich über ihre Rechte und Möglichkeiten informieren möchten.

Eine Abfindung ist eine finanzielle Entschädigung, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern im Falle einer Kündigung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zahlen müssen oder sollten. Für viele Arbeitnehmer sind Abfindungen von großer Bedeutung, da sie ihnen in einer schwierigen Übergangsphase finanziell unter die Arme greifen können. Ziel dieses Beitrags ist es, Ihnen die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für Abfindungen näher zu bringen, damit Sie im Ernstfall bestmöglich geschützt sind.

Gesetzliche Grundlagen der Abfindung

Die rechtlichen Grundlagen für Abfindungen finden sich in verschiedenen Gesetzen, allen voran im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dieses regelt, unter welchen Umständen Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen dürfen und wann Arbeitnehmer (der Einfachheit halber nutzen wir das Maskulinum, meinen aber natürlich auch immer Arbeitnehmerinnen!) Anspruch auf eine Abfindung haben.

Es gibt drei Grundarten von Abfindungen: die gesetzliche (dazu I), die vertragliche (dazu II) und die vor Gericht vereinbarte Abfindung (dazu III) bei normalen Beschäftigungsverhältnissen ohne Leitungsfunktionen.

1. Die gesetzliche Abfindung

Die gesetzliche Abfindung ist geregelt in den §§ 9 und 10 des Kündigungsschutzgesetzes. Sie greift, wenn eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist und dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist. Beispiel: Der Vorgesetzte belästigte die später gekündigte Mitarbeiterin. Diese muss zunächst zwar auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen, kann dann aber aus den genannten Gründen einen sog. Auflösungsantrag zum Gericht stellen. Das wird dann die prinzipielle Unwirksamkeit der Kündigung und die Auflösung gegen Abfindung von regelmäßig 0,5 Bruttogehältern Abfindung pro Beschäftigungsjahr feststellen. Diese Fälle sind natürlich die Ausnahme, trotzdem wird in den meisten Kündigungsschutzverfahren am Ende eine Abfindung bezahlt. Warum das so ist, werde ich unter Punkt III genauer darlegen.

2. Die vertragliche Abfindung: Vorsicht!

Die vertragliche Abfindung hingegen wird im Arbeitsvertrag oder in einem Aufhebungsvertrag oder in einer Abwicklungsvereinbarung vereinbart, wo auch niedergeschrieben ist, was die genauen Voraussetzungen sind. Während derartige Regelungen in Arbeitsverträgen selten sind, sieht man sie häufig in vom Arbeitgeber angebotenen Aufhebungsverträgen oder Abwicklungsvereinbarungen.

Um einen vertraglichen Anspruch auf eine Abfindung zu haben, muss es also eine Vereinbarung geben. Der Aufhebungsvertrag wird zur Vermeidung einer Kündigung geschlossen, die Abwicklungsvereinbarung zu deren abschließenden Regelung ohne Einbeziehung des Gerichts. Beide Varianten sind für den Arbeitnehmer dann mit Vorsicht zu genießen, wenn er nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ALG I beanspruchen will. Denn es droht jeweils eine dreimonatige Sperre durch die Bundesagentur und teilweise eine Verrechnung der Abfindung mit ALG I. Daher die dringende Empfehlung: Lassen Sie den Arbeitsrechtler Ihres Vertrauens einen angebotenen Vertrag auf jeden Fall überprüfen, bevor Sie diesen unterschreiben!

3.. Die gerichtlich vereinbarte Abfindung und deren Höhe

Die mit Abstand häufigste Form ist die vor Gericht im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses vergleichsweise vereinbarte Abfindung. Wie unter Punkt I geschildert, gibt es meist keinen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung. Diese Fehlvorstellung hört man häufig als Anwalt für Arbeitsrecht. Trotzdem wird in geschätzt mehr als 90 Prozent aller Kündigungsschutzklagen – also der Klagen auf Feststellung, dass eine Kündigung unwirksam ist – eine Abfindung als Gegenleistung für die Akzeptanz der Wirksamkeit der Kündigung durch den Arbeitnehmer vereinbart.

Ein wichtiger Vorteil der gerichtlich vereinbarten Abfindung ist, dass es mit dieser so gut wie nie Probleme bei der Bundesagentur für Arbeit mit dem ALG I gibt.

Diese wird deshalb so häufig vereinbart, weil der Arbeitnehmer häufig kein großes Interesse an der Weiterbeschäftigung hat, nachdem ihm so rechtswidrig gekündigt wurde, und weil der Arbeitgeber meist schlechte Karten hat, die Wirksamkeit seiner Kündigung zu beweisen, und daher aufgrund daraus entstehender Risiken bereit ist, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu bezahlen, damit dieser die Kündigung akzeptiert und beide für ihre Zukunft neu planen können.

Dabei orientiert sich die Abfindung grundsätzlich an den Ausnahmevorschriften (vgl. Punkt I) der §§ 9,10 KSchG und dem dort genannten halben Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr. Allerdings ist das nur die Basis aller Verhandlungen. Mangels Anspruchs kann das je nach Konstellation zu deutlich höheren oder auch mal geringeren Abfindungen führen. Beispielsweise: Bei klar unwirksamer Kündigung (weil die Kündigung sozialwidrig ist nach § 1 KSchG) wird die vereinbarte Abfindung tendenziell höher als 0,5 pro Beschäftigungsjahr ausfallen, auch, wenn der Arbeitgeber ein hohes Interesse zur Beendigung hat, wird er eher bereit sein, mehr Abfindung zu zahlen. Auch bei schwierigerer Findung einer Neubeschäftigung ist regelmäßig eine höhere Abfindung angebracht. Hingegen wird die Abfindung z.B. bei klaren Verfehlungen dann deutlich geringer ausfallen, wenn dabei die Wirksamkeit der Kündigung wahrscheinlich(er) ist. Letztlich ist alles Verhandlungssache.

Steuerliche Aspekte der Abfindung

Abfindungen unterliegen in der Regel der Steuerpflicht. Allerdings gibt es Möglichkeiten, die Steuerlast zu reduzieren. So können Sie beispielsweise eine Verteilung der Abfindung auf mehrere Jahre beantragen, um in einem niedrigeren Steuertarif zu bleiben, sogenannte Fünftelregelung. Die macht v.a. bei hohen Abfindungssummen Sinn, und der Arbeitgeber ist bei Abrechnung grundsätzlich verpflichtet, diese günstigste Möglichkeit der Versteuerung zu ermöglichen.

Fazit

Abfindungen sind für viele Arbeitnehmer von großer Bedeutung, da sie in Zeiten des Jobverlusts ein Stück finanzielle Sicherheit bieten können. Als Anwalt für Arbeitsrecht rate ich Ihnen daher dringend, sich über Ihre Rechte und Möglichkeiten im Klaren zu sein.
Informieren Sie sich rechtzeitig beim Anwalt Ihres Vertrauens, bevor Sie Unterschriften tätigen, die Ihre Rechte am Ende deutlich beschneiden oder gar vereiteln.

Holen Sie sich professionelle Unterstützung, etwa durch einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Nur so können Sie sicherstellen, dass Sie im Falle einer Kündigung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses die für Sie bestmögliche Abfindung erhalten. Zögern Sie daher nicht, bei Fragen oder Unsicherheiten Kontakt zu mir oder einer anderen auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei aufzunehmen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ich auch bei Eigenkündigung eine Abfindung erhalten?

In der Regel haben Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung keinen Anspruch auf eine Abfindung, und können auch abgesehen vom gesetzlichen Anspruch eine solche nicht argumentieren, denn der Arbeitgeber ist nur bereit, eine Abfindung zu bezahlen, wenn ER die Beendigung will.

Wichtig ist, dass Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht einreichen, wenn Sie mit der Abfindung nicht einverstanden sind. Das sollte dringend über einen Anwalt geschehen. Die Berufs-Rechtsschutzversicherung für Nichtselbständige, in den meisten Rechtsschutzversicherungen vorhanden, sichert die entstehenden Kosten ab. Eine Rechtsschutzversicherung Stand heute kostet derzeit für die gesamte Familie (Vater, Mutter, Kinder bis zum Abschluss der ersten Ausbildung) zwischen 150 und 250 Euro im Jahr. Sie sollte Privat, Beruf, Verkehr umfassen.

Rückzahlungsklauseln bei Weiterbildungen: Was Arbeitnehmer wissen sollten

rückzahlungsklauseln bei weiterbildungen was arbeitnehmer wissen sollten

Heutzutage werden Fortbildungen und Weiterbildungen immer wichtiger im täglichen Leben – für Arbeitnehmer wie auch für Arbeitgeber. Daher gewähren oder gar fordern oft Arbeitgeber ihren Arbeitnehmer zu Fort- und Weiterbildungen auf. Das kann von Tagesschulungen für Word, Outlook oder Excel bis zu jahrelangen, sehr teuren Meisterausbildungen oder Studienabschlüssen umfassen. Da aber auch der Arbeitnehmer von den Weiterbildungen profitiert, hat sich lange eingebürgert, dass der Arbeitgeber für seine Vorleistung – Zahlung der Fortbildung – als Gegenleistung Betriebstreue vom Arbeitnehmer erhält, was eine absolut legitime Lösung ist.

Umso mehr stellt sich auch in der arbeitsrechtlichen Praxis immer öfter – sowohl für Mandanten aus Arbeitnehmerschaft UND Arbeitgeberschaft als auch für uns Juristen – die Frage, ob die geschlossene Weiterbildungsvereinbarung wirksam ist oder eben nicht. Dabei kommt es auf die Rückzahlungsvereinbarung bzw. die Rückzahlungsklausel des Weiterbildungsvertrages an. Da es hierbei meist um Tausende von Euros geht, ist die Frage für beide Vertragsschließenden von hoher Relevanz. Im Folgenden möchte ich generelle Anmerkungen machen, wie die grundsätzliche Rechtslage ist, und dann häufige Fehler und Probleme mit diesen Klauseln, auch aus anwaltlicher Praxis, darlegen. 

Generelles

Rückzahlungsklauseln gelten in den allermeisten Fällen als vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln und unterliegen daher dem AGB-Recht der §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das ist ein großer Vorteil für die Arbeitnehmerschaft. Ohne, auf jeden Einzelfall darin eingehen zu können oder wollen an dieser Stelle: Jeder Arbeitgeber ist gut beraten, sich derartige Klauseln von einem Arbeitsrechtler formulieren zu lassen. Ob das nun der/die versierte, erfahrene Jurist aus der Personalabteilung kann oder ob doch lieber ein Fachmann außerhalb des Betriebes beauftragt wird, ist sicherlich Sache des jeweiligen Einzelfalls. Fakt ist jedenfalls, dass ein Profi dies tun sollte, und selbst dann besteht für den Arbeitgeber keine hundertprozentige Sicherheit, dass die Klausel vollkommen passt, denn hinzu kommen ständige Änderungen in der höhergerichtlichen Rechtsprechung. Aber so kann das möglichst Sichere gemacht werden.

Denn ein Grundsatz ist besonders hervorzuheben: Soweit die Klausel gegen deutsches AGB-Recht verstößt, soweit ist sie unwirksam und in dem Punkt unbeachtlich. Unklarheiten gehen hier immer klar zu Lasten des Verwenders, ergo des Arbeitgebers. Wer dazu mehr wissen will: Das Stichwort lautet AGB-Kontrolle. 

Die Klauseln dürfen nicht einseitig benachteiligend, unangemessen, intransparent sein, unter anderem. Im Folgenden beschränke ich mich auf diese häufigsten Fehler.

Unwirksame Klauseln – nicht abschließend, aus meiner anwaltlichen Praxis

Unwirksam ist zunächst jede Rückzahlungsvereinbarung, die zeitlich nach der verbindlichen Verpflichtung zur Weiterbildung abgeschlossen wurde. Das kommt leider häufig vor, obwohl auch einem Nichtjuristen eigentlich klar sein sollte, dass man nicht zuerst den Mitarbeiter verpflichtend zur Fortbildung bringen und erst anschließend ihm Bedingungen vorschreiben kann, unter denen er eine Rückzahlungspflicht haben wird. Dies führt daher zwingend zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung, da hier gleich mehrere AGB-Grundsätze – allen voraus das Transparenzgebot – verletzt werden. Da nützt es auch regelmäßig nichts, das ganze zurück zu datieren.  Der tatsächliche Vertragsschluss ist letztlich ausschlaggebend.

Das Transparenzgebot ist eines, das auch in anderen Fällen häufig missachtet wird: Die Klauseln müssen so klar formuliert sein, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer erkennen kann, unter welchen Umständen die vom Arbeitgeber verauslagten Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind – und auch in welcher Höhe diese wie (genaue Berechnung!) angefallen sind oder anfallen werden. 

Es darf auch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegen. Auch das wird häufig nicht beachtet. Das ist häufig bei dem Punkt zu klären, wie lange der Arbeitgeber Betriebszugehörigkeit im Gegenzug verlangt. Klar ist insofern, dass eine längere Betriebszugehörigkeit als 5 Jahre in keinem Fall verlangt werden kann. 

Fraglich ist, wie lange ein Arbeitgeber für welche Fortbildung Betriebsbindung vom Arbeitnehmer verlangen kann, damit die Klausel eben nicht einseitig benachteiligend, sondern angemessen ist: Dabei hat sich in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine Faustformel entwickelt. Dazu vorab: Auch das ist nur eine Faustformel, die nicht in jedem Einzelfall passen wird, weshalb Arbeitgeber gut beraten wären, wenn sie diese nicht bis zur Maximalgrenze ausreizen. Sie ist auch nur für die Fälle, in denen während der Dauer der Fortbildung NICHT gearbeitet werden kann (Daraus folgt, dass im Falle der Fortbildung neben der Arbeit deutlich kürzere Betriebsbindung verlangt werden kann!). Es bleibt also ein grober Anhaltspunkt und kann sich von Fall zu Fall ändern. Sind die Fortbildungskosten z.B. besonders teuer, dann kann auch eine etwas längere Bindungswirkung argumentiert werden, usw.

Starre Rückzahlungsklauseln sind ebenfalls schlicht unangemessen und damit unzulässig (Beispiel: „Sollte das Arbeitsverhältnis durch den Mitarbeiter vor Ablauf von 2 Jahren gekündigt werden, so muss dieser die gesamten Fortbildungskosten zurückzahlen“). Stattdessen ist eine monatlich absinkende Rückzahlungsverpflichtung zwingend, zumal ansonsten eine einseitige Benachteiligung offensichtlich wäre. 

Bei Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat kann eine Betriebstreue von bis 6 Monaten verlangt werden, bei Fortbildungsdauer von 2 Monaten bis 12 Monate, von 2 Monaten bis 12 Monate, von 3 bis 4 Monaten bis 24 Monate, von 6 bis 12 Monaten bis 3 Jahre, von über 2 Jahren bis zu 5 Jahren.

Bei der Frage der Angemessenheit ist natürlich der häufigste Streit vor den Gerichten zu verorten. Denn darüber gibt es meist 2 Meinungen, und am Ende muss entweder eine Einigung stehen (also in der Regel eine geringere Rückzahlung) oder eben ein Urteil des Arbeitsgerichts gefällt werden.

Daneben gibt es auch häufig Fortbildungsvereinbarungen, die in befristeten Arbeitsverhältnissen (maximal 2 Jahre) spielen, aber darüber hinausgehende Bindungswirkung statuieren. Auch das ist schlicht unwirksam, da der sich verpflichtende Arbeitnehmer aufgrund der Befristung es gar nicht (alleine) in der Hand hat, derartige Bindungen zu erbringen. 

Abschließende Empfehlungen

An die Arbeitgeber, die Rückzahlungsvereinbarungen benötigen, ergeht der klare Rat: Geht es nur um einzelne Personen, schließen Sie zusammen mit dem Arbeitnehmer individuelle Verträge. Das geht natürlich nur in ganz kleinen Firmen. Ansonsten: Holen Sie sich Hilfe, indem Sie einem Arbeitsjuristen die Situation schildern, nebst allen wichtigen Fakten. So bekommen Sie im Idealfall eine Rückzahlungsklausel, die zwar nicht zu 100 % sicher ist, aber eben so sicher, wie die aktuelle Rechtsprechung verlangt. Das kostet natürlich, aber teurer wird es meist dann, wenn der Arbeitnehmer seinerseits fragliche Klauseln vom Anwalt überprüfen lässt. Denn unwirksame Klauseln haben zur Folge, dass nichts vom Arbeitnehmer zu leisten ist, und ggf. bereits mit den letzten Gehältern verrechnete Teilzahlungen hierauf zurückgefordert werden.

An alle Arbeitnehmer, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückzahlungsklausel haben, ergeht der Rat: Lassen Sie diese von einem Arbeitsrechtler überprüfen. Denn einerseits kostet das – selbst, wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht – in der Regel nicht die Welt (meist unter 300 Euro, wir berechnen hier nach Stundensatz, daher ist es häufig weniger), und aus anwaltlicher Erfahrung kann ich sagen, dass ca. 50 % dieser Rückzahlungsvereinbarungen offensichtlich unwirksam sind und ca. weitere 40 % zumindest zweifelhaft sind. Mit Rechtsschutzversicherung sollte auf jeden Fall eine Prüfung erfolgen, da diese in aller Regel derartige Kosten trägt, bis auf den vereinbarten Selbstbehalt des Versicherten.

Wann eine Abmahnung wirksam ist und wann nicht – und wann Sie als Arbeitnehmer dagegen vorgehen sollten – oder auch nicht

wann eine abmahnung wirksam ist und wann nicht und wann sie als arbeitnehmer dagegen vorgehen sollten oder auch nicht blogbeitrag

Als Arbeitnehmer kann eine Abmahnung von Ihrem Arbeitgeber eine unangenehme Situation sein. Eine Abmahnung ist eine förmliche Verwarnung, die darauf hinweist, dass Ihr Verhalten oder Ihre Leistung nicht den Erwartungen Ihres Arbeitgebers entspricht, sie wird in die Personalakte des Mitarbeiters aufgenommen.

Obwohl eine Abmahnung zunächst keine direkten Konsequenzen hat, kann sie im Wiederholungsfall zu ernsthafteren Konsequenzen wie einer Kündigung führen.

In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, wann eine Abmahnung wirksam ist, wann Sie als Arbeitnehmer(in) dagegen vorgehen sollten und wann es besser ist, die Abmahnung hinzunehmen. Wir geben Ihnen zudem Tipps, wie Sie am besten mit einer Abmahnung umgehen.

Der Einfachheit halber werden wir hier das generische Maskulinum verwenden, meinen jedoch immer auch weibliche Mitarbeiterinnen bzw. Arbeitgeberinnen.

Was ist das Ziel einer Abmahnung?

Vordergründig: Um vertragskonformes Verhalten des Mitarbeiters in der Zukunft zu erreichen.

Daneben: Wenn irgendwann eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden soll, dann braucht diese (fast immer!) eine vorherige wirksame Abmahnung (wegen gleichgerichteten Fehlverhaltens). 

Wann ist eine Abmahnung wirksam?

Damit eine Abmahnung rechtlich wirksam ist, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Vertragsverletzung: Der Arbeitgeber muss eine konkrete Vertragsverletzung oder ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers nachweisen können. Dies kann zum Beispiel Arbeitsverweigerung, Unpünktlichkeit, Diebstahl oder grobe Unhöflichkeit gegenüber Kunden sein. Hier fordern die Gerichte Genauigkeit vom Arbeitgeber: Er muss in der Abmahnung das vertragsverletzende Fehlverhalten seines Mitarbeiters so genau wie möglich darlegen. Tut er das nicht, ist die Abmahnung unwirksam!
  2. Rüge- und Warnfunktion: Der Sinn und Zweck einer Abmahnung ist grundsätzlich, dass dem Mitarbeiter das Fehlverhalten vor Augen geführt wird (sogenannte Rügefunktion, Siehe Punkt 1!) und er vor ernsthaften Konsequenzen für den Fall der Wiederholung gewarnt wird. So soll vertragskonformes Verhalten des Mitarbeiters erzeugt werden.
  3. Schriftliche Form nicht zwingend: Die Abmahnung muss zwar nicht zwingend schriftlich erfolgen. Eine mündlich erteilte Abmahnung ist aber schwierig bis meist unmöglich vom Arbeitgeber zu beweisen, denn er muss, will er deren Wirksamkeit belegen, auch belegen, dass er Rüge- und Warnfunktion erfüllt hat. Selbst mit Zeugen dürfte das schwer werden, denn wer erinnert sich noch an den genauen Inhalt. Daher ist eine schriftliche Abmahnung der einzig wirklich sinnvolle Weg für Arbeitgeber.
  4. Verhältnismäßigkeit: Die Abmahnung muss verhältnismäßig sein, d.h. sie muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens stehen. Eine Abmahnung beispielsweise wegen unverschuldeter Verspätung von 5 Minuten wäre unverhältnismäßig.
  5. Frist: Der Arbeitgeber muss die Abmahnung innerhalb einer angemessenen Frist aussprechen, allerdings schreiben weder Gesetz noch die Rechtsprechung deren Länge vor. Laut BAG ist das eine Frage, die von den Umständen des Einzelfalls abhängt.
  6. Wirksamkeitsdauer einer Abmahnung: Auch ist nicht pauschal zu beantworten, wie lange eine Abmahnung ihre Wirkung entfaltet. Es gibt daher keinen Automatismus, dass nach 2-3 Jahren deswegen keine verhaltensbedingte Kündigung mehr ausgesprochen werden kann. Es kommt wieder auf die Umstände des Einzelfalls an. 

Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann die Abmahnung unwirksam sein. In einem solchen Fall können Sie als Arbeitnehmer dagegen vorgehen. Fraglich ist aber ob bzw. wann man das auch tun sollte.

Wann sollten Sie als Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung vorgehen?

Es gibt einige Situationen, in denen es grundsätzlich sinnvoll sein kann, gegen eine Abmahnung vorzugehen:

  1. Formale Mängel: Wenn die oben genannten formalen Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung nicht erfüllt sind, können Sie Widerspruch einlegen. Beispiele wären falsche Daten oder dass die Abmahnung nie vom Mitarbeiter zur Kenntnis genommen wurde. Wenn Rüge- oder Warnfunktion nicht gegeben sind.
  2. Sachliche Mängel: Wenn der Arbeitgeber den konkreten Vertragsverstoß oder das Fehlverhalten nicht ausreichend oder falsch begründet hat oder die Abmahnung unverhältnismäßig ist.
  3. Inhaltliche Fehler oder subjektive Fehlwürdigung durch Arbeitgeberseite.
  4. Wiederholte Abmahnungen: Wenn Sie bereits mehrfach oder “ungerecht” abgemahnt wurden, obwohl Sie Ihr Bestes geben, kann eine weitere Abmahnung ein Indiz für eine bevorstehende Kündigung sein. Dann kann es ratsam sein, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Wann ist es besser, eine Abmahnung hinzunehmen?

In manchen Fällen ist es sinnvoller, eine Abmahnung hinzunehmen, anstatt dagegen vorzugehen:

  1. Klare Vertragsverletzung: Wenn Ihr Verhalten oder Ihre Leistung tatsächlich den Vertragsbedingungen widerspricht und der Arbeitgeber dies nachweisen kann, ist es meist besser, die Abmahnung zu akzeptieren und zukünftig solche Fehler zu vermeiden.
  2. Geringfügiges Fehlverhalten: Wenn es sich um ein eher geringfügiges Fehlverhalten handelt, wie z.B. einmaliges Zuspätkommen, kann ein rechtliches Vorgehen mehr Schaden als Nutzen bringen. Hier ist es oft sinnvoller, die Abmahnung zu akzeptieren, als vor Gericht zu ziehen.
  3. Verhältnis zum Arbeitgeber: Wenn Sie ein grundsätzlich gutes Verhältnis zu Ihrem Arbeitgeber haben und die Abmahnung nicht auf persönlichen Gründen beruht, kann ein Streit über eine Abmahnung das Vertrauensverhältnis belasten.
  4. Bevorstehende Kündigung: Manchmal können Abmahnungen auch ein Vorbote für eine bevorstehende Kündigung sein. Erhält man eine (sehr wahrscheinlich) unwirksame Abmahnung, so macht es oft Sinn, nicht auf deren Entfernung aus der Personalakte zu klagen, und stattdessen die zu erwartende verhaltensbedingte Kündigung erfolgreich gerichtlich anzugreifen, da diese Kündigung bei unwirksamer Abmahnung ebenfalls unwirksam ist!

Letztendlich müssen Sie selbst entscheiden. Holen Sie sich im Zweifelsfall Rat von einem Anwalt für Arbeitsrecht.

Wie kann gegen eine Abmahnung vorgegangen werden?

Hier gibt es 2 direkte Möglichkeiten als Reaktion des Arbeitnehmers: 

Gegenvorstellung:

Der Arbeitnehmer kann seine Sicht der Dinge schildern und an die Arbeitgeberseite übermitteln. Diese hat das zur Kenntnis zu nehmen und zur Abmahnung in die Personalakte zu packen, unabhängig davon, wer nun die Tatsachen richtig darlegt oder nicht. Das macht v.a. bei völlig falscher Sachverhaltsauffassung des Arbeitgebers Sinn. Hier sollte man auch so genau wie möglich den korrekten Sachverhalt schildern und wer diesen bestätigen kann.

Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte:

Der Mitarbeiter kann vorgenanntes beim Arbeitsgericht einklagen. Er muss dazu darlegen, warum die Abmahnung unwirksam ist (dazu unten mehr). Das macht manchmal Sinn, manchmal eher nicht, vgl. dazu v.a. voriger Absatz Ziffer 4.

Fazit

Eine Abmahnung ist für Arbeitnehmer immer eine unangenehme Situation. Aber ob Sie dagegen vorgehen sollten oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Lassen Sie sorgfältig von einem Arbeitsrechtler prüfen, ob die Abmahnung wirksam ist oder nicht und was die richtige Reaktion darauf ist. Am Ende entscheiden Sie.

Unabhängig davon, wie Sie sich entscheiden, ist es wichtig, dass Sie die Situation ruhig und sachlich angehen. Holen Sie sich im Zweifelsfall rechtlichen Beistand, um die richtige Strategie zu finden.

Kündigung wegen Körpergeruchs oder Ungepflegtheit – Was sagt der Anwalt für Arbeitsrecht?

kündigung wegen körpergeruchs oder ungepflegtheit – was sagt der anwalt für arbeitsrecht

Körpergeruch und ungepfegtes Erscheinungsbild am Arbeitsplatz ist ein heikles Thema, das öfter als man denkt für Unbehagen und Spannungen am Arbeitsplatz sorgt. Viele Arbeitgeber sehen sich damit konfrontiert und fragen sich, ob eine Kündigung in solchen Fällen zulässig ist. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach und hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Wir möchten uns heute genauer ansehen, was die rechtliche Situation in Bezug auf Kündigungen aufgrund von Körpergeruch ist. Wir werden die Argumente und Einschränkungen beleuchten, die Arbeitgeber dabei berücksichtigen müssen. Letztendlich geht es darum, einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu finden.

Was sagt das Arbeitsrecht zu Kündigungen wegen Körpergeruch?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund verschiedener Merkmale, darunter auch Aussehen und Herkunft. Körpergeruch selbst ist aber wohl in aller Regel keine ethnische, altersbezogene Eigenheit, sodass der Schutz nach AGG begrenzt sein dürfte. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Erscheinungsbild eines Mitarbeiters ungepflegt ist.

Was ist Aufgabe des Arbeitnehmers, was die des Arbeitgebers?

Der Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten auch die Pflicht, seinen Auftritt gegenüber KollegInnen und Arbeitgeberin beanstandungsfrei zu halten. 

Allerdings hat auch der Arbeitgeber die Nebenpflicht aus seiner Treupflicht, dem Arbeitnehmer dieses möglichst unkompliziert zu machen.

Grundsätzlich müssen Arbeitgeber daher das bestmögliche Arbeitsumfeld zu schaffen und daneben auch stets versuchen, Probleme mit Körpergeruch am Arbeitsplatz im Dialog mit dem betroffenen Mitarbeiter zu lösen. Mögliche Maßnahmen könnten sein:

  • Vertrauliche Ansprache des Mitarbeiters und Sensibilisierung für das Thema
  • Bereitstellung von Hygieneprodukten im Betrieb
  • Ermöglichen von Duschzeiten bei körperlich anstrengenden oder klimatisch schwierigen Arbeitsbedingungen oder zusätzlichen Pausenzeiten
  • Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz mit weniger Kundenkontakt

Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind und der Körpergeruch weiterhin die Arbeit und das Betriebsklima massiv beeinträchtigt, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Dabei muss der Arbeitgeber aber stets sorgfältig abwägen und alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Und ganz wichtig: Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter vorher wirksam abmahnen. Eine Abmahnung macht er zu Beweiszwecken am besten schriftlich. Nur bei Abmahnung des Fehlverhaltens und erneutem Verstoß durch den Mitarbeiter kann man diesen auch verhaltensbedingt kündigen. Dabei genügt in den meisten Arbeitsverhältnissen EINE Abmahnung plus erneutes gleichgerichtetes Fehlverhalten, es gibt im Anwendungsbereich diverser Tarifverträge auch manchmal die Pflicht mehrfach abmahnen zu müssen, bevor die Kündigung ausgesprochen werden kann. Wie man wirksam abmahnt bzw. wann eine Abmahnung wirksam ist, wird in einem anderen meiner Artikel beschrieben. 

Entscheidend ist für die Frage der Betriebsklimabeeinträchtigung, dass der Körpergeruch/die Ungepflegtheit des Mitarbeiters tatsächlich zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf und zu Beeinträchtigungen der Arbeitskollegen/Arbeitskolleginnnen oder negativen Beeinflussung von Kunden führt. Sofern es nur um Ungepflegtheit geht, wird es für den Arbeitgeber schwer, dies als Abmahnungs- oder gar Kündigungsgrund zu argumentieren, wenn der Mitarbeiter keinen direkten Kundenkontakt hat. Unmöglich ist es aber generell nicht.

Bloße Belästigung oder Unannehmlichkeiten reichen in der Regel nicht aus. Der Arbeitgeber muss konkret darlegen können, dass der Geruch oder das ungepflegte Auftreten des Arbeitnehmers die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Belegschaft oder den Kundenumsatz erheblich beeinträchtigt.

Außerdem muss der Arbeitgeber stets prüfen, ob es andere zumutbare Möglichkeiten gibt, das Problem zu lösen, ohne gleich zur Kündigung greifen zu müssen. Nur wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind, kann eine Kündigung als letztmögliches Mittel in Betracht kommen.

Körpergeruch als "Verhaltensmangel"

Körpergeruch wird in der Rechtsprechung häufig als sogenannter “Verhaltensmangel” eingeordnet. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter den Geruch grundsätzlich selbst beeinflussen und kontrollieren kann. Daher liegt es in seiner Verantwortung, Maßnahmen zur Geruchsbeseitigung zu ergreifen.

Weigert sich der Mitarbeiter jedoch beharrlich, an der Problematik mitzuwirken, kann das durchaus eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zuvor abmahnen, vgl. o..

Problematisch wird es, wenn der Körpergeruch auf gesundheitliche Ursachen zurückzuführen ist, die der Mitarbeiter nicht beeinflussen kann. In diesem Ausnahmefall wäre nurmehr eine personenbedingte Kündigung denkbar. Diesen Sonderfall muss aber der Mitarbeiter grds. beweisen können. Wenn das gelingt im Einzelfall, dann wäre eine verhaltensbedingte Kündigung jedoch unwirksam, egal, ob vorher ausreichend abgemahnt wurde oder nicht.

Dies gilt aber wohl nur bei Körpergeruchsproblemen, ein ungepflegtes Erscheinungsbild lässt sich kaum als personenbedingt argumentieren.

Zusammenfassung für Arbeitnehmer mit Kündigungswunsch:

Prüfen Sie sorgfältig – am besten unter Beratung durch einen Arbeitsrechtler  – welche Form der Kündigung in Ihrem Fall die richtige ist, nur bei wichtigem Grund können Sie “von heute auf morgen” kündigen, sofern “nur” Gründe wie Unzufriedenheit mit der Arbeit, Überforderung oder Ähnliches gegeben sind, ist die Probezeitkündigung unter Einhaltung der Frist von i.d.R. 2 Wochen das Richtige!

Abwägung der Interessen beider Parteien

Bei der Frage, ob eine Kündigung wegen Körpergeruchs oder Ungepflegtheit gerechtfertigt ist, müssen die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sorgfältig gegeneinander abgewogen werden:

Auf der einen Seite steht das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einem reibungslosen Betriebsablauf und einem angenehmen Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter. Starker Körpergeruch kann hier eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen.

Auf der anderen Seite hat der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse, den Arbeitsplatz zu bewahren. Eine Kündigung wäre hier ein schwerwiegender Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Je länger das Arbeitsverhältnis besteht, desto höher ist das Interesse des Arbeitnehmers hieran zu werten. 

Der Arbeitgeber muss also immer prüfen, ob es zumutbare Möglichkeiten gibt, das Problem anderweitig zu lösen, bevor er zur Kündigung greift. Nur wenn alle milderen Mittel ausgeschöpft sind und der Körpergeruch weiterhin massive Störungen verursacht, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Beweislast und Dokumentation

Entscheidend für die Rechtfertigung einer Kündigung wegen Körpergeruchs ist, dass der Arbeitgeber nicht nur das Problem – Körpergeruch oder Ungepflegtheit – klar darlegen und beweisen kann (hier geht auch Zeugenbeweis), aber der Arbeitgeber muss AUCH die konkreten Beeinträchtigungen und Störungen im Betriebsablauf hierdurch beweisen, er sollte alles also sorgfältig dokumentieren. Er muss nämlich belegen können, dass der Körpergeruch tatsächlich zu erheblichen Problemen im Betriebsablauf geführt hat.

Dazu gehört, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor eindringlich auf das Problem hingewiesen hat – regelmäßig ist eine wirksame Abmahnung nötig – und ihm Gelegenheit zur Abhilfe gegeben hat. Auch Reaktionen und Beschwerden anderer Mitarbeiter müssen dokumentiert werden.

Nur wenn der Arbeitgeber diese Sorgfaltspflichten erfüllt, kann er im Falle einer Kündigungsklage des Mitarbeiters vor Gericht die Rechtmäßigkeit der Kündigung belegen. Ansonsten droht die Kündigung für unwirksam erklärt zu werden.

Schlussfolgerung

Kündigungen aufgrund von Körpergeruch oder Ungepflegtheit am Arbeitsplatz können unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein, erfordern jedoch vorab eine gründliche Prüfung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss alle milderen Lösungsansätze ausschöpfen und die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen, bevor eine Kündigung, die in der Regel verhaltensbedingt ist, in Betracht gezogen wird. Wenn er das getan hat (und auch im Streitfall beweisen kann), so muss er in aller Regel den Mitarbeiter vor deren Ausspruch wirksam und erfolglos abgemahnt haben. 

Durch eine transparente Kommunikation mit dem Mitarbeiter und Dokumentation kann ein fairer Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erreicht werden. 

Entscheidend sind dann die Schwere der Beeinträchtigungen für den Betriebsablauf und das Betriebsklima, welche ebenfalls in der Beweis- und Darlegungslast der Arbeitgeberseite liegen. Bloße punktuelle Geruchsbelästigungen oder Unannehmlichkeiten reichen dafür in der Regel nicht aus. Der Arbeitgeber muss die konkreten Störungen sorgfältig dokumentieren. Gleiches gilt für ungepflegtes Auftreten, wobei hier eine Kündigung von Mitarbeitern ohne persönlichen Kundenkontakt die Kündigung als ultima ratio nur ausnahmsweise wirksam sein wird.

Letztlich macht es darum für Arbeitgeber in diesen Fällen meistens Sinn, einen fairen Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu finden. Dabei müssen die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters stets berücksichtigt werden. Eine Kündigung wegen Körpergeruchs oder gar wegen Ungepflegtheit ist somit nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Will ein Arbeitgeber dennoch den Mitarbeiter “loswerden”, dann empfiehlt es sich, mit dem Mitarbeiter einen Auflösungsvertrag, der dann natürlich auch eine Abfindung beinhalten sollte, zu schließen. Dabei sollte dem Mitarbeiter gegenüber gut das Problem des Arbeitgebers kommuniziert werden und ihm auch Zeit zur Prüfung eingeräumt werden, ob er mit der Beendigung wirklich einverstanden sein sollte. So kann der meist riskante Weg über die Kündigung gemieden werden.

Kann ich als Arbeitnehmer in der Probezeit fristlos kündigen?

kann ich als arbeitnehmer in der probezeit fristlos kündigen

Als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber in der Probezeit stehen mir viele Fragen im Kopf. Eine der häufigsten ist, ob ich die Möglichkeit habe, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Dies kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein – sei es, weil der neue Job doch nicht meinen Erwartungen entspricht oder weil sich meine persönliche Situation unerwartet ändert.

In diesem Blogbeitrag werden wir uns genauer ansehen, welche Rechte Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Probezeit haben und ob bzw. wann eine fristlose Kündigung – also “von heute auf morgen” möglich ist. Wir beleuchten die rechtlichen Grundlagen, geben Tipps zum korrekten Vorgehen und zeigen auf, was es zu beachten gilt. So kann ich eine fundierte Entscheidung treffen, falls ich mich in einer solchen Situation wiederfinde.

Was ist eine Probezeit?

Zunächst ist es wichtig, die Bedeutung und den Zweck der Probezeit zu verstehen. Bei Neueinstellungen vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel eine Probezeit. Diese hat in erster Linie den Zweck, das Arbeitsverhältnis in den ersten Wochen oder Monaten für beide Seiten zu testen.

Für den Arbeitgeber bietet die Probezeit die Möglichkeit, meine Leistungsfähigkeit, Eignung und Zuverlässigkeit zu beurteilen. Für mich ist es eine Chance, den Arbeitsplatz, das Aufgabengebiet und das Arbeitsumfeld kennenzulernen und zu prüfen, ob alles meinen Erwartungen entspricht.

Die Dauer der Probezeit ist im Arbeitsvertrag geregelt und kann bis zu sechs Monate betragen (bei Ausbildungsverhältnissen kürzer). In dieser Zeit können beide Seiten das Arbeitsverhältnis relativ einfach und ohne große Begründung beenden.

Kann ich in der Probezeit fristlos kündigen?

Als Grundsatz gilt: Eine fristlose Kündigung ist dann möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, und dabei kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis noch in der Probezeit ist oder nicht. Die Frage, ob eine fristlose Kündigung in der Probezeit möglich ist, lässt sich also nicht pauschal beantworten. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Grundsätzlich gilt: Sowohl mein Arbeitgeber als auch ich haben während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses und damit auch während der Probezeit ein außerordentliches Kündigungsrecht. Das bedeutet, dass wir das Arbeitsverhältnis jederzeit und ohne Angabe von Gründen sofort beenden können – aber nur, wenn die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen.

Eine fristlose Kündigung ist in der Probezeit also durchaus dem Grunde nach möglich. Allerdings muss dafür – wie auch außerhalb der Probezeit – ein wichtiger Grund nach § 626 BGB vorliegen:

Wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung

Für eine fristlose Kündigung in der Probezeit müssen “wichtige Gründe” vorliegen. Das sind Umstände, die mir oder dem Arbeitgeber das Festhalten am Vertrag unzumutbar machen. Dazu können zum Beispiel gehören:

  • Schwerwiegende Vertragsverletzungen durch den anderen Vertragspartner
  • Verlust des gegenseitigen Vertrauens
  • Meine Unfähigkeit, die vereinbarten Aufgaben zu erfüllen
  • Strafbare Handlungen meinerseits oder seitens des Arbeitgebers (Beleidigungen, Diebstahl, etc.)
  • Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit meinerseits, sofern diese die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht

Die Gründe  können also vielfältig sein und  müssen im Einzelfall geprüft und sorgfältig abgewogen werden. Pauschal lässt sich nicht sagen, was als “wichtiger Grund” gilt. Das hängt von den konkreten Umständen ab.

Aber Vorsicht: Derjenige, der fristlos kündigen will, sollte sich sicher sein, dass das Arbeitsverhältnis so unzumutbar ist, dass er die ordentliche Kündigungsfrist nicht einhalten muss. Da die ordentliche Kündigungsfrist während der Probezeit kürzer ist als außerhalb – nämlich in aller Regel 2 Wochen statt 4 Wochen zum Ende oder der Mitte eines Kalendermonats – ist bei der Zumutbarkeitsprüfung immer die Frage zu stellen: Ist das, was vorgefallen ist, wirklich so schlimm, dass der Kündigende nicht die 2 Wochen noch weiterarbeiten sollte/könnte? Nur, wenn man diese Frage mit JA beantworten kann, sollte man auch die Kündigung fristlos und nicht als ordentliche Probezeitkündigung aussprechen. Andernfalls droht bei Kündigung durch den Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers und bei Kündigung durch den Arbeitgeber eine Pflicht zur Weiterbezahlung, mindestens für 2 Wochen, wenn die fristlose Kündigung hilfsweise als ordentliche Probezeitkündigung ausgesprochen wird, ist das nicht der Fall, droht bei Unwirksamkeit gar eine Pflicht zur sehr langen Weiterbezahlung durch den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer dagegen vorgeht. Dies alles führt hier aber zu weit, da sollten Sie sich – egal, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber – am besten anwaltlich beraten lassen.

Schriftliche Begründung der Kündigung

Eine fristlose Kündigung in der Probezeit muss immer schriftlich erfolgen, muss die Gründe oder den Grund für die fristlose Kündigung allerdings nicht enthalten.

 Ich habe ein Recht darauf, die Kündigungsgründe zu erfahren, daher muss auf Nachfrage der Arbeitgeber den Grund benennen.

Werden diese Formvorschriften nicht eingehalten, kann die Kündigung ebenfalls als unwirksam gelten.

Im Allgemeinen gilt: Gerade Arbeitnehmer sollten eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers IMMER anwaltlich prüfen lassen, da diese meist sehr fragwürdig sind. Das gilt ganz besonders, wenn ein ALG I – Anspruch besteht, denn in aller Regel verweigert die Bundesagentur für Arbeit für 3 Monate die Zahlung des ALG I (3-Monats-Sperre), wenn man die Kündigung einfach so hinnimmt.

Wichtig: Ab Erhalt hat der Arbeitnehmer nur 3 Wochen Zeit, gegen die Kündigung vorzugehen, danach wird jede noch so absurde (aber schriftliche!) Kündigung wirksam!

Zusammenfassung für Arbeitnehmer mit Kündigungswunsch:

Prüfen Sie sorgfältig – am besten unter Beratung durch einen Arbeitsrechtler  – welche Form der Kündigung in Ihrem Fall die richtige ist, nur bei wichtigem Grund können Sie “von heute auf morgen” kündigen, sofern “nur” Gründe wie Unzufriedenheit mit der Arbeit, Überforderung oder Ähnliches gegeben sind, ist die Probezeitkündigung unter Einhaltung der Frist von i.d.R. 2 Wochen das Richtige!

Zusammenfassung für Arbeitgeber mit Kündigungswunsch:

Während der Probezeit ist die außerordentliche fristlose Kündigung nur dann das richtige Instrument für Sie, wenn der Arbeitnehmer aufgrund erheblicher Verfehlungen einen wichtigen Grund geliefert hat, welcher die auch nur zweiwöchige Weiterbeschäftigung unzumutbar macht. In der Regel sind das dann Straftaten, wie Beleidigung, Diebstahl, oder ähnliches.

Andernfalls ist die ordentliche Probezeitkündigung das richtige Instrument. Ab Zugang dieser Kündigung ist der Arbeitnehmer noch (in aller Regel) 2 Wochen weiterzubeschäftigen (Sie können ihn auch freistellen im Kündigungsschreiben, Urlaub und Überstunden dürfen Sie aber nur dann verrechnen, wenn Sie ihn ausdrücklich unwiderruflich freistellen!) und noch für 2 Wochen weiterzuzahlen. Einen Kündigungsgrund brauchen Sie in aller Regel während der Probezeit NICHT, egal, wieviele Mitarbeiter Sie beschäftigen, denn das Kündigungsschutzgesetz findet erst dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, was in der Probezeit in aller Regel gerade nicht der Fall ist.

Auch dem Arbeitgeber ist grundsätzlich anzuraten, vor Ausspruch einer gewünschten Kündigung die richtige Vorgehensweise mit einem Arbeitsrechtler seines Vertrauens abzuklären. Das spart meist Geld und gibt dem eigenen Handeln deutlich mehr Rechtssicherheit.

Abfindung oder Weiterbeschäftigung? Strategien zur optimalen Entscheidungsfindung

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, stehen Arbeitnehmer oft vor einer schwierigen Entscheidung: Soll ich eine Abfindung annehmen oder versuchen, weiter beschäftigt zu werden? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen einige Strategien an die Hand geben, die Ihnen dabei helfen können, die für Sie optimale Lösung zu finden.

Wichtig ist dabei vorab: Eine Abfindung zahlt der Arbeitgeber in der Regel dafür, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung akzeptiert. Es gibt bis auf die Ausnahmen der §§ 9, 10 KSchG (die nur in Ausnahmefällen greifen, nämlich wenn aufgrund bestimmter Vorfälle die Weiterbeschäftigung für eine der Parteien unzumutbar ist) keinen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Abfindung. 

Weiter ist wichtig, dass sich die Höhe der zu vereinbarenden Abfindung an den vorgenannten gesetzlichen Sonderregeln orientiert. Das bedeutet, dass als “Normalfall” eine Abfindung von 0,5 Monatsbrutto pro Beschäftigungsjahr anzusetzen sein wird. Wobei diese Formel nicht in Stein gegossen ist. Weil hier nicht über einen gesetzlichen Anspruch geredet wird, ist das ganze im Einzelfall unter Einbeziehung aller Fakten zu verhandeln. Als Positivbeispiel für alle Arbeitnehmer ein Fall aus meiner Berufspraxis: Ein Bereichsleiter einer Großen Handelskette hat – unstreitig – viele Fehler gemacht. Die Probezeit war verstrichen, und es hatte auch nie eine Abmahnung gegeben. Die Kette hatte ihn nach dem letzten Fehler aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt. 

Hiergegen ging der Mandant über mich vor. Vor Gericht war schnell klar, dass die Kündigung mangels vorheriger Abmahnung unwirksam war. Der Personalchef der Kette raufte sich den Kopf, und meinte nachvollziehbar, dass er auf keinen Fall den Mandanten zurück wolle, da er sowieso wieder nur Fehler über Fehler machen werde und das in einer weiteren Kündigung gipfeln würde. Ich ergänzte, ja, gut möglich, und dass man sich dann wieder über deren Wirksamkeit vor Gericht streiten müsse. Am Ende wurde dem Mandanten eine weit höhere Abfindung bezahlt als 0,5 Bruttogehälter pro Beschäftigungsjahr, nämlich 1,3 Gehälter pro Beschäftigungsjahr. WARUM? Weil in dieser Konstellation ein enorm großer Wunsch des Arbeitgebers vorhanden war, den Mitarbeiter loszuwerden, und auf Seiten des Mitarbeiters der Wunsch gering war zu gehen, und er so sagen konnte: “Entweder ihr zahlt mir die Abfindung, die ich will, oder ich bleibe!”

Natürlich kann die 0,5-Formel auch in manchen Fällen nach unten abweichen. Wenn das Interesse des Arbeitgebers gering ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden, oder wenn die angegriffene Kündigung aus irgendwelchen Gründen doch sehr wahrscheinlich wirksam wäre. Letztlich muss man schauen, ob es einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, auf den man sich beidseitig bereit ist, sich zu einigen. Einigt man sich nicht, wird das Gericht am Ende über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung entscheiden, ist sie unwirksam, dann kann der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung wie vertraglich vereinbart beanspruchen. Ist sie wirksam, endet das Arbeitsverhältnis.

Abwägen der Vor- und Nachteile

Der erste Schritt der Prüfung ist es, sorgfältig die Vor- und Nachteile einer Abfindung bzw. einer Weiterbeschäftigung gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite bietet eine Abfindung Ihnen finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit in einer Übergangsphase. Sie können sich in Ruhe nach einer neuen Herausforderung umsehen, ohne den Druck eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Andererseits bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes auch einen Verlust von Struktur, sozialen Kontakten und möglicherweise Ihrer beruflichen Identität. Auch Ihre langfristigen Karriereperspektiven könnten durch einen Jobwechsel beeinträchtigt werden.

Bei der Weiterbeschäftigung erhalten Sie zwar Ihr regelmäßiges Einkommen, müssen aber möglicherweise Abstriche bei den Arbeitsbedingungen oder der Vergütung machen. Außerdem bleibt die Zukunft des Unternehmens ungewiss – vielleicht droht auf lange Sicht doch noch eine Kündigung. Dennoch kann es gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sinnvoll sein, den vertrauten Arbeitsplatz zu halten.

Finanzielle Aspekte berücksichtigen

Neben den emotionalen Überlegungen spielen natürlich auch finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle. Wie hoch ist die Abfindungssumme, die Ihnen angeboten wird? Reicht sie aus, um eine Übergangsphase ohne Einkommen zu überbrücken? Welche Kosten fallen bei einer Kündigung an – etwa für die Krankenversicherung oder Miete? Besteht ein Anspruch auf ALG I, der Sie für ein Jahr oder mehr über die Abfindung hinaus absichert? Droht eine Sperre beim ALG I von maximal 3 Monaten? Berechnen Sie sorgfältig Ihr monatliches Budget, um einschätzen zu können, wie lange Sie von der Abfindung leben könnten.

Auf der anderen Seite müssen Sie auch die langfristigen finanziellen Auswirkungen einer Weiterbeschäftigung bedenken. Wie wird sich Ihr Gehalt in Zukunft entwickeln? Welche Rentenansprüche bauen Sie weiter auf? In Einzelfällen kann es sogar sinnvoll sein, Abstriche bei der Vergütung hinzunehmen, wenn dafür der Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Berufliche Perspektiven im Blick behalten

Neben den finanziellen Überlegungen ist es wichtig, auch Ihre beruflichen Perspektiven im Blick zu behalten. Wie stehen Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Finden Sie in Ihrem Alter und mit Ihren Qualifikationen leicht eine neue Stelle? Oder bietet Ihr derzeitiger Arbeitgeber Ihnen bessere Entwicklungsmöglichkeiten?

Wenn Sie sich für eine Abfindung entscheiden, müssen Sie sich darauf einstellen, dass Sie möglicherweise einen Karriereknick erleiden. Vielleicht finden Sie zwar schnell etwas Neues, aber oft sind die Einstiegsgehälter niedriger und die Aufstiegschancen schlechter als in Ihrem bisherigen Unternehmen. Aber auch das Gegenteil kann mal der Fall sein! Andererseits kann ein Jobwechsel auch eine gute Chance für einen Neuanfang sein – mit neuen Herausforderungen und Perspektiven.

Persönliche Faktoren berücksichtigen

Neben den finanziellen und beruflichen Überlegungen spielen auch persönliche Faktoren eine wichtige Rolle. Wie belastend empfinden Sie Ihre derzeitige Arbeitssituation? Fühlen Sie sich im Unternehmen noch wertgeschätzt und unterstützt? Oder macht Ihnen der Jobverlust einfach große Angst? Ist diese Angst wirklich begründet?

Wenn Ihr Arbeitsverhältnis von Konflikten, Stress oder Überforderung geprägt ist, kann eine Abfindung Ihnen die Möglichkeit geben, Abstand zu gewinnen und neue Kraft zu schöpfen. 

Auch Ihre persönliche Lebensplanung muss berücksichtigt werden. Planen Sie in absehbarer Zeit, in Rente zu gehen? Oder stehen Ihnen noch viele Berufsjahre bevor? Je näher der Renteneintritt, desto attraktiver kann eine Abfindung sein – vorausgesetzt, sie ermöglicht Ihnen einen finanziell sorgenfreien Übergang.

Rechtliche Aspekte prüfen

Bevor Sie eine endgültige Entscheidung treffen, ist es wichtig, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen. Wie ist Ihr Arbeitsvertrag gestaltet? Welche Kündigungsfristen und -bedingungen gelten? Welche Ansprüche haben Sie auf eine Abfindung?

Lassen Sie sich am besten von einem Anwalt beraten, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Rechte kennen und wahrnehmen. Oft lassen sich durch geschicktes Verhandeln bessere Konditionen für eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung erreichen.

Unterstützung in Anspruch nehmen

Eine Entscheidung zwischen Abfindung und Weiterbeschäftigung ist nie leicht. Holen Sie sich daher unbedingt Unterstützung – sei es von Ihrem Arbeitgeber, Ihrer Familie oder Freunden. Vielleicht bietet Ihr Unternehmen sogar professionelle Beratung an, um Ihnen bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Holen Sie sich professionellen Rat vom Arbeitsrechtler, der kann Ihnen nicht zuletzt wertvolle Impulse geben und Ihnen dabei helfen, die für Sie optimale Lösung zu finden.

Fazit: Abwägung aller Faktoren ist entscheidend

Die Entscheidung zwischen Abfindung und Weiterbeschäftigung ist nie einfach. Sie erfordert eine sorgfältige Abwägung aller finanziellen, beruflichen und persönlichen Faktoren. Nur so können Sie für sich die bestmögliche Lösung finden.

Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Entscheidung und holen Sie sich fachliche Unterstützung, wenn nötig. Denn am Ende geht es darum, Ihren nächsten Karriereschritt so zu gestalten, dass er Ihren Bedürfnissen und Zielen optimal entspricht. Mit der richtigen Strategie können Sie diese Herausforderung meistern!

Kündigungsschutzklage – So setzen Sie sich erfolgreich gegen ungerechtfertigte Kündigungen zur Wehr

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Niemand möchte seinen Arbeitsplatz verlieren, vor allem nicht aufgrund einer ungerechtfertigten Kündigung. Leider kommt es jedoch immer wieder vor, dass Arbeitnehmer ohne triftigen Grund von ihren Arbeitgebern entlassen werden. In solchen Situationen können rechtliche Schritte unternommen werden, um mit einer Kündigungsschutzklage gegen die ungerechtfertigte Entlassung vorzugehen.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen erklären, was eine Kündigungsschutzklage genau bedeutet, wann sie zulässig ist und wie Sie am besten vorgehen können, um Ihre Rechte durchzusetzen und eine Weiterbeschäftigung oder angemessene Abfindung zu erlangen.

Was ist eine Kündigungsschutzklage?

Eine Kündigungsschutzklage ist eine Klage, die ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einreichen kann, wenn er der Ansicht ist, dass seine Kündigung ungerechtfertigt oder unwirksam ist. Das Ziel einer solchen Klage besteht darin, die Kündigung für unwirksam erklären zu lassen und entweder die Weiterbeschäftigung oder eine angemessene Abfindung zu erwirken.

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung wirksam ist. Demnach muss der Arbeitgeber einen “sozial gerechtfertigten Grund” für die Kündigung haben. Dieser Grund kann betriebsbedingter, verhaltensbedingter oder personenbedingter Natur sein. Fehlt ein solcher Grund, so ist die Kündigung unwirksam und der Arbeitnehmer kann sich mittels einer Kündigungsschutzklage dagegen wehren. 

ABER, ganz wichtig an dieser Stelle: WIRKLICHEN KÜNDIGUNGSSCHUTZ GENIEßT NUR, WER LÄNGER ALS 6 MONATE IN DEM BETRIEB ARBEITET UND NICHT IN EINEM KLEINBETRIEB BESCHÄFTIGT IST.

Kleinbetrieb ist nach 23 KSchG jeder Betrieb mit nicht mehr als 10 Vollzeitkräften. Welche Mitarbeiter wie zu werten sind, ist z.B. bei Filialen oder Konzerntöchtern manchmal nicht einfach, an dieser Stelle nur so viel dazu: Minijobber zählen 0,5, Teilzeitkräfte bis 30 Std. 0,75, alles darüber wie 1 Vollzeitkraft. Azubis zählen nicht dazu.

Wenn Sie also z.B. bei einem kleinen Handwerksbetrieb mir ein paar Gesellen arbeiten, so kann der Chef ohne Grund wirksam kündigen. Gegen solche Kündigungen kann man also nur vorgehen, wenn die Kündigung sittenwidrig war (z.B. wegen Alters, Religion, Ethnie,) oder wenn ein besonderer Kündigungsschutz (Schwangerschaft, Schwerbehinderung) vorliegt.

WICHTIG: WURDE DIE KÜNDIGUNG AUS VERHALTENSBEDINGTEN GRÜNDEN ODER GAR FRISTLOS AUSGESPROCHEN, DANN SOLLTEN SIE DANN AUF JEDEN FALL GEGEN DIE KÜNDIGUNG KLAGEN, WENN SIE ALG I BEANSPRUCHEN WOLLEN. DENN SONST IST EINE 3-MONATIGE SPERRE – ALSO KEIN ALG IN DEN ERSTEN 3 MONATEN DER ARBEITSLOSIGKEIT QUASI SICHER. Eine Klage kann das verhindern.

Wann ist eine Kündigungsschutzklage zulässig?

Eine Kündigungsschutzklage ist in folgenden Fällen zulässig:

  1. Sozial ungerechtfertigte Kündigung: Wenn der Arbeitgeber keinen sachlichen Grund gemäß den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes für die Kündigung vorweisen kann.

  2. Formale Mängel bei der Kündigung: Wenn formale Vorschriften bei der Kündigung nicht eingehalten wurden, wie z.B. die Anhörung des Betriebsrats. Oder die eigenhändige Unterschrift eines Kündigungsberechtigten nicht auf der Kündigung ist.

  3. Diskriminierung: Falls die Kündigung auf unzulässiger Diskriminierung basiert, beispielsweise aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion oder Behinderung.

  4. Kündigungsschutzrechtliche Sonderfälle: Wenn spezielle Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder nicht beachtet wurden.

Um eine Kündigungsschutzklage erfolgreich einzureichen, müssen Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigungserklärung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Diese Frist ist verbindlich, da verspätete Klagen nicht berücksichtigt werden. WENN ALSO MEHR ALS DREI WOCHEN VORÜBER SIND SEIT ZUGANG DER KÜNDIGUNG, WIRD DIESE IN ALLER REGEL UNANGREIFBAR!

Wie läuft ein Kündigungsschutzprozess ab?

Wenn ich mich entscheide, gegen meine Kündigung rechtlich vorzugehen, verläuft der Kündigungsschutzprozess in der Regel wie folgt:

  1. Klageerhebung: Zunächst muss ich innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Dafür sollte ich einen Anwalt beauftragen, der die Klage für mich formuliert und einreicht.

  2. Gütetermin: In einem ersten Gütetermin versucht das Gericht, zusammen mit den Parteien eine schnelle Lösung zu finden, die für beide Parteien akzeptabel ist. Wenn ich Sie anwaltlich vertrete, müssen Sie in der Regel zum Gütetermin nicht persönlich dabei sein. Es wird jedoch nichts ohne oder gar gegen Ihren Willen vereinbart werden!

  3. Haupttermin: Falls keine Einigung im Gütetermin erzielt wird, folgt meist in 2-3 Monaten der Haupttermin vor der Kammer. Hier werden die Argumente beider Seiten ausführlich diskutiert und Beweise wie Zeugenaussagen oder Unterlagen präsentiert.

  4. Urteilsverkündung: Abschließend verkündet das Gericht sein Urteil. Dies kann bedeuten, dass die Kündigung für unwirksam erklärt wird und ich weiterbeschäftigt werden muss oder dass mir eine Abfindung zugesprochen wird.

  5. Rechtsmittel: Gegen das Urteil können beide Parteien Rechtsmittel einlegen und in die nächste Instanz gehen. Dies zieht den Prozess entsprechend in die Länge.

Der gesamte Prozess kann mehrere Monate dauern, wenn es in der Güteverhandlung keine schnelle Lösung gibt (was in ca. 90 % aller Kündigungsschutzverfahren der Fall ist). Daher ist es wichtig, von Anfang an gut vorbereitet zu sein und einen erfahrenen Anwalt an der Seite zu haben. 

WICHTIG: vorm Arbeitsgericht in erster Instanz trägt jeder seine eigenen Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Vorteilhaft ist es daher, eine gültige Rechtsschutzversicherung zu besitzen, die Arbeitsrechtsschutz umfasst (meist “Beruf” genannt). Alternativ gibt es die Möglichkeit, wenn man ein niedriges Einkommen oder hohe Kosten (Kinder, Miete, etc.) hat, Prozesskostenhilfe zu beantragen, dann zahlt der Staat oft den Anwalt. Die dritte Alternative, für die Anwaltskosten selbst aufzukommen, lohnt sich v.a. dann, wenn das Arbeitsverhältnis mehrere Jahre bestand und eine gute Abfindung zu erwarten ist. All diese Aspekte besprechen wir persönlich mit Ihnen und finden die für Sie beste Lösung.

Argumente für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage

Um im Kündigungsschutzprozess erfolgreich zu sein, muss ich dem Gericht plausibel darlegen, warum meine Kündigung unwirksam ist. Dafür gibt es verschiedene mögliche Argumente, wie oben bereits angemerkt: 

  1. Fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass für die Kündigung ein sachlicher Grund gemäß dem Kündigungsschutzgesetz vorlag. Fehlt ein solcher Grund, ist die Kündigung unwirksam.
  2. Formale Mängel bei der Kündigung: Falls der Arbeitgeber formale Vorschriften bei der Kündigung nicht eingehalten hat, wie z.B. die Anhörung des Betriebsrats, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
  3. Diskriminierung: Wurde die Kündigung aufgrund einer unzulässigen Diskriminierung ausgesprochen, beispielsweise aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung, ist sie ebenfalls unwirksam.
  4. Verletzung von Sonderkündigungsschutzvorschriften: Für bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder gelten besondere Kündigungsschutzregelungen. Werden diese nicht beachtet, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. 

Je nach individueller Situation können also unterschiedliche Argumente für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage herangezogen werden. Es ist entscheidend, dass ich diese Argumente schlüssig und nachvollziehbar vor Gericht darlege.

Mögliche Ergebnisse einer Kündigungsschutzklage

Wenn das Gericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage zu dem Ergebnis kommt, dass die Kündigung unwirksam ist, gibt es im Wesentlichen zwei mögliche Urteile:

  1. Weiterbeschäftigung: Das Gericht kann feststellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber mich weiterbeschäftigen muss – insbesondere dann, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt war.
  2. Abfindung: Alternativ kann das Gericht mir eine Abfindung zusprechen, wenn eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre oder ich selbst eine Abfindung bevorzuge.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach verschiedenen Faktoren wie der Betriebszugehörigkeitsdauer und dem letzten Gehalt des Arbeitnehmers. Üblicherweise beträgt die Abfindung zwischen 0,5 und 1,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Wichtig zu wissen: entgegen der landläufigen Fehlvorstellung ist eine Abfindung in 95 % aller Fälle kein rechtlicher Anspruch, sondern eine Zahlung des Arbeitgebers als Gegenleistung für die Akzeptanz der Beendigung durch Sie als Arbeitnehmer.
Neben der Abfindung werden auch häufig gute oder sehr gute Arbeitszeugnisse, bei längerer Kündigungsfrist Freistellung und Turboklausel zu vereinbaren – die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, das Arbeitsverhältnis einseitig früher zu beenden, wofür er dann das Gehalt als zusätzliche Abfindung “obendrauf” bekommt, das der Arbeitgeber sich hierdurch erspart hat.

Tipps für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage

Um meine Kündigungsschutzklage möglichst erfolgreich zu gestalten, empfehle ich folgende Tipps:

  1. Holen Sie sich rechtlichen Beistand: Lassen Sie sich von einem erfahrenen Arbeitsrechtsspezialisten beraten und vertreten. Wichtig ist aus unserer Erfahrung, dass es eine persönliche und umfassende Betreuung zwischen Anwalt und Mandant gibt. Dieser Anwalt kennt die relevanten Gesetze und Rechtsprechung und kann Ihre Argumente optimal vor Gericht vertreten. V.a. kann er die für Ihre Interessen beste Lösung finden.
  2. Anwalt ja oder nein? Sie können sich zwar theoretisch selbst vor Gericht vertreten. Die Erfahrung zeigt, dass das selten eine gute Wahl ist und meistens zu weit ungünstigeren Lösungen für Sie führt.
  3. Sammeln Sie Beweise: Sichern Sie alle relevanten Unterlagen wie Arbeitsverträge, Kündigungsschreiben, Abmahnungen etc. Auch Zeugenaussagen können wichtig sein, um Ihre Position zu stärken.
  4. Bleiben Sie sachlich und konstruktiv: Vermeiden Sie emotionale oder aggressive Reaktionen. Konzentrieren Sie sich darauf, Ihre Argumente klar und nachvollziehbar darzulegen.
  5. Seien Sie flexibel bei Vergleichsverhandlungen: Auch wenn Sie grundsätzlich auf Weiterbeschäftigung beharren, kann es sinnvoll sein, bei einer Abfindung Zugeständnisse zu machen, um den Rechtsstreit rasch zu beenden. Häufig ist nach einer Kündigung das Tischtuch ohnehin zerschnitten. Selten ist es aber auch mal so, dass eine Weiterbeschäftigung das Hauptziel bleiben muss. All das werden wir persönlich mit Ihnen klären und besprechen. 
  6. Achten Sie auf Fristen: Reichen Sie Ihre Kündigungsschutzklage unbedingt innerhalb der 3-Wochen-Frist, am besten über einen Anwalt Ihres Vertrauens, ein. Verspätete Klagen werden nicht berücksichtigt.
  7. Bleiben Sie hartnäckig: Trotz der möglichen Dauer des Prozesses sollten Sie nicht aufgeben und konsequent Ihre Rechte verteidigen.

Mit der richtigen Vorbereitung und Strategie können Arbeitnehmer durchaus Erfolg mit einer Kündigungsschutzklage haben. So können sie sich effektiv gegen eine ungerechtfertigte Kündigung wehren.

Fazit

Eine Kündigungsschutzklage ist ein wichtiges Mittel für Arbeitnehmer, um sich gegen eine unberechtigte Entlassung zu wehren. Innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigungserklärung sollte beim Arbeitsgericht Klage erhoben werden. Das sollte vorzugsweise über einen anwaltlichen Fachmann passieren. 

Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses müssen Arbeitnehmer dann überzeugend darlegen, warum ihre Kündigung unwirksam ist – beispielsweise aufgrund fehlender sachlicher Gründe oder formaler Fehler seitens des Arbeitgebers. Gelingt dies, können sie entweder ihre Weiterbeschäftigung erzielen oder eine angemessene Abfindung erhalten.

Um im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses erfolgreich zu sein, empfiehlt es sich, sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht vertreten zu lassen und alle relevanten Beweise zu sichern. Zudem sind Verhandlungsgeschick und Durchhaltevermögen gefragt, da sich der Rechtsstreit über längere Zeit hinziehen kann.

Wer also gegen eine ungerechtfertigte Kündigung vorgehen möchte, sollten Sie definitiv und zügig eine Kündigungsschutzklage in Erwägung ziehen. Unser Job dabei ist es, Ihre Interessen so umfassend wie nur möglich durchzusetzen.

Fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber: 5 Tipps für Arbeitnehmer

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Würzburg - Peter Lamprecht

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist eine ernsthafte Situation, mit der sich viele Arbeitnehmer konfrontiert sehen. Dabei handelt es sich um eine außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der regulären Kündigungsfrist. Als Arbeitnehmer ist es wichtig, die Hintergründe und rechtlichen Aspekte einer solchen Kündigung zu verstehen, um die richtige Vorgehensweise zu wählen.
In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen 5 wertvolle Tipps, die Ihnen als Arbeitnehmer helfen können, wenn Sie mit einer fristlosen Kündigung konfrontiert werden. Erfahren Sie, welche Rechte Sie haben, wie Sie sich am besten verhalten und was Sie tun können, um Ihre Position zu schützen.

VORAB: EINE FRISTLOSE KÜNDIGUNG FÜHRT QUASI ZWANGSLÄUFIG ZU EINER 3 MONATIGEN SPERRE BEIM ALG I, DAHER IST EIN VORGEHEN DAGEGEN MEIST ZWINGEND NÖTIG.

Verstehen Sie die Gründe für die fristlose Kündigung

Bevor Sie weitere Schritte einleiten, ist es wichtig, die Gründe für die fristlose Kündigung genau zu verstehen. Laut Gesetz muss der Arbeitgeber schwerwiegende Verfehlungen oder ein vertrauensschädigendes Verhalten als Rechtfertigung für eine außerordentliche Kündigung anführen können.

Fragen Sie daher umgehend nach den konkreten Gründen, die zur Kündigung geführt haben. Lassen Sie sich diese schriftlich geben und prüfen Sie sorgfältig, ob diese tatsächlich einen wichtigen und rechtlich zulässigen Kündigungsgrund darstellen.

Mögliche Gründe für eine fristlose Kündigung können sein:

  • Schwerwiegende Vertragsverletzungen wie Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug
  • Grobe Verletzung der Arbeitspflichten oder wiederholtes Fehlverhalten
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder Offenbarung von Betriebsgeheimnissen
  • Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Angriffe gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen

Wichtig dabei ist: Der Arbeitgeber muss die schweren Verfehlungen auch beweisen können.

Stellen Sie sicher, dass die vom Arbeitgeber genannten Gründe tatsächlich eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Wenn Sie Zweifel haben, holen Sie sich rechtlichen Beistand.

Reagieren Sie umgehend und dokumentieren Sie alles

Sobald Sie von der fristlosen oder der ordentlichen Kündigung erfahren, ist es wichtig, schnell zu handeln. Achten Sie dabei auf folgende Punkte:

  • Ist die Kündigung formell korrekt (händisch unterschrieben!) und auch wirksam zugestellt worden? E-Mails, Whatsapps, mündliche Kündigungen sind unwirksam, aber auch gegen die muss man vorgehen.
  • Sind die Kündigungsgründe eindeutig und schlüssig dargelegt? 
  • Wurde Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben?

Dokumentieren Sie alle Vorfälle und Kommunikation im Zusammenhang mit der Kündigung möglichst sorgfältig. Fertigen Sie Kopien aller relevanten Unterlagen an und bewahren Sie diese auf. Dies kann später als Nachweis dienen, falls es zu einem Rechtsstreit kommt.

Reagieren Sie zeitnah auf die Kündigung mit dem ersten Schritt: suchen Sie sich einen passenden Rechtsanwalt. Dazu im Folgenden. 

Holen Sie sich rechtlichen Beistand

Eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung ist immer eine Rechtsfrage, bei der es wichtig ist, die richtigen Schritte einzuleiten. Nach 3 Wochen ist jede Kündigung wirksam! Daher ist es ratsam, sich zeitnah anwaltlichen Rat einzuholen. Ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt kann Ihnen dabei helfen:

  • Die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu prüfen
  • Ihre Rechte und Optionen als Arbeitnehmer zu erklären
  • Eine Klage gegen die Kündigung vorzubereiten, falls nötig. Das ist bei Kündigungen die Regel!
  • Mit dem Arbeitgeber zu verhandeln und eine einvernehmliche Lösung zu finden – in Ausnahmefällen 

Ein Anwalt kann Ihre Position deutlich stärken und Ihnen wertvolle Unterstützung bieten. Die Kosten für die anwaltliche Beratung/Vertretung können sich auf lange Sicht auszahlen, wenn Sie Ihre Rechte erfolgreich durchsetzen können. Die Erfahrung zeigt, dass ArbeitnehmerInnen, die sich die Anwaltskosten sparen und sich selbst vertreten, regelmäßig vor Gericht untergehen. Zudem gibt es für einkommensschwache Menschen die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dann trägt der Staat die Anwaltskosten. Das nötige Formular bekommen Sie kostenlos von uns.

Prüfen Sie Ihre Möglichkeiten

Nachdem Sie die Gründe für die Kündigung verstanden und rechtlichen Beistand eingeholt haben, sollten Sie alle Ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen:

  • Abfindung aushandeln: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, mit dem Arbeitgeber über eine Abfindung zu verhandeln. So können Sie das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden.
  • Klage gegen die Kündigung erheben: Binnen 3 Wochen ab Erhalt der Kündigung können Sie Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen. Ihr Anwalt kann Ihnen dabei helfen, die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen und wird die Klageschrift fertigen.
  • sollten Sie einen Arbeitsrechtsschutz besitzen (in der Police meist „Beruf“ genannt), der bereits mehr als 3 Monate bestanden hat, bevor Sie die Kündigung erhielten, dann übernimmt der die Prozess- und Anwaltskosten weitestgehend (bis auf eine Selbstbeteiligung). Wir holen die Deckungszusage für Sie ein, kostenlos. Alternativen, wie Prozesskostenhilfe oder Selbstzahlung, besprechen wir im Erstberatungsgespräch mit Ihnen.
  • Arbeitszeugnis prüfen: Fordern Sie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ein (das können Sie auch dann, wenn Sie auch gegen die Kündigung vorgehen wollen, das widerspricht sich nicht!), das Ihre Leistungen und das Arbeitsverhältnis korrekt beschreibt. Lassen Sie sich vom Arbeitgeber nicht mit einem schlechten Zeugnis abspeisen.

Wägen Sie sorgfältig ab, welche Option für Ihre Situation am sinnvollsten ist. Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt beraten, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Ein guter Anwalt – dafür halten wir uns jedenfalls – wird nicht die Entscheidungen für Sie treffen, sondern Sie gut beraten, damit Sie diese Entscheidung selbst treffen können.

Bewahren Sie die Ruhe und bleiben Sie professionell - Selbstvorwürfe bringen nichts!

Eine fristlose Kündigung ist eine belastende Situation, die starke Emotionen hervorrufen kann. Dennoch ist es wichtig, dass Sie in Ihren Reaktionen und Handlungen ruhig und professionell bleiben.

Vermeiden Sie es, sich zu Äußerungen oder Handlungen hinreißen zu lassen, die Ihnen später schaden könnten. Bleiben Sie sachlich und konzentrieren Sie sich darauf, Ihre Rechte konsequent, aber respektvoll zu verteidigen.

Bewahren Sie Disziplin und Fokus, auch wenn der Arbeitgeber versuchen sollte, Sie zu provozieren. Setzen Sie stattdessen auf konstruktive Kommunikation und eine zielgerichtete Vorgehensweise.

Fazit

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist eine schwierige Situation, die sorgfältig, aber auch zügig gehandhabt werden muss, gerade, wenn man auf Arbeitslosengeld angewiesen ist.

Als Arbeitnehmer ist es wichtig, die rechtlichen Aspekte zu verstehen, schnell und dokumentiert zu reagieren und sich rechtlichen Beistand zu holen.
Prüfen Sie genau, ob die Gründe für die Kündigung tatsächlich gerechtfertigt ein könnten (was aus meiner Erfahrung eher selten der Fall ist), und erwägen Sie dann Ihre Optionen – bis hin zur Klage, die aus den genannten Gründen fast immer sinnvoll ist bei fristlosen Kündigungen.

Bewahren Sie dabei stets Ruhe und Professionalität, um Ihre Position bestmöglich zu schützen.
Mit der richtigen Vorgehensweise können Sie Ihre Rechte als Arbeitnehmer wahren und eine für Sie gute, akzeptable Lösung finden. Zögern Sie daher nicht, energisch, aber respektvoll für Ihre Interessen einzustehen. Die Erfahrung zeigt, dass in 95 % aller Fälle die Arbeitgeber verhandlungsbereit sind und Lösungen damit schnell gefunden werden können. Meistens müssen Sie nicht mal bei Gericht erscheinen, ob das in Ihrem Fall sinnvoll ist, werden wir mit Ihnen besprechen.

Cannabis im Straßenverkehr – wie verhalten Sie sich richtig, wenn Sie von der Polizei angehalten werden?

Anhand eines Falles aus der Praxis als Strafverteidiger möchte ich schildern, wie sich Betroffene richtig verhalten, wenn sie von der Polizei angehalten werden und der Konsum von Drogen – insbesondere von Cannabisprodukten – im Raum steht.

Ich hatte einen Mandanten, der an einem sehr heißen Samstagvormittag im Auftrag einer Stadt eine großflächige Hauswand mit Graffiti-Art verschönert hatte. Er hatte dabei etwa 5 Stunden bei über 30 Grad im Schatten gearbeitet, meist der Sonne voll ausgesetzt. Danach fuhr er nach Hause – Würzburg – Zellerau – wo er gerade dabei war, sein Auto zu parken, als die Polizei ihn anhielt. Natürlich war er nach der harten körperlichen Arbeit bei sengender Hitze etwas zittrig und hatte – vermutlich aufgrund der Spraydosen-Dämpfe – auch rote, etwas glasige Augen. Das alles hielten die Beamten für vorgeschoben, und vermuteten Drogenkonsum.

Sie forderten also von ihm, auf einer geraden Linie für sie zu gehen, etc.

Das alles geschah dann auch, der Mandant wollte ja nicht unkooperativ wirken, auch, weil er zum letzten Mal mehr als 3 Tage zuvor Cannabis konsumiert hatte, fühlte er sich sicher.

Die Polizei war mit seiner Performance allerdings nicht recht zufrieden und ordnete einen Drogentest durch eine ärztliche Blutentnahme und eine ärztliche Prüfung an. Der Mandant wurde also mit auf die Dienststelle genommen, wo ein Arzt sein Blut abnahm und ihn auf Drogenkonsum testete, indem er, wie das so üblich ist, verschiedenste Koordinations- und Motoriktests von dem Mandanten absolvieren ließ. Hier musste der Mandant z.B. 30 Sekunden abschätzen, mit den Zeigefingern die Nase berühren, etc. Der Arzt stellte hier eingeschränkte Fähigkeiten fest, was aber nicht zwangsläufig auf Drogenkonsum hinausläuft, gerade, weil der Mandant wie gesagt eine körperlich sehr anstrengende Tätigkeit geleistet hatte.

Einige Tage später erfuhr der Mandant, dass der THC – Wert im Blut unterhalb der Schwelle zur Ordungswidrigkeit von 1ng/Liter lag. Alle anderen Werte waren vollständig negativ. Einen Bußgeldbescheid brauchte er daher nicht zu fürchten.

Der Würzburger Staatsanwalt, der die Akte dann auf den Tisch bekam, gab diese aber zur gutachterlichen Einschätzung an die Rechtsmedizin weiter, weil er trotz der niedrigen Werte und der plausiblen Begründung des Mandanten Zweifel an der Fahrtauglichkeit des Mandanten hatte. Der Rechtsmediziner, der anhand des niedrigen THC-Wertes zwar als richtig zu Grunde legte, dass der vorangegangene THC – Konsum mehr als 3 Tage her war, kam dann anhand des Protokolls der ärztlichen Untersuchung jedoch zu dem Schluss, dass der Mandant zum Zeitpunkt der Fahrt FAHRUNTAUGLICH aufgrund des Cannabiskonsums gewesen sei. Dies sei anhand der angeblichen  Ausfallerscheinungen, die der Arzt nach der Fahrt festgestellt habe, und einem sog. “Flashback” für ihn sicher. Demnach sei wissenschaftlich anerkannt, dass Cannabiskonsum auch mehrere Tage später zur Fahruntauglichkeit führen könne, und die Testergebnisse würden genau dies belegen. In juristischer Sicht bedeutete dies: Der Mandant hätte zwar keine Ordnungswidrigkeit begangen – sehrwohl aber eine Straftat, nämlich aufgrund seiner sog. relativen Fahruntauglichkeit eine Straftat nach § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr – begangen!

Dies hatte also einen Strafbefehl zur Folge, gegen den ich nach meiner anschließenden Mandatierung form- und fristgerecht Einspruch eingelegt habe.

Den Einspruch haben wir einerseits mit den Fakten begründet, dass die nicht perfekte Absolvierung des ärztlichen Tests, wie auch die roten Augen und das Zittern, nicht aufgrund Drogenkonsums, sondern aus der Arbeit am Vormittag resultierte. Von einem bekannten Psychiater hat der Mandant dann noch eine Stellungnahme durch einen Fachmann schriftlich eingeholt, wonach die Flashback-Theorie längst wissenschaftlich widerlegt war und die Arbeit am Vormittag genau derartige Folgen wie ärztlich festgestellt hat und dass deswegen die Einschätzung des Rechtsmediziners schlicht falsch ist und somit gerade KEINE relative Fahruntauglichkeit vorlag, weil die Ausfallerscheinungen, so man sie überhaupt so nennen kann, jedenfalls nicht drogenbedingt waren.

Ich beantragte somit folgerichtig die Einstellung des Verfahrens nach § 170 II StPO bzw. die Nichteröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht.

Damit sollte es sich eigentlich erledigt haben.

Aber dem war nicht so – der Richter gab Anweisung, dass ein dritter Sachverständiger sich mit den beiden widersprüchlichen Stellungen der bisherigen Sachverständigen auseinandersetzt. Hierzu wurde also ein weiteres, sicherlich teures Gutachten eines Münchner Gutachterbüros eingeholt.

Am Ende bestätigte dieses, dass der Rechtsmediziner falsch lag, weil es keinerlei belastbare Studien gebe, die die Flashback – Theorie untermauern. Somit lag keine relative Fahruntauglichkeit beim Mandanten vor.

Nun ging das Ganze hier noch gut aus. Es drängt sich jedoch die Frage auf: Hätte dem Mandanten hier Zeit und Nerven erspart werden können durch ein anderes Verhalten?

Die Antwort ist ganz klar JA.

Zentral wichtig ist es hier, zu wissen, dass kein Mensch gezwungen werden kann, sich selbst zu belasten. Das resultiert in einem gesetzlich verbrieften Aussageverweigerungsrecht jedes Menschen, der einer Straftat verdächtig ist. Darauf weisen die Ermittlungsbeamten regelmäßig hin, tun sie es nicht, darf die so gewonnene  Aussage nicht verwertet werden.

Allerdings ist hier das Problem ein anderes: Denn auf die Tatsache, dass Nichtkooperation erlaubt ist, muss keiner der Ermittler Sie hinweisen. Daher tue ich das vorliegend.

Gerade hier in Würzburg und Umgebung, aber auch ganz generell gilt: Wenn die Polizei oder der Arzt Sie auffordert, bestimmte Tests mitzumachen – sei es der Zeigefinger-Nase-Test oder sonstwas – so sollten Sie einfach jegliche Teilnahme daran kathegorisch verweigern. Sie müssen weder der Polizei noch dem Arzt dabei helfen, Ihnen Fahruntauglichkeit nachzuweisen. Lassen Sie den Arzt Blut abnehmen, folgen Sie den Anweisungen der Polizeibeamten, soweit diese nicht irgendwelche Tests darstellen.

Denn fast niemand besteht diese Tests perfekt – und jede Imperfektion in einem der Tests ist ein weiterer Verdachtsmoment für die Ermittler, dass Sie nicht hätten fahren dürfen. Im Umkehrschluss gilt auch: Alles, was ohne Ihre Kooperation nicht testbar war, kann Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. D.h. dass die Ermittler ohne Ihre Mithilfe keine Anhaltspunkte für eine Fahruntauglichkeit bekommen können, also sollte man sie ihnen auch nicht liefern, soweit  man dazu nicht gesetzlich verpflichtet ist! Ausnahme hiervon sind höchstens Fahrfehler, die vor dem Anhalten durch die Polizei gemacht wurden.

Im Beispielsfall hätte das folgendes bedeutet: Hätte mein Mandant hinsichtlich der anfänglichen polizeilichen Tests (Gerade Linie entlang gehen, Finger-Nase-Test) diese verweigert, so wäre er natürlich trotzdem auf die Wache mitgenommen worden, und wahrscheinlich wäre auch die Blutentnahme angeordnet worden. Hätte der Mandant aber dem Arzt gegenüber auch jeden seiner Tests verweigert, so hätte dieser keinerlei nachteilige Ergebnisse dokumentieren können. Somit hätte dann auch nicht der Geringste Anhaltspunkt vorgelegen, der den Würzburger Rechtsmediziner zu seiner (meiner Meinung nach ohnehin völlig abwegigen) Einschätzung der Drogenintoxikation bzw. der Fahruntauglichkeit hätte bringen können. Dementsprechend wäre das Ermittlungsverfahren schnell eingestellt worden.

 

*Update* Laienprivileg bei Verdachtberichterstattung: Keine vorherige Stellungsnahme einzuholen durch politischen Aktivisten

 

Berufungsgericht pro Meinungsfreiheit

*Update*: Nach Ansicht des OLG Bamberg ist von der Klägerin eingelegte Berufung offensichtlich unbegründet. Das Berufungsgericht regt daher die Rücknahme der Berufung an.

Worum ging es?

Das Landgericht Schweinfurt hat eine wichtige Entscheidung für alle politischen Aktivisten und Whistleblower getroffen. Im Rahmen einer Verdachtberichterstattung ist für diese keine vorherige Stellungnahme einzuholen, sofern sie kein journalistisch-redaktionelles Angebot vorhalten (sog. Laienprivileg).

Keine Anhörung bei Verdachtberichterstattung bei Laien

Dies würde einen zu starken Eingriff in den politischen Diskurs bedeuten.
Die Klage einer Compliance-Beauftragten  einer Gemeinde gegen den Sprecher einer Bürgerentscheid auf Löschung seiner Verdachtsberichterstattung gegen sie scheiterte daher auf ganzer Linie.  Das Landgericht Schweinfurt nahm somit an, dass die neuere BGH-Rechtsprechung  zur presserechtlichen Sorgfaltspflichten im vorliegenden Einzelfall  nicht auf politische Aktivisten anwendbar ist (Urteil vom 27.7.2023, Az.: 1 0 458/22)
Keine Pflicht zur Anhörung durch politische Aktivisten

Streitwertfestsetzung bei einem Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln

Das Landgericht Schweinfurt hat sich in einem interessanten Beschluss damit auseinendergesetzt, wie der Streitwert für einen isolierten Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln bei vertraglich vereinbarten Verpflichtungen zwischen Mieter und Vermieter zu bestimmen ist. Vorliegend ging es darum das Besitzrecht eines Mieters vor einem sein Betretungsrecht übergriffig ausübenden Vermieter zu schützen, nachdem sich die Parteien zuvor vergleichsweise auf Regeln geeinigt hatten, der Vermieter sich daran aber (erneut) nicht hielt (Az.: 41 T 145/22).

Christopher Richter, LL.M.Eur

Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht

Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Das OLG Köln  hat  eine Entscheidung in Bezug auf die Pflichten beim Warenumschlag getroffen, die für Frachtführer und Spediteure von Bedeutung ist (OLG Köln vom 05.09.2014, Az.: 3 U 15/14). 


Der Sachverhalt:

Es folgt eine Kette unglücklicher Umstände: Das nach Saudi-Arabien abzuliefernde Transportgut (ein Luftkanonenteile) war vom Fahrer der Spedition im Umschlaglager entgegen des vorhandenen Hinweisschildes an einer falschen Stelle abgestellt worden und gelangte über den Seeweg dann irrig nach Indien.

Fehler beim Warenumschlag

Ein für Indien bestimmtes Gut hingegen reiste ebenfalls über See nach Saudi-Arabien.  Die Verwechslung war zuvor im Warenumschlaglager der Beklagten nicht aufgefallen, denn an bei beiden Sendungen fehlte die Markierung (sog. LOT-Nummer). Und weil beide Transportgüter annähernd gleich schwer waren, wurde die Verwechslung von den Mitarbeitern des Umschlagunternehmens auch später nicht entdeckt, obwohl der Fuhrunternehmer zuvor noch per E-Mail darum gebeten hatte, die Markierung am Container nachzuholen.

Mangelnde Sorgfalt bei Kontrolle der Frachtpapiere

Der Fehler hätte aber entdeckt werden können, wenn Anlieferungsquittung und -schein noch zusätzlich kontrolliert worden wären, weil die die LOT-Nummer enthielten, denen der Destinationsort eindeutig  zu entnehmen ist. Der Rücktransport, jeweils über den Luftweg, war  immens teuer.

Regress des Frachtführers nicht erfolgreich

Der Regress des Frachtführers gegen den Umschlagsbetrieb war dennoch nicht erfolgreich [Fall vom Autor aus redaktionellen Gründen leicht modifiziert]. Aus der Urteilsbegründung: „Es stellt keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, welche die Destination zweifelsfrei erkennen lassen, nicht auf der Ware selbst vermerkt sind. (…) Es stellt auch keinen Organisationsmangel (des Umschlagbetriebes) dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit der Zuordnung überprüft werden. Solcher Überprüfung bedarf es nicht, weil bei Eingang der Ware anhand einer korrekten Markierung und der Papiere eine Zuordnung zu den einzelnen Häfen
zweifelsfrei möglich ist. Vor Verladung in den
Container ist eine Verwechslung dadurch ausgeschlossen, dass zuvor eine räumlich deutlich getrennte Aufbewahrung der Güter sichergestellt ist (…)“

Praxishinweis vom Anwalt:
Auch wenn die Entscheidung hier sicher einen Einzelfall abbildet, gibt sie doch Anlass den Fahrern einzuschärfen, dass die Transportware an der richtigen Stelle abgestellt werden muss und im Zweifel bei den Mitarbeitern des Umschlagbetriebes
Rücksprache genommen werden muss.

Kontakt: Rechtsanwalt Christopher Richter, Tel.0931/47085337, richter(at)anwaltskanzlei-wue(dot)de

 

OLG Bamberg hält Audi die Stange – kein sittenwidriges Verhalten ab Januar 2018

Kürzlich hatten wir einen Fall, der zum Themengebiet “Abgasskandal” zu rechnen ist, allerdings mit der Besonderheit, dass es sich um einen Audi A7 handelt, welcher im April 2018 vom Mandanten gebraucht beim Vertragshändler gekauft worden war.

Beim Kauf war dem Mandanten vom Händler kein Hinweis gegeben worden, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Dieser erfuhr dann erst Mitte 2020, dass dies der Fall ist, nämlich durch ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes, in dem er aufgefordert wurde zum Softwareupdate, weil sonst das Fahrzeug stillgelegt würde.

Namens des Mandanten hatte ich Audi Ende 2020 – die Gewährleistung war leider bereits abgelaufen, sonst hätte man noch gegen den Händler aus der Gewährleistungspflicht heraus vorgehen können – zunächst außergerichtlich bei Audi Rückabwicklung verlangt. Das wurde abgelehnt.

Dann haben wir vor dem LG Würzburg auf Rückabwicklung geklagt und gewonnen. Audi ging in Berufung, und argumentierte hierbei u.a., dass zum Zeitpunkt des Kaufs im April 2018 kein sittenwidriges Verhalten mehr unterstellt werden könne, weil man ab Mitte 2017 mehrere Aktionen öffentlich angekündigt habe. Auch habe man (nach einer Pressemeldung des KBA Ende Januar 2018) – im rein internen Händlerforum (!) – online mitgeteilt, dass hier die Händler zur Aufklärung gegenüber Kunden verpflichtet seinen, und diesen Händlern ein Schreiben beigefügt, welches diese am besten jedem Kaufinteressenten eines solchen Audi vorlegen sollten. Darin ist kein klarer Hinweis gegeben, dass hier ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung verkauft wird, welchem eine Stilllegung durch das KBA droht. Stattdessen wird ausgeführt, dass der Käufer ein Fahrzeug hat welches zu den 850.000 Fahrzeugen von Audi gehört, für welches eine “verbesserte Software zur noch besseren Schadstoffreduzierung” entworfen wurde, und dass diese Autos an einer Softwareaktualisierung “teilnehmen können”.

In der Berufungserwiderung haben wir detailliert dargelegt, warum darin auf keinen Fall eine deutliche Abkehr von sittenwidrigen Verhaltensweisen zu sehen sein kann, weil nämlich hier keinerlei Ehrlichkeit herauszulesen ist nach unserer Meinung.

Das sah das OLG Bamberg in seinem Urteil vom 22.12.2021 leider anders. Man dürfe nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, so wurde argumentiert. Auch die Tatsache, dass diese Schreiben rein intern waren und eine vertragliche Verpflichtung Audis zu ihren Händlern hinsichtlich der Aufklärung zwar möglich gewesen wäre, aber gerade nicht erfolgt ist, focht die Richter in Bamberg nicht an. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Unabhängig von der Tatsache, dass ich diese Begründung für äußerst fragwürdig halte, wird man sich als Audikäufer im hießigen OLG Bezirk an die Realitäten halten müssen. Ergänzend muss man sagen, dass bereits andere OLGs wohl ähnlich geurteilt haben.

Andererseits ist damit im Umkehrschluss klar, dass Audikäufer, die vor Ende Januar 2018 einen Audi mit Abschalteinrichtung gekauft haben, einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen Audi innehaben dürften. Allerdings ist hierbei die Verjährungsfrist zu beachten, die 3 Jahre läuft ab Ende des Jahres, wo der Käufer Kenntnis hatte von der Abschalteinrichtung.

Daneben drängt sich die Klage gegen die Händler auf, soweit – wie bei unserem Mandanten der Fall – diese beim Kauf eines (gebrauchten) Audi nach dem Januar 2018 keinerlei Schreiben zur Unterschrift vorgelegt bekommen haben, dass hier “ein Softwareupdate möglich ist”.

Wann verjährt eine Jobcenter-Forderung?

Streit gibt es immer wieder mit Jobcentern, ob diese aus älteren Forderungen Forderungen noch gegen Hartz IV-Empfängern vorgehen können.

Oft meldet sich zunächst die BA Recklinghausen als der Inkassoservice der Jobcenter und fordert die Altschulden ein. Oft erinnern sich die Hartz IV-Empfänger gar nicht mehr an die Bescheide und die Umstände damals, weil einfach zu viel Zeit vergangen ist.

Generell ist es so – so hat es das Bundessozialgericht kürzlich klargestellt (BGS-Urteil vom 04.03.2021, Az.: B 11 AL 5/20 R) – dass Erstattungsforderungen grundsätzlich 4 Jahre zum Jahresende gem. § 50 II SGB X, nachdem sie fällig geworden sind, verjähren. Stand heute wäre also ein Erstattungsbescheid aus dem Jahr 2018 nicht mehr vollstreckbar, wenn der Hartz IV-Empfänger die Einrede der Verjährung erhebt. Dasselbe gilt bezüglich abschließenden Festsetzungen, die vier nache nach ihrer Unanfechtbarkeit in der Regel verjähren (SG Berlin vom 19.11.2021, Az.: S 129 AS 4900/20 und LSG Berlin-Brandenburg vom 30.03.2022, L 9 AS 217/22 B ER).

Im Einzelfall kann die Verjährung aber auch mal 30 Jahre gem. § 52 SGB X betragen, nämlich dann, wenn nach der Fälligkeit noch ein sogenannter Durchsetzungsverwaltungsakt gefolgt ist. Also etwa ein Aufrechnungsbescheid oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die Aufforderung im Erstattungsbescheid innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuzahlen oder eine spätere Mahnung sind keine derartigen Durchsetzungsverwaltungsakte!

Tipp vom Anwalt: Besteht Streit zwischen dem Jobcenter und dem Hilfesuchenden über die Frage der Verjährung kann eine Feststellungsklage vorm Sozialgericht eine Entscheidung bringen. Ein Schreiben, in dem die Behörde ihre Rechtsauffassung über das Nichtvorliegen einer Verjährung äußert, wird sich kaum als anfechtbarer Verwaltungsakt interpretieren lassen.

Ist die Verjährungseinrede wirksam erhoben, dann ist die Vollstreckung dieser Forderung ausgeschlossen nach § 14 VwVG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 6.04.2022, Az.: L 8 AS 18/22 B ER).

Tipp vom Anwalt: Wehren sich sich mit der Feststellungsklage oder – wenn Vollstreckung droht – mittels Eilantrag gegen die Jobcenter-Altorderung.

Hier geht es zu unserem Ressort Hartz IV

WEG-Recht: Kaschieren von Mängeln nicht zulässig

Notwendige Instandsetzung über das Gericht durchgesetzt

WEG-Mitglieder müssen Beschlüsse nicht hinnehmen, die letztlich nur dazu führen gravierende Mängel zu kaschieren. Diese nicht allzu unerwartete Feststellung hat der BGH noch zur alten Rechtslage getroffen (BGH-Urteil vom 04.05.2018, Az.: V ZR 203/17). Die Entscheidung hat aber auch nach dem WEMoG weiter Bedeutung.

Feuchtigkeitsschäden sind zu beseitigen

Drei Teileigentümer des Erdgeschosses eines über 100 Jahre altem Hamburger Gemeinschaftsgebäudes hatten sich gegen verschiedene mehrheitlich gefasste Beschlüsse zur Wehr gesetzt, die unter anderem die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden und die Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk ablehnten und stattdessen auf die Einholung eines weiteren Privatgutachtens setzten.

Verstoß gegen Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung

Diese ablehnenden Beschlüsse würden gegen den Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen, waren sich die Richter sicher. Eine Sanierung müsse zu einer Ursachenbeseitigung nach heutigem Baustandard führen. Daher wurden die Beschlüsse gem. § 21 VIII WEG durch das Gericht mittels Gestaltungsurteil ersetzt.

Beachte: Anders ist dies dem Grundsatz nach beim Schallschutz, wo nur der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltende technische Schallschutz gewährleistet werden muss, es sei denn es findet eine umfassende Baumaßnahme statt, die nahe an einen Neubau herankommt.

Wegen Durchfeuchtungen zum Aufenthalt ungeeignet

Vorliegend war entscheidend, dass die Kläger ihr Sondereigentum wegen der gravierenden Mängeln des Gemeinschaftseigentums nicht nutzen konnten, weil wegen der massiven Durchfeuchtungen der Aufenthalt von Menschen nicht mehr möglich war. Dabei spielte auch keine Rolle, dass das Gebäude hier sehr alt war.

Leistungsfähigkeit der anderen WEG-Mitglieder beachten

Tipp vom Anwalt: Wohnungseigentümer haben bei der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums einen Gestaltungsspielraum. Wenn hierfür bauliche Eingriffe erforderlich sind, gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Mittels 2/3-Mehrheit könnnen auch die Nichtzustimmenden zu einer Kostenbetiligung zumindest im Grundsatz gezwungen werden, wobei dann immer noch auf die Leistungsfähigkeit derWohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen ist,

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Achtung: Nach einer weiteren neueren Entscheidung des BGH dürfen Wohnungseigentümergemeinschaften grds. nicht zum Nachteil eines Eigentümers Verbote erlassen das gemeinsame Eigentum vertragsgemäß zu nutzen (BGH vom 15.10.2021, Az.: V ZR 225/20). So etwas in Beschlussform zu regeln, auch wenn dies der Verkehrssicherheit bzw. dem Brandschutz dient, wird häufig nicht möglich sein.

Selbständiger Handelsvertreter nur auf Namensschild?

Eine spannende Entscheidung für selbständige Vertreterim Bereich von Finanzprodukten, die auch für Handelsvertreter in anderen Bereichen, wie Versicherungen oder Vermögensverwaltungen, Bedeutung haben kann, hat das Sozialgericht Frankfurt/Main kürzlich getroffen (Az.: S 18 BA 93/18).

Bescheid nach Clearingverfahren

Im Rahmen eines Clearing-Verfahrens stellte die Deutsche Rentenversicherung die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung für rund 2 1/2 Jahre eines langjährigen Vertreters eines großen deutschen Bankhauses fest. Das Bankhaus, dass in der Vergangenheit mehrere seiner Filialen aufgelöst, umgebaut und als outgesourcte Agenturen wiedereröffnet hatte, zog gegen den Bescheid vor Gericht.

Tipp vom Anwalt: Die freiwillige Einleitung eines Clearingverfahrens kann u.U. helfen Geld zu sparen und senkt das Risiko wegen den Vorenthaltens von Sozialabgaben nach § 266a StGB strafrechtlich belangt zu werden.

Handelsvertreterverträge geschlossen

Mit freien Vertretern schloss das Geldhaus dann Handelsvertreterverträge i.S.d. §§ 84 ff. HGB, die umfassende Berichts- und Genehmigungspflichten, aber nur wenige Freiheiten vorsahen. Eingebunden waren die sogenannten Handelsvertreter über ein Back-Office-System in die normalen Tätigkeiten des Geldhauses ohne hierfür gesondert vergütet zu werden. Zudem wurden sie scheinbar ständigt gemonitort und durch Telefonanrufe und Teambesprechungen regelmäßig gebrieft und auf Linie gebracht. Der Handelsvertretervertrag wurde durch die tägliche Praxis also konterkariert, schilderte auch ein Mitarbeiter, so dass wegen der Vorgaben zum Corporate Design eigene Werbemaßnahmen zuvor vom Geldhaus genehmigt werden mussten. Vielmehr stellte das Geldhaus Briefbögen, Visitenkarten und Werbemittel kostenfrei zum Einsatz zur Verfügung. Auch über interne Fortbildungen seien Vorgaben gemacht worden, welche Finanzprodukte nach vorne gebracht werden sollten. Für Beratungsgespräche wurden sehr detaillierte Checklisten zur Verfügung gestellt. Das i-Tüpfelchen war dabei noch, dass die selbständigen Vertreter keine neuen Kunden aquerieren durften.

Tipp vom Anwalt: Achten Sie bei der Gestaltung von Handelsvertreterverträgen darauf, dass den Vertretern nicht zu starke Weisungspflichten auferlegt werden. Die Verhandlungen und das Vertragsergebnis sollen zwei Partner auf Augenhöhe wiederspiegeln.

Backoffice und Service

Für den Endkunden sei nicht deutlich erkennbar geworden, ob sie in eine reguläre Filiale oder in eine Agentur eintreten, meinte das Sozialgericht. Insbesondere am Vergütungssystem des klagenden Geldhauses bissen sich die Sozialrichter fest: Die in einer Tabelle festgelegten Provisionen bei erfolgreichen Abschlüssen konnte das Geldhaus einseitig ändern, wenn es hierfür geschäftspolitische Gründe hätte, wie es recht schwammig im Vertrag hieß. Gleichzeitig gab es für die Handelsvertreter in ihrem Gebiet aber keinen Kunden- oder Gebietsschutz, so dass sie an Abschlüssen, an denen sie nicht selber mitgewirkt haben, nicht partizipieren konnten. Dass die Umsätze übe rein Geschäftskonto bei der Klägerin laufen mussten, auf dass diese noch recht frei zugreifen konnte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf.

Regelmäßige Berichte an Agentur- und Regionalleiter

Das Gericht sah vorallem die Weisungsabhängigkeit in diesem ziemlich formalen Geschäftsmodell als zu erdrückend: Die “Berichts- und Rechenschaftskaskade” vom Vertreter zum Agenturleiter zum Gebiets- und schließlich zum Regionalleiter würden zu einer Eingliederung in den Betrieb des Geldhauses und daher zu einer abhängigen Beschäftigung führen.

Erfassen von negativen Kundenbewertungen im System

In der Gestaltung ihres Arbeitstages waren die Vertreter nicht frei, sondern es lag “eine funktionsgerecht dienende Teilhabe” vor, wie es das Gericht formulierte: So mussten feste Öffnungszeiten der Agenturen gewährleistet werden und es wurde erwartet, dass Serviceleistungen erbracht werden, die über den in den Handelsvertreterverträgen geregelten Umfang hinausgingen. Negative Kundenbewertungen flossen offenbar in die hauseigene Bewertungs-Matrix ein.

Subventionsbetrug durch staatliche Ausbildungsförderung?

Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit folgerte das Sozialgericht eine abhängige Beschäftigung. Und am Ende seiner Urteilsbegründung ließ das Gericht noch eine kleine “Bombe” platzen: Es deutete an, dass die Ausbildungszeit der Vertreter nur vorgeschoben seien könnte, um unrechtmäßig an externe Fördermittel zu kommen. Auf die Frage, ob dies bereits für einen Anfangsverdacht eines Subventionsbetrug i.S.d. § 264 VIII StGB ausreicht, ging das Sozialgericht nicht näher ein. Es darf mit Spannung abgewartet werden, ob der Rechtsstreit noch eine strafrechtliche Komponente erhält, da hier bereits ein leichtfertigtes Handeln pönalisiert ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Berufung wurde bereits eingelegt.

Tipp vom Anwalt: Seien Sie also nicht zu kreativ bei der Gestaltung von Geschäftsverträgen und lassen Sie Ihre Verträge auf sozial- und strafrechtliche Risiken prüfen. Liegt Eigennutz vor, dann ist eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren dem Gesetz nach vorgesehen. Jedoch sieht das Gesetz eine Strafbefreiung bei qualifizierter Selbstanzeige vor. Lassen Sie sich individuell beraten.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung da und enthält subjektive Meinungen des Autors. Für Vollständigkeit und Richtigkeit wird nicht gehaftet. Lassen Sie sich in jedem Fall anwaltlich individuell beraten!

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Risiko der Scheinselbständigkeit: Freie Mitarbeiter in Praxis für Physiotherapie

Der Staat ist immer hungrig darauf mehr Beitragszahler für die Sozialsysteme zu gewinnen. Nicht selten erhalten die Träger der Sozialversicherung, zumeist die Deutsche Rentenversicherung, vor den Sozialgerichten auch noch Recht.

Abrechnung mit Krankenkassen

Auch in diesem Fall vorm LSG Baden-Württemberg: Geklagt hatte unter anderem ein Betreiber einer Physiotherapiepraxis, der mehrere freie Mitarbeiter mit einem Modell beschäftigt hatte, dass vorsah, dass die Patienten, die von den Praxisinhabern nicht übernommen wurden, von den freien Mitarbeitern kontaktiert wurden und dann in ihren Räumen behandelt wurden. Dabei wurde das Equipement der Praxis, wie Behandlungsliegen oder Trainingsgeräte von den “freien Mitarbeitern” nach Absprache genutzt. Von den Einnahmen durften die freien Mitarbeiter 70 % behalten, wobei die Abrechnung mit den Krankenkassen über das praxiseigene Abrechnungssystem erfolgte.

Tipp vom Anwalt: Wollen Sie vermeiden, dass Ihre freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer von der Sozialversicherung eingestuft werden, sollten sie mit diesen Regelungen treffen, dass diese u.a. ein Unternehmerrisiko tragen, etwa eine feste Miete – durchaus auch tageweise – für die Nutzung bestimmter Räume und Behandlungsgeräte oder eine Servicepauschale für die Abrechnung mit den Krankenkassen. Zudem sollten die freien Mitarbeiter auch selbst werbend nach eigenen Patienten suchen. Für diese sollten dann weniger oder keine Anteile abgeführt werden müssen.

Finanzielle Risiken

Für die Rentenversicherung waren diese freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen, so dass Renten- und Sozialversicherungsbeträge nachzuzahlen waren. Die DRV sah die Freien hinreichend in den Betrieb der Praxis eingebunden und insgesamt zu wenig in einer selbständigen Rolle.

Tipp vom Anwalt: Achten Sie auch bei ihrem Internetauftritt darauf, dass ihre freien Mitarbeiter genannt und ihre Leistungen beschrieben werden. Es empfiehlt sich außerdem, dass die freien Mitarbeiter eine eigene Homepage und eigene Visitenkarten besitzen.

Problem der Scheinselbständigkeit

Dass Gericht gab der Rentenversicherung in der 2. Instanz Recht und stellte die Arbeitnehmereigenschaft des vermeintlich freien Mitarbeiters fest. Das Urteils ist noch nicht rechtskräftig (LSG Baden-Württemberg vom 27.09.2021, Az.: L 4 BA 75/20).

Tipp vom Anwalt: Seien Sie Vorsichtig bei zu eigenwilligen Gestaltungen von Verträgen mit freien Mitarbeitern. Es drohen nicht nur deftige Nachforderungen der Sozialversicherungsträger, sondern es gibt auch ein nicht zu unterschätzendes Strafbarkeitsrisiko wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen.

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Senioren-WG oder quasi-stationäre Einrichtung

Die VGH-Entscheidung betrifft zwar die Anfechtbarkeit eines Prüfberichts der Heimaufsicht, dennoch enthält die Entscheidung vom 21.10.2020 Relevantes für alle Bewohner einer Senioren-WG (Az.: 12 ZB 16.268).

Strenge Vorgaben für stationäre Pflegeeinrichtungen

Dort entschied das höchste bayerische Verwaltungsgericht nämlich, dass eine Senioren- oder Pflege-WG, die eines der Voraussetzungen von Art. 2 III 3 PfleWoqG nicht erfüllt, jedenfalls als quasi-stationäre Einrichtung betrachtet werden kann. Mit heftigen Folgen: Dann unterliegt diese als nicht privilegierte ambulant betreute Wohngemeinschaft den strengen Vorgaben für stationäre Pflegeeinrichtungen mit seinen weitergehenden Prüf- und Kontrollbefugnissen.

Ambulanter Pflegedienst war Hausherr

Gewehrt hatte sich ein Pflegedienst, der den zum Teil intensivpflegebedürftigen Bewohnern eine 24-h-Betreuung zur Verfügung gestellt hatte in einer oberen Etage eines mehrstöckigen Wohngebäudes. Die WG mit 13 Mitbewohnern besaß zwar ein Selbstverwaltungsgremium, dieses traf sich aber nur selten (2x/Jahr). Eines der Zimmer war zudem als Gästezimmer, u.a. für Personal des Pflegedienstes, vorgesehen. Der Pflegedienst besaß eine Zeit lang zudem ausschließlich die Schlüssel zu der Wohneinheit und somit das Hausrecht.

Effektives Gremium der Selbstverwaltung

Tipp vom Anwalt: Nehmen sie daher die Qualität der Arbeit des Gremiums der Selbstverwaltung ernst! Diese korrespondiert mit der Intensivität der Befugnisse der Heimaufsicht – stellt quasi ihr Spiegelbild dar. Wenn das Gremium seine Aufgaben nicht erfüllen kann, dann findet etwa auch die Qualitätsanforderungen an den Betrieb für eine stationäre Einrichtung voll Anwendung. Das formale Vorhandensein eines Selbstverwaltungsgremiums ist nicht ausreichend, sondern es muss seine Aufgaben tatsächlich und effektiv ausüben! Dies ist Ausfluss des Konzepts der abgestuften Schutzwürdigkeit für derartige Wohngemeinschaften durch den Gesetzgeber.

Quasi-stationäre Einrichtung

Das Gericht stellte jedoch fest, dass kaum Anhaltspunkte für ein gemeinschaftliches Wirken, wie Kochen oder Einkaufen oder gemeinsame Freizeitaktivitäten der Bewohner gäbe. Daher diene diese WG gerade nicht dem Zweck des “Lebens in einem gemeinsamen Haushalt”. Denn die Bewohner seien ersichtlich nicht in der Lage ein Minimum an gemeinsamer Lebensführung selbst zu bewältigen. Der zu erwartende Turnus von sechs Wochen für Treffen des Gremiums der Selbstverwaltung sei auch nicht eingehalten worden und die Protokolle zeigten, dass Fragen der strukturellen Gestaltung des Tagesablaufs, der Pflege und Betreuung nicht Gegenstand der Sitzungen waren. Für das Gericht sei damit klar, dass eine sonstige ambulant betreute Wohngemeinschaft vorläge und keine priviligierte i.S.d. Art. 2 III 3 PfleWoqG.

24-Stunden-Betreuung geht nicht

Als problematisch bezeichnete das Gericht auch den Umstand, dass der ambulante Pflegedienst eine 24-h-Betreuung gewährleistete, weil bei diesem Umfang ein Gaststatus des Pflegedienstes in der WG nicht mehr gegeben sei. Vielmehr komme ihm denn die Rolle des Hausherren zu.

Hinweis: Für privilegierte ambulant betreute Wohngemeinschaften findet nur der dritte Teil des PfleWoqG sowie ergänzend die Art. 24 und 25 Anwendung. Achten sie bei Abschluss der Mietverträge und des Betreuungsdienstregelungen darauf, dass kein irgendwie gearteter Abschlusszwang etabliert wird. (hier dazu mehr).

Update zu Verwaltungsgericht Würzburg kippt generelle Maskenpflicht im Indoorspielplatz

Die Berufung des Freistaates hatte Erfolg, der tolle Erfolg für unserer Kanzlei aus der ersten Instanz ist somit wieder passé: Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte die Maskenpflicht für alle unter 15-jährigen Besucher im Spielbereich des Indoor-Spielplatzes des Atlantis in Hambach gekippt. Vorausgegangen waren dieser vorläufigen Entscheidung im Eilverfahren zwei Polizeieinsätze, wobei die Beamten die Einhaltung dieser nach Auffassung des Landratsamt Schweinfurts in der bayerischen Infektionsverordnung geregelten Maskenpflicht noch vor Ort kontrolliert hatten, ohne aber Verstöße festzustellen.

Verschärte Verwaltungspraxis

„Mir fällt ein Stein vom Herzen“, freute sich Atlantis-Geschäftsführer Sascha Jucknieß über die erstinstanzliche Entscheidung, da die verschärfte Praxis des Landratsamts Schweinfurt bereits zu zahlreichen Stornierungen geführt habe. Die Kontrolle der Maskenpflicht, insbesondere im Bereich der Trampoline und der Klettertürme, sei für das Personal auch sehr anstrengend gewesen und sei bei den jungen Besuchern nicht gut angekommen. Eine strenge Maskenpflicht bereits ab sieben Jahren, wie sie das Landratsamt gefordert hatte, war für kurze Zeit vom Tisch. Für den Freistaat, der diesem Antrag entgegengetreten war, war das zunächst eine herbe Niederlage.

Kein beengter Raum

Die Maskenpflicht für Besucher von Indoor-Spielplätzen ergebe sich, so die Richter der 8. Kammer des VG Würzburg, nicht mit hinreichender Bestimmtheit aus der Verordnung. Die dort angeordnete Maskenpflicht für Fahrgäste (§ 13) sei nicht auf die Besucher von Indoorspielplätzen zu übertragen. Bei Letzteren handele es sich zwar auch um geschlossene Räume, aber gerade nicht beengten, so dass auch der Weg der entsprechenden Anwendung der Norm verschlossen sei. Interessant war bei der Entscheidung auch, dass die Richter klarstellten, dass die diversen Rahmenkonzepte des Staatsministeriums etwa für den Bereich Tourismus nicht mittel Bußgeld bei Verletzung durchgesetzt werden dürften. Das sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof anders, der die Norm als Rechtsfolgenverweisung verstand.

Natürlicher Spieltrieb von Kindern

„Dieses Entscheidung galt ohnehin nur zwischen den Klageparteien“, erklärt der prozessführende Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur. von der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen damals. Aus der Begründung folge aber, dass die Verwaltungsrichter bei anderen betroffenen Indoorspielplätzen sogar noch weitgehender entscheiden würden. Diese Meinung ist mittlerweile durch die Berufungsentscheidung freilich überholt.

Man habe, so Richter damals – da man nicht generell gegen die Maskenpflicht sei – den Antrag aber bewusst auf die Altersklasse der 7 bis 14-Jährigen und ausschließlich auf die Spielflächen beschränkt, weil die Kinder dadurch in ihrem natürlichen Spieltrieb behindert wurden.

Bayern weites Problem

In den sanitären Anlagen und dem Gastrobereich sollen die über Sechsjährigen also weiter eine Maske tragen. Aus einer Befragung bei anderen Indoor-Spielplätzen wisse man zudem, dass andere Landratsämter sich gerade nicht der rigorosen Praxis des Schweinfurter Landratsamtes angeschlossen haben. Diese verschiedene Handhabung habe zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für Indoor-Spielplätze im Freistaat geführt. Da die Entscheidung des VGH Bayern weit gibt, müsste die unterschiedliche Verwaltungspraxis eigentlich ihr Ende finden.

Die Verwaltungsrichter hatten der Klägerseite aufgegeben binnen Monatsfrist Hauptsacheklage zu erheben. Die Entscheidung des VGH ist rechtskräftig (VGH vom 11.08.2021, Az.: 25 CE 21.2085).

Lesen Sie hier mehr zum Autor Christopher Richter, LL.M.Eur

Sozialrecht: Trotz Verfristung in die Widerspruchsfrist zurückkommen

Eine für Hartz IV-Empfänger bedeutsame Entscheidung hat das LSG Schleswig Holstein getroffen (Beschluss vom 06.05.2021, Az.: L 6 AS 64/21 ER). Demnach widerspricht eine Rechtsbehelfsbelehrung, die darüber belehrt, dass (nur) ein Rechtsanwalt die Möglichkeit habe dem Bescheid mittels einem elektronischen Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, zu widersprechen dem Gesetz. Mangelt es daran, soll nach § 66 II SGG die einjährige Widerspruchsfrist gelten (so auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 09.09.2021, Az.: L 13 AS 345/21 B ER).

Hintergrund: Seit April 2020 besteht die Pflicht der Jobcenter ein besonderes elektronisches Behördenpostfach zu führen!

Achtung: Nach dem SG Magdeburg vom 19.10.2021 (Az.: L 21 AS 1280/20) hat die Behörde im Zweifel den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsakts nachzuweisen. Daher reicht es nicht, wenn die Behörde nur die Absendung des Bescheides beweisen kann, nicht aber die Zustellen (noch nicht rechtskräftig).

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Erleichterter Zugang zur Grundsicherung in der Praxis

Es geht in diesem Beitrag ausschließlich darum zu zeigen, dass eine Kluft besteht zwischen den vollmundigen Worten von Worten von Seiten der Politik zu helfen, der Verwaltungspraxis der Jobcenter vor Ort gegenüber ihren neuen völlig unverschuldeten Hilfesuchenden und den ersten Erkenntnissen aus aktuellen Gerichtsprozessen in meiner Praxis als Hartz IV-Anwalt. Vorweggenommen: Es ist ernüchternd!

„Bazooka“ rausgeholt?

Der Bundesfinanzminister wollte gar die „Bazooka“ rausholen und alle Politiker unbürokratisch den Selbständigen helfen, die durch den Lockdown unverschuldet in Not geraten sind. In Bayern sollte mit der Kombination aus staatlichen Überbrückungshilfen[1] und einem erleichterten Zugang zum Hartz IV[2] den Unternehmen durch Übernahme von Fixkosten zum einen geholfen werden zu überleben und zum zweiten zugleich der Lebensunterhalt Selbständiger gesichert werden, dass diese nicht ihre Altersvorsorge antasten müssen. Dazu sollten Vermögen bis 60.000 € nicht mehr überprüft werden. Soweit so gut. Gut gemacht Bundesregierung, möchte man sagen.

§ 67 SGB II n.F. nur eine Erleichterung für die Jobcenter?

Nun gibt es einzelne Jobcenter, die den von der Bundesagentur zur Verfügung gestellten verkürzten Antrag gar nicht benutzen. Zurecht, wie ein Hinweis einer am Sozialgericht tätigen Richterin (Az. S 16 AS 310/20): durchblicken lässt, denn dieser Antrag soll also „nur eine Erleichterung für die Jobcenter“ darstellen, nicht für die neuen Hilfebedürftigen. Da stockt dem Hartz IV-Anwalt der Atem, denn bisher ging die Öffentlichkeit davon aus, dass die neue Schicht der Hilfebedürftigen, die erst durch die Zwangsmaßnahmen der Regierung in ihrer Existenz gefährdet wurde, besonders privilegiert sein sollte. Im Gegenteil. „Hartz IV soll nur denen helfen, die sich selbst nicht helfen können. Der Rest muss erstmal selbst schauen, wie er zurechtkommt“, betonte die Richterin.

Neuer Freibetrag für Solo-Selbständige angekündigt

Und wie ist es mit dem Schutz des Vermögens der Selbständigen? Ist nun Vermögen, dass auf den ersten Blick nicht eindeutig der Altersvorsorge dient, auch geschützt? Nein, betonte die Sozialrichterin weiter. Wenn sich das Jobcenter entschließt in die Vermögensprüfung einzutreten, dann beträgt der geschützte Bereich nicht 60.000 €, sondern weniger, möglicherweise sogar nur etwa rund 10.000 € für einen Alleinstehenden Mitte der 40er. Auch ist verblüffend, dass die von Seiten der Politik mehrfach kommunizierte zusätzliche Freibetrag von 8.000 €/Jahr der Selbständigkeit[3] für das Gericht keine Rolle spielte. Das Gericht interessierte konsequenterweise nicht, was die Politiker von Heil über Altmaier bis zu Scholz gesagt haben, denn in Deutschland, wo eine Gewaltenteilung besteht, muss grundsätzlich erstmal alles durch das Parlament beschlossen werden. Die Medien, die über die großen Ankündigungen aus der Politik berichtet haben, muss man vorhalten im Nachgang nicht nachgeprüft zu haben, ob das umgesetzt wurde oder nur heiße Luft geblieben ist. Insoweit müssen sich Teile der Medien eine Hofberichterstattung vorwerfen lassen und die Politiker, dass sie bei den Menschen falsche Vorstellungen (bis zum heutigen Tage) geweckt haben.

Erleichterter Zugang nicht vor den Sozialgerichten

Dass Hilfebedürftige weder von den Jobcentern eine erleichterte Behandlung bekommen noch vom Sozialgericht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens erlebte auch ein Soloselbständiger aus dem Raum Herford vor dem SG Detmold (S 9 AS 11/21 ER). Dort ließ sich das Gericht – auch für seine Frau und die Kinder – genau Rechnung legen. Die angeblich erleichterte Prüfung für die neuen Hilfebedürftigen aufgrund der Corona bedingten Wirtschaftskrise wurde nämlich nicht auf die Sozialgerichte erstreckt.

Kluft zwischen Ankündigungen und der Realität

So gibt es eine Menge falsche Vorstellungen, nicht umgesetzte Versprechungen und Lücken im Bereich der Corona-Sozialgesetzgebung. Für die Kluft zwischen politischen Versprechungen und der Realität sei dieses Zitat des Bundesministers für Arbeit und Soziales angeführt: „Die Leistungen der Grundsicherung werden schnell und unbürokratisch gewährt. Das hilft erst einmal, um nicht ins bodenlose zu stürzen. Wir lassen die Menschen nicht allein, der Staat kümmert sich!“[


[1] https://gruenden-schweinfurt.de/uncategorized/soforthilfen-ein-vergiftetes-geschenk/

[2]https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Anworten-zugang-sgb2/faq-zugang-sgb2.html

[3] https://taz.de/Hartz-IV-in-Coronazeiten/!5723965/#:~:text=Alleinstehende%20d%C3%BCrfen%20bis%20zu%2060.000,nochmal%208.000%20Euro%20Verm%C3%B6gensfreibetrag%20draufschlagen oder https://www.veronika-bellmann.de/grundsicherungsleistungen-fuer-solo-selbststaendige

[4]https://www.focus.de/finanzen/news/wegen-corona-krise-bundesregierung-will-bei-hartz-iv-vermoegenspruefung-aussetzen_id_11798424.html

Der Betrag enthält subjektive Auffassungen des Autors. Er stellt keine Rechtsberatung dar, sondern eine allgemeine Information. Wenn Sie Infos zu Hartz IV benötigen, empfehlen wir Ihnen die Seite https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/hartz-iv/

Kein Ersatz für Hauseigentumsmaklerkosten trotz unberechtigter Eigenbedarfskündigung

Schadensersatzpflicht nach unberechtigter Eigenbedarfskündigung

Einen unliebsamen Mieter loswerden mittels der Eigenbedarfskündigung. Zu diesem Kniff greifen nicht selten Vermieter und behaupten Familienangehörige oder sie selber würden in die vermietete Wohnung einziehen wollen. Nicht selten entspricht dies jedoch nicht ganz der Wahrheit und es zieht ein neuer familienfremder Mieter ein.

Tipp vom Anwalt: Sind sie Adressat einer Eigenbedarfskündigung geworden, dann prüfen Sie nach dem Auszug das Klingelschild, ob der Name dort die Behauptungen des kündigen Vermieters ggf. gleich widerlegt.

Gerichtlicher Vergleich mit verlängerter Räumungsfrist

Über eine derartige Konstellation hatte kürzlich der Bundesgerichtshof zu entscheiden (BGH vom 09.12.2020, Az.: VIII ZR 238/18). Dort wollte der getäuschte Mieter, der im Vorprozess einem Räumungsvergleich mit Räumungsfrist zugestimmt hatte, nun Ersatz der über 32.000 € Maklerkosten, die er aufwenden musste für den Erwerb einer Eigentumswohnung in Berlin.

Wegfall des Eigenbedarfs

Erfolglos, wie der BGH nun entschied, obwohl entgegen den Ankündigungen in der Eigenbedarfskündigung nicht die Tochter eines der Vermieter eingezogen war. Dabei betonten die Richter, dass der Hinweis auf einen Wegfall des Eigenbedarfs nur bis zum Ende der Kündigungsfrist erfolgen musste, nicht aber bis zum Ende der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist.

Tipp vom Anwalt: Wollten Sie das anders regeln, sollte im Vergleich u.a. mitaufgenommen werden, dass der Vermieter an seiner ursprünglichen Kündigung nicht mehr festhält, also ihre Rechtswirkungen rückgängig macht.

Maklerkosten für Hauserwerb vom Schadensersatz ausgeschlossen

Letztlich bekam der getäuschte Mieter die Maklerkosten für den Hauserwerb nicht ersetzt, weil diese Kosten keine äquivalente Schadensfolge des unterbliebenen Hinweises waren (Achtung: Bei Maklerkosten zum Finden einer neuen Mietwohnung dürfte dies anders sein). Denn der begehrte Ersatz für die Tatfolgen stammte nicht aus dem Gefahrenbereich zu deren Abwendung die vertragliche Pflicht übernommen wurde. Es fehlte also am “inneren Zusammenhang”.

Kein geschütztes Gebrauchserhaltungsinteresse

Denn der getäuschte Mieter war aus seiner bisherigen Mieterstellung in die eines Eigentümers gewechselt. Sein vertraglich geschütztes Gebrauchserhaltungsinteresse auf Zeit war also einer zeitlich unbegrenzten eigenverantwortlichen Nutzungs- und Verfügungsbefugnis als Eigentümer gewichen. Daher bekam er die teuren Maklerkosten nicht zugesprochen.

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Kostenübernahme für ffp2-Antrag beim Jobcenter stellen mit Muster

Muster für Kostenübernahme von ffp 2-Masken fürs Jobcenter

Nach der Sitzung des Landeskabinetts am Dienstag steht fest: In Bayern müssen Kunden und Fahrgäste ab kommenden Montag in Handel und Nahverkehr eine FFP2-Maske tragen. Die sogenannten Community-Masken, selbstgenähte Alltags- oder Behelfsmasken oder der medizinische Mund-Nasen-Schutz sind dann dort nicht mehr zulässig.

Nicht im Regelsatz

Zu kaufen gibt es FFP2-Masken u.a. in Apotheken und auch in diversen Drogeriemärkten. Die Preise variieren, der Stückpreis liegt liegt etwa zwischen drei und fünf Euro, im Mehrfach-Pack sinkt der Preis, jedoch ist das für Hartz IV-Empfänger schwer zu schultern, zumal diese Position nicht im Hartz IV-Regelsatz vorgesehen ist. Nach der Tragepflicht in Bayern sind entgegenstehende Entscheidungen, wie des SG Konstanz, die einen Mehrbedarf ablehnten, obsolet.

Muster für Antrag Kostenübernahme ffp2-Masken

Stellen Sie daher bei Ihrem Jobcenter diesen oder einen ähnlichen Antrag:

00 Musterstadt

___.04.2020, Musterstadt

Antrag auf Kostenübernahme für 12 ffp2-Masken

BG-Nummer: ________________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beantrage für mich die Übernahme der Kosten für den Kauf von 12 ffp-2-Masken.

Der Anspruch auf Übernahme dieser Kosten hat seine Grundlage in § 21 Abs. 6 SGB II.

Die ffp2-Masken werden laufend benötigt werden, wo deren Tragen Pflicht ist. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind im laufend benötigte Bedarfe ein Härtefallmehrbedarf i.S.d. §21 Abs. 6 SGB II zu BSG v. 08.05.2019 – B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R).

Der Bedarf für die genannten ffp2-Masken ist unabweisbar, da ansonsten nicht mehr eingekauft oder öffentliche Nahverkehrsmittel in Bayern benutzt werden können. Der Bedarf ist laufend, da die Pflicht ab dem 18.01.2021 besteht und ein Ende der verschärften Maskenpflicht nicht absehbar ist. Nach Empfehlungen von Experten sollen die Masken alle 2 Tage gewechselt werden, so dass der Antrag den Maskenbedarf für einen Monat für eine Person abdeckt.

Die Kosten pro Maske belaufen sich auf

……….. €

…………€ Gesamtkosten

Anbei finden Sie eine Kopie der Angebote, das die Grundlage für die Kostenaufstellung darstellt.

Ich bitte um zeitnahe Bearbeitung und vermerke mir dafür den ……..

Sollte bis zum genannten Datum der Anspruch nicht realisiert werden, bin ich leider gezwungen diesen auf dem Weg des einstweiligen Rechtschutzverfahrens geltend zu machen.

Tipp vom Anwalt: Stellen Sie jeden Monat für jede hilfsbedürftige Person Ihres Haushalts diesen Antrag.

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