„Schlamper“ kostet 350 Euro

Darf man einen  Anwalt schlampig nennen?

Einen Anwalt als Schlamper zu bezeichnen kann eine üble Nachrede darstellen und kostet 350 Euro – zumindest nach Ansicht des Amtsgerichts Schweinfurt. Unsere Kanzlei konnte eine Verfahrenseinstellung erreichen, nachdem vom Täter beim Opfer eine Entschuldigung ausgesprochen wurde, weil die Bezeichnung als “Schlamper” diesen in seinen Gefühlen und offenbar wohl auch in seiner Berufsehre verletzt hatte. Hintergrund der Anklage war ein kritischer Kommentar des damaligen Angeklagten unter einem Bericht über die Verurteilung eines AfD-Politikers, den das Opfer durch alle Instanzen als Anwalt letztlich ohne Erfolg vertreten hatte. Opfer und Täter kannten sich jedoch schon aus mehreren zivilrechtlichen Verfahren, indem das Opfer den vermeintlichen Täter erfolglos u.a. auf Unterlassung verklagt hatte.

Bei Ehrdelikten Strafantrag nötig

Bei sogenannten Ehrdelikten, wie Beleidigung oder übler Nachrede, muss jedoch neben einer Strafanzeige ein Strafantrag schriftlich erstattet werden. Ironischerweise hatte es der  in seiner Ehre verletze Anwalt nicht hinbekommen eine sichere schriftliche Strafanzeige elektronisch über bea, das besondere elektronische Postfach für Anwälte, zu stellen, wie es der BGH unter Berufung auf §32a StPO vorsieht: Wenn nicht qualifiziert signiert wird, dann muss bei bea-Einreichung zumindest durch Namensangabe am Textende einfach signiert werden. Der Antragsteller, der als Fachanwalt für Strafrecht in einer mittelständischen Kanzlei aus mehreren Berufsträgern organisiert ist, unterschrieb jedoch nicht namentlich und wählte damit gerade nicht den sichersten Weg.

Nach Ablauf Strafantragsfrist unbehebbarer Verfahrensmangel

Nachdem die Strafantragsfrist abgelaufen war, kam es auf die Frage, ob die Bezeichnung als “Schlamper” in diesem Kontext eine üble Nachrede darstellt eigentlich nicht mehr an. Es bleibt ungeklärt, ob der in seiner Ehre angegriffene Anwalt schlampig arbeitete oder nicht. Das Verfahren musste nach Ansicht der Verteidigung ohnehin wegen des unbehebbaren Verfahrensmangel eingestellt werden.

Verfahenseinstellung am Ende

Letztlich war auch dann die Staatsanwaltschaft von einer Verfahrenseinstellung zu überzeugen. Die Kosten des Verfahrens wurden dabei der Staatskasse auferlegt.

Wokeness und cancel culture schreiten voran

Fakt ist, dass bei öffentlicher Kritik im Internet generell Zurückhaltung geübt werden sollte, auch weil die Meinungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät durch eine immer „wokere“ Gesellschaft, die mit shitstorms und Unterlassungsklagen die  Meinungsfreiheit angreift.

Unsere Kanzlei unterstützt sie sowohl beim rechtlichen Vorgehen gegen Verletzer Ihrer Persönlichkeitsrechte, wie auch dann, wenn sie sich gegen den Vorwurf verteidigen müssen Jemand Anderes in seiner Ehre, ob durch Beleidigung

*Update* Laienprivileg bei Verdachtberichterstattung: Keine vorherige Stellungsnahme einzuholen durch politischen Aktivisten

 

Berufungsgericht pro Meinungsfreiheit

*Update*: Nach Ansicht des OLG Bamberg ist von der Klägerin eingelegte Berufung offensichtlich unbegründet. Das Berufungsgericht regt daher die Rücknahme der Berufung an.

Worum ging es?

Das Landgericht Schweinfurt hat eine wichtige Entscheidung für alle politischen Aktivisten und Whistleblower getroffen. Im Rahmen einer Verdachtberichterstattung ist für diese keine vorherige Stellungnahme einzuholen, sofern sie kein journalistisch-redaktionelles Angebot vorhalten (sog. Laienprivileg).

Keine Anhörung bei Verdachtberichterstattung bei Laien

Dies würde einen zu starken Eingriff in den politischen Diskurs bedeuten.
Die Klage einer Compliance-Beauftragten  einer Gemeinde gegen den Sprecher einer Bürgerentscheid auf Löschung seiner Verdachtsberichterstattung gegen sie scheiterte daher auf ganzer Linie.  Das Landgericht Schweinfurt nahm somit an, dass die neuere BGH-Rechtsprechung  zur presserechtlichen Sorgfaltspflichten im vorliegenden Einzelfall  nicht auf politische Aktivisten anwendbar ist (Urteil vom 27.7.2023, Az.: 1 0 458/22)
Keine Pflicht zur Anhörung durch politische Aktivisten

Auch ein formunwirksamer Vollstreckungsantrag wahrt die Sechsmonatsfrist des Mahnbescheides

bea-Nutzer aufgepasst: Formunwirksamkeit kann geheilt werden

Das Landgericht Coburg (Az.: 21 T 69/22) hat eine interessante Entscheidung getroffen:

Ein Antrag auf Vollstreckungsbescheid wurde kurz vor dem Wegfall der Wirkung des Mahnbescheides in einem von Mahngericht nicht akzeptierten Format übermittelt. Nach der Ablauf der Sechsmonatsfrist wurde das der Antrag auf Vollstreckungsbescheid im akzeptieren Format eingericht. Das Amtsgericht Coburg wollte die Wirkungen des Mahnbescheides entfallen lassen, auf die Beschwerde hin hat das Landgericht den Rechtsstreit ans AG zurückverwiesen, wo mittlerweile der Vollstreckungsbescheid erlassen wurde.

Landgericht verwies zurück zum Mahngericht

Aus den Gründen: “Ist ein mangelhafter Antrag fristgerecht gestellt worden, treten die Folgen des § 701 S. 1 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn der Mangel behebbar ist, auch wenn die Behebung – wie hier – erst nach Fristablauf erfolgt (Münchener Kommentar zur ZPO 6. Auflage 2020 Rdnr. 2 zu § 701; KG Berlin, Beschluss vom 25.07.2009 zu 8 W 56/09 juris; LG Frankfurt Rechtspfleger 1970, 100; LG Fulda Beck Rs 2009, 26685; Musielak ZPO Rdnr. 2 zu § 701 ZPO). “

hier geht es zu der Entscheidung:  21_T_69_22_Abschrift_Beschluss_LG_Coburg_v_22_12_2022_

Kein vollständiger Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit im Formularmietvertrag

AG Landsberg: Vollständiger Kündigungsausschluss war unwirksam

Das AG Landsberg am Lech hat eine interessante Entscheidung getroffen: Unklarkeiten bei einem Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag gehen zu Lasten des verwendenden Vermieters. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.

Aus dem Urteil: “Zwar ist grundsätzlich ein beiderseitig befristeter Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag möglich und kann wirksam vereinbart werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in dem Kündigungsausschluss gerade nicht aufgeführt ist, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen bleibt. Dieses kann jedoch nicht wirksam ausgeschlossen werden. Eine geltungserhaltende Reduktion ist insoweit nicht möglich, sodass auch aus diesem Grund die Klausel unwirksam ist. Damit lag ein unbefristetes Mietverhältnis vor, welches jederzeit von Mietersete ordentlich kündbar war.”

Hier geht es zur Entscheidung: 

1_C_242_22Urteil_AG_Landsberg_am_Lech_v_14_02_2023_47492i

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WEG: Anspruch auf Beschlussersetzung – auch nur für eine Klarstellung!

Zum Erfolg mit dem Hilfsantrag

Eine interessante Entscheidung hat der BGH kürzlich wieder zum Übergangsrecht zwischen alten und neuem Recht im Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen.

Austausch der Terrassentür

Vorausgegangen ist dem ein langjähriger Streit zwischen einem Bewohner im Erdgeschoss mit den anderen Wohnungseigentümern. Stein des Anstoßes war die Auswechslung seiner ebenerdigen Terassentür durch eine mit einer Schwelle. Hierzu wurde Anfang des Jahres 2017 zunächst durch die Eigentümerversammlung ein Beschluss gefasst, dass dei Eigentümergemeinschaft beauftragt wird drei Angebote für die Erneuerung der Terassentür einzuholen, die der bisherigen optisch entspricht. Mitte des Jahres fiel aber der Antrag des Klägers durch, dass der Verwalter beauftragt wird nur Angebote für eine ebenderdige und abschließbare Tür einzuholen. Hiergegen richtete die Klage des im  Erdgeschoss lebenden Klägers.

Beschlussersetzung durch WEG-Gericht

Der Kläger wollte daher einen Beschluss herbeiführen, dass der Verwalter nur, wie von ihm begehrt,  Angebote für eine ebenerdige Tür einholt und im Hilfsantrag, dass das Gericht eine in seinem Ermessen liegende Entscheidung trifft, dass die notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden. Der BGH war anders also die Vorinstanzen der Auffassung, dass die Klage trotz neuem Recht weiter gegen die übrigen Wohnungseigentümer und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) zu richten war (arg.: § 48 V WEG analog).

Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) zuständig für Beschlussumsetzung

Nach neuen Recht ist nunmehr die  GdWE zuständig für die Beschlussumsetzung, nicht mehr der Verwalter, der nur ihr Organ ist. Die Beschlussersetzung dient der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung gem. § 18 II WEG. Die Klage sahen die Richter aber im Hauptantrag gleichwohl für unbegründet an, weil der begehrte  Beschluss tatsächlich vorlag, es aber nur Streitigkeiten um die Umsetzung gab. Es gibt aber nur im Ausnahmefal einen mit Mehrheit beschlossenen Beschluss abzuündern.

Bei Streit Anspruch auf klarstellenden Beschluss

Allerdings hatte der Hilfsantrag auf Beschlussersetzung hinsichtlich des zweiten, des Ablehnungsbeschlusses, Erfolg.Den hier wurde der klägerische Antrag in der Wohnungseigentümerversammlung schließlich abgelehnt und der Kläger nach dem BGH einen Anspruch auf einen klarstellenden Beschluss hat, weil über den Inhalt des vorherigen Beschlusses zwischen den Beteiligten Streit bestünde. Ausnahmsweise war es daher auch unschädlich, dass die GdWE noch nicht mit dem begehrten Beschluss vorberfasst war.

Anwaltlicher Tipp: Stellen Sie daher Hilfsanträge. Es ist erstaunlich, dass der BGH diesem recht unbestimmt daherkommenden Hilfsantrag durch Auslegung als Beschlussersetzungsbegehren auf Klarstellung zum Erfolg hat kommen lassen. Daran werden sich die Instanzgerichte künftig messen lassen müssen.

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AG Würzburg: Mietschuldennachzahlung heilt auch ordentliche Kündigung

Das Amtsgericht Würzburg hat unter dem 25.08.2021 (Az.: 13 C 1183/21) eine mieterfreundliche Entscheidung getroffen. Im dortigen Verfahren hatte ein Vermieterehepaar einer Wohngemeinschaft fristlos und hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzuges gekündigt, nachdem zunächst zwei Monatsmieten nicht gezahlt wurden. Obwohl die Beklagten die Mietschulden nachgezahlt hatten, hatte die Vermieterseite Räumungsklage erhoben, die nun vom Amtsgericht Würzburg abgewiesen wurde.

Gerechtigtkeitsdefizit für den Mieter, der nachzahlt

Nach Ansicht des Gerichts war die nachträgliche Zahlung der Miete bei der Prüfung, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, zu berücksichtigen. Das Gericht stellte ein Gerechtigkeitsdefizit, welches aus einer blinden Anwendung der BGH-Rechtsprechung zur Nichterstreckung einer Heilung nach § 569 BGB der nachträglichen Zahlung auch auf den Wegfall der ordentlichen Kündigung folge. Nämlich dergestalt, dass derjenige Miete, der ausgleicht “hinterher doch der Dumme ist”, wenn der Vermieter auf die ordentliche Kündigung beharrt.

AG Würzburg schloss sich Tendenz der Instanzgerichte an

Das AG Würzburg folgt daher einer Tendenz erst- und zweitinstanzlicher Gerichte (z.B. LG Berlin, Urteil vom 28.09.2018, 65 S 97/18 sowie vom 30.03.2020, Az.: 66S 293/19, AG Mannheim vom 03.04.2019, Az.: 4 C 4743/18 und AG Rheine vom 16.05.2019, Az.: 10 C 234/18). Das Gericht hatte bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass das Mietverhältnis bereits langjährig bestand und die Mietschulden recht unverzüglich nachgezahlt wurden.

Berufungsinstanz hat nun zu entscheiden

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerseite hat Berufung eingelegt (42 S 1589/21)

Update zu Verwaltungsgericht Würzburg kippt generelle Maskenpflicht im Indoorspielplatz

Die Berufung des Freistaates hatte Erfolg, der tolle Erfolg für unserer Kanzlei aus der ersten Instanz ist somit wieder passé: Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte die Maskenpflicht für alle unter 15-jährigen Besucher im Spielbereich des Indoor-Spielplatzes des Atlantis in Hambach gekippt. Vorausgegangen waren dieser vorläufigen Entscheidung im Eilverfahren zwei Polizeieinsätze, wobei die Beamten die Einhaltung dieser nach Auffassung des Landratsamt Schweinfurts in der bayerischen Infektionsverordnung geregelten Maskenpflicht noch vor Ort kontrolliert hatten, ohne aber Verstöße festzustellen.

Verschärte Verwaltungspraxis

„Mir fällt ein Stein vom Herzen“, freute sich Atlantis-Geschäftsführer Sascha Jucknieß über die erstinstanzliche Entscheidung, da die verschärfte Praxis des Landratsamts Schweinfurt bereits zu zahlreichen Stornierungen geführt habe. Die Kontrolle der Maskenpflicht, insbesondere im Bereich der Trampoline und der Klettertürme, sei für das Personal auch sehr anstrengend gewesen und sei bei den jungen Besuchern nicht gut angekommen. Eine strenge Maskenpflicht bereits ab sieben Jahren, wie sie das Landratsamt gefordert hatte, war für kurze Zeit vom Tisch. Für den Freistaat, der diesem Antrag entgegengetreten war, war das zunächst eine herbe Niederlage.

Kein beengter Raum

Die Maskenpflicht für Besucher von Indoor-Spielplätzen ergebe sich, so die Richter der 8. Kammer des VG Würzburg, nicht mit hinreichender Bestimmtheit aus der Verordnung. Die dort angeordnete Maskenpflicht für Fahrgäste (§ 13) sei nicht auf die Besucher von Indoorspielplätzen zu übertragen. Bei Letzteren handele es sich zwar auch um geschlossene Räume, aber gerade nicht beengten, so dass auch der Weg der entsprechenden Anwendung der Norm verschlossen sei. Interessant war bei der Entscheidung auch, dass die Richter klarstellten, dass die diversen Rahmenkonzepte des Staatsministeriums etwa für den Bereich Tourismus nicht mittel Bußgeld bei Verletzung durchgesetzt werden dürften. Das sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof anders, der die Norm als Rechtsfolgenverweisung verstand.

Natürlicher Spieltrieb von Kindern

„Dieses Entscheidung galt ohnehin nur zwischen den Klageparteien“, erklärt der prozessführende Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur. von der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen damals. Aus der Begründung folge aber, dass die Verwaltungsrichter bei anderen betroffenen Indoorspielplätzen sogar noch weitgehender entscheiden würden. Diese Meinung ist mittlerweile durch die Berufungsentscheidung freilich überholt.

Man habe, so Richter damals – da man nicht generell gegen die Maskenpflicht sei – den Antrag aber bewusst auf die Altersklasse der 7 bis 14-Jährigen und ausschließlich auf die Spielflächen beschränkt, weil die Kinder dadurch in ihrem natürlichen Spieltrieb behindert wurden.

Bayern weites Problem

In den sanitären Anlagen und dem Gastrobereich sollen die über Sechsjährigen also weiter eine Maske tragen. Aus einer Befragung bei anderen Indoor-Spielplätzen wisse man zudem, dass andere Landratsämter sich gerade nicht der rigorosen Praxis des Schweinfurter Landratsamtes angeschlossen haben. Diese verschiedene Handhabung habe zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für Indoor-Spielplätze im Freistaat geführt. Da die Entscheidung des VGH Bayern weit gibt, müsste die unterschiedliche Verwaltungspraxis eigentlich ihr Ende finden.

Die Verwaltungsrichter hatten der Klägerseite aufgegeben binnen Monatsfrist Hauptsacheklage zu erheben. Die Entscheidung des VGH ist rechtskräftig (VGH vom 11.08.2021, Az.: 25 CE 21.2085).

Lesen Sie hier mehr zum Autor Christopher Richter, LL.M.Eur

SG Frankfurt: Kein Mehrbedarfanspruch wegen Corona

Muss Jobcenter im Einzelfall für Corona-Test zahlen?

Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt (Main) muss das Jobcenter weder die Kosten für einen Corona-Test noch einen Mehrbedarf für erhöhter Ernährungskosten wegen der Corona-Krise gewähren. Damit setzen Sozialgerichte ihre harte Linie gegenüber Altfällen im SGB II fort.

hier zur Entscheidung des SG Konstanz

Was war passiert? Der 45-jährige Hartz IV-Empfänger hatten in einem gerichtlichen Eilverfahren verlangt, das Jobcenter zur vorläufigen Übernahme der Kosten eines Corona-Tests in Höhe von 200,00 EUR zu verpflichten. Zudem wollte er einen Mehrbedarf in Höhe von 100,00 Euro für höhere Ernährungskosten wegen der Corona-Krise.

Anders für Mitglieder einer Risikogruppe?

Mit diesem Ansinnen ist er jetzt gescheitert. Das Sozialgericht lehnte seinen Eilantrag mit der Begründung ab, dass das Jobcenter nicht der zuständige Leistungsträger sei, sondern die gesetzliche Krankenversicherung. Der Antragsteller gehöre nach eigenen Angaben auch nicht zu einer Risikogruppe. Daher sei der Test für ihn nicht notwendig. Der Kläger habe folglich keinen Anspruch darauf, besser gestellt zu werden als andere gesetzlich  Krankenversicherte.

Ohne Engpässe kein  Anspruch für Mehrbedarf für Nahrung

Das Sozialgericht Frankfurt hat den Eilantrag des Antragstellers auh in einem weiteren Punkt abgelehnt: Im Hinblick auf das Ziel das Jobcenters zur vorläufigen Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe von 100,00 EUR für Ernährungskosten, die durch die Corona-Krise erhöht seien, zu verurteilen. Die Begründung entspricht der Begründung des Sozialgerichts Konstanz (Link oben): Der Antragsteller könne den Erwerb von Lebensmitteln nämlich aus seinem Regelbedarf bestreiten, auch in der derzeitigen coronabedingten Krise, so der Richter. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs lägen nicht vor. Der Antragsteller habe zwar behauptet, dass er als Hartz IV-Empfänger Schwierigkeiten habe, sich zu ernähren. Tatsächlich bestünden  bei Verbrauchsgütern und Lebensmitteln keine Versorgungsengpässe. Dies gelte auch für solche Waren und Lebensmittel, deren Erwerb Bezieher von Grundsicherungsleistungen aus dem Regelbedarf bestreiten müssen.

Mehr Infos zum Thema Hartz IV hier

Corona-Entscheidung des SG Konstanz: Kein Anspruch auf Zuschlag für Notbedarf

Anspruch auf Corona-Notbedarfszuschlag?

In vielen Beiträgen wird Hartz IV-Empfängern empfohlen einen Antrag auf Mehrbedarf wegen der Corona-Krise zu stellen. Zumindest das SG Konstanz hat in einer Eilentscheidung diesem Ansinnen nun einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Der klagende 1955 geborene Antragsteller hatte sich mit Schreiben vom 28. Februar 2020 an sein Jobcenter gewandt und beantragte unter Hinweis auf die Corona-Pandemie zusätzliche Leistungen für eine Notbevorratung von Lebensmitteln für etwa zehn Tage, für eine Mundschutzmaske und für Desinfektionsmittel. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 2. März 2020 mit der Begründung abgelehnt, es handle sich um keine Leistung des SGB II. Widerspruch war nicht erhoben worden.

Notbevorratung für Toilettenpapier, Nudeln und Mehl

Drei Wochen später beantragte der Kläger einen Vorschuss seines Arbeitslosengeldes II für die gewünschte Notbevorratung. Zur Begründung führte er aus, er habe in den Supermärkten einen regelrechten Ansturm erlebt.  Wir kennen das alle: Vor allem Toilettenpapier, Nudeln oder Mehl sind kaum mehr zu bekommen. Dennoch lehnte das Jobcenter die Gewährung eines Darlehens für eine Lebensmittelbevorratung mit der Begründung ab, die beantragte Leistung sei durch den Regelbedarf abgedeckt.

Hamsterkäufe führen zu Knappheit

Ende März 2020 hatte der Antragsteller Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht gestellt. Zur Begründung führt er aus, durch den Corona-Virus sei es zu einer bundesweltweiten Krise gekommen. Durch “Hamsterkäufe” sind in den Supermärkten billige Produkte an Grundnahrungsmitteln wie Reis, Nudeln, Feuchttüchern, Fleisch, Konserven, Seife und Toilettenpapier ausverkauft. Viele Bürger sind gezwungen, teurere Produkte zu kaufen. Statt einer 500 g-Packung Nudeln für 0,45 EUR musste er zuletzt eine Packung für 2,70 EUR kaufen müssen. Preise wie 2,40 EUR für eine Salatgurke oder 1,00 EUR für eine einzelne Orange seien vor kurzem im Discounter noch undenkbar gewesen. Hygieneartikel und spezielle Schutzmasken bzw. -kleidung sind  auf dem freien Markt zu den gewohnten Preisen auch nicht mehr zu beschaffen.

“Prepper” nun überall

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rate zu einer Notbevorratung von Lebensmittel und Wasser für mindestens zehn Tage, was mehrere hundert Euro koste. Und komme es tatsächlich zu einer “häuslichen Quarantäne”, dürften infizierten Verdachtsfälle ihre Wohnung mindestens 14 Tage lang nicht verlassen und keinen direkten Kontakt zur Außenwelt haben. Infizierten Verdachtsfällen werde seitens der Regierung geraten, ggf. Freunde und Verwandte zu bitten, ihnen Lebensmittel vor die Türe zu stellen. Im besten Fall ernährten sich Betroffene von ihren Notvorräten.

SG Konstanz: Kein Anspruch auf Mehrbedarf fürs “Hamstern”

Die hier allein in Frage kommenden Mehrbedarfe betreffen nach § 21 Abs. 1 SGB II Bedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 7 SGB II, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. Näher zu prüfen ist dabei nur ein Leistungsbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Handelt es sich hingegen nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf, kann nach § 24 Abs. 1 SGB II ein Darlehen für einen vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarf gewährt werden.

Eine Frage der Eigenverantwortung

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät zwar in der Tat zu einem Notvorrat an Lebensmitteln und Getränken für 14 Tage, es handelt sich jedenfalls um keinen unabweisbaren Bedarf, für den das Jobcenter gesondert Leistungen als Zuschuss bzw. Darlehen zu erbringen hätte. Vielmehr liegt eine solche Bevorratung im Bereich der eigenverantwortlichen Entscheidung jedes Bürgers.

Notvorrat aus dem Regelsatz aufbauen?

Dem Leistungsberechtigten ist es, wenn er sich für einen solchen Notvorrat entscheidet, zumutbar, diesen zeitlich gestaffelt aufzubauen und nach und nach aus den ihm gewährten Regelleistungen zu bezahlen. Auf der anderen Seite ist es ihm möglich, Lebensmittel und sonstige Produkte aus dem Notvorrat, deren Haltbarkeit abläuft, nach und nach zu verbrauchen und dadurch Aufwendungen für ihren Ersatz auszugleichen.Etwas Anderes folge auch nicht aufgrund der Einschränkungen, welche die Corona-Pandemie aktuell für die deutsche Bevölkerung mit sich bringt.

 “Corona kein Anlass für hamstern”

Nach der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 17. März 2020 (in der Fassung vom 28. März 2020) bestehen zwar Einschränkungen für den Aufenthalt im öffentlichen Raum (§ 3 der Verordnung). Eine allgemeine Ausgangssperre ist jedoch nicht angeordnet worden. Zu den weiterhin geöffneten Einrichtungen gehören der Einzelhandel für Lebensmittel und Getränke einschließlich Bäckereien, Metzgereien, Hofläden, weiterhin Wochenmärkte sowie Apotheken und Drogerien (§ 4 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 6 der Verordnung). Damit ist es möglich, regelmäßig einkaufen zu gehen und den Bedarf an Lebensmitteln und weiteren wichtigen Gegenständen des täglichen Bedarfs zu decken, so der Richter. Niemand sei daher gezwungen, allein aufgrund der Corona-Pandemie Vorräte anzulegen, die über dasjenige hinausgehen, was in einem Haushalt auch sonst üblich ist.

Situation für Hartz IV-Empfänger bei Ausgangssperre

Auch bei einer Verschärfung der Hygienemaßnahmen spreche nichts dafür, dass Menschen das Haus nicht mehr verlassen dürfen, um Lebensmittel einzukaufen. So ist es in Ländern, deren Beschränkungen derzeit weitergehen noch  möglich, Einkäufe für den persönlichen Bedarf vorzunehmen und dafür aus dem Haus zu gehen.

 Notvorberratung bei “häuslicher Quarantäne”

Wenn man sich  abgesondert in der  Wohnung aufhalten muss (“häusliche Quarantäne”) aufgrund einer entsprechenden Anordnung der hierfür zuständigen Behörden bzw. Gesundheitsämtern wegen eine Infektion oder zumindest den konkreten Verdacht hätte im Gegenzug auch Anspruch gegen die Behörde ihm die notwendigen Lebensmittel zu lassen. Diese, jedenfalls die allgemeinen Ordnungsbehörden, stehen dann in der Pflicht, die abgesonderten Personen mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen, so dass Gericht. Ein unabweisbarer Mehrbedarf besteht auch nicht, weil Lebensmittel infolge der Corona-Pandemie allgemein teurer geworden sind.

Versorgungsprobleme aufgrund logistischer Probleme

Die Handelsketten versichern, dass dies an noch nicht angepassten logistischen Abläufen liegt. Es liegen explizit keine Versorgungsprobleme vor, die Versorgung mit Lebensmitteln ist weiterhin gesichert. Der Handel hat zugesichert, auf die verstärkte Nachfrage zu reagieren und das Sortiment aufzustocken.” Auch nach den Angaben der Bundesregierung sei die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland gesichert. Das schließe nicht aus, dass in einzelnen Geschäften, an einzelnen Tagen bestimmte besonders nachgefragte Lebensmittel ausverkauft sind.

Kartoffeln statt Nudeln, Masken einfach selber basteln

Dem Antragsteller ist es aber in einem solchen Fall zuzumuten, für eine kurze Zeit auf andere Lebensmittel, etwa auf Kartoffeln statt Nudeln, auszuweichen oder auf andere Geschäfte bzw. Einkaufsmöglichkeiten als die gewohnten zurückzugreifen. Zusätzliche Aufwendungen für Hygiene (Seife, Reinigungs-, Desinfektionsmittel) sowie auf Schutzmasken und Schutzkleidung seien kein unabweisbarer Bedarf.  Angesichts der Corona-Pandemie wird allgemein empfohlen, Abstand von anderen Personen zu halten, Berührungen zu vermeiden, bestimmte Regeln beim Husten und Nießen einzuhalten und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Die Aufwendungen für Seife und vergleichbare Reinigungsmittel sind im Regelbedarf enthalten, so das Gericht. Schutzmasken, die ihren Träger wirksam vor Corona-Viren schützen (sog. FFP3-Masken), oder gar spezielle Schutzkleidung sind derzeit im allgemeinen Handel kaum erhältlich.  Schutzmasken, die dem FFP3-Standard nicht entsprechen und teilweise selbst aus Stoff hergestellt werden können, dienen dem Schutz anderer vor einer möglichen Infektion durch den Verwender der Maske.

Maskenpflicht

Die Verpflichtung, diese zu tragen, wird derzeit öffentlich diskutiert, ist aber bisher nicht umgesetzt worden. Unabhängig hiervon ist angesichts der Verpflichtung großer Teile der Bevölkerung zum Tragen solcher Masken in der Öffentlichkeit nicht zu erkennen, dass Anforderungen gestellt werden, die den Bürgern übermäßige Kosten auferlegen. Harzt IV-Emfänger können ihre Ausgaben umschichten, im Übrigen seien aus Baumwolle selbst geschneiderte Masken, Schals, Tücher, Buffs etc. ausreichend zum Schutz.

Tipp vom Anwalt: Dies ist noch eine Einzelentscheidung eines einzelnen Sozialgerichts ohne bundesweite Bindungskraft. Kämpfen Sie daher weiter um Ihre Rechte!

Mehr Infos unter: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/hartz-iv/

Hartz IV trotz Knast

Hartz IV

Ein Strafgefangener, dessen Haft aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes und Kur unterbrochen wird, hat unter Umständen einen Anspruch auf Hartz IV. Dabei bleibt das Jobcenter grundsätzlich zuständig, wo der Gefangene seine Regelmaßvollzug verbüßt, auch wenn seine Krankheit für längere Zeit in einem anderen Jobcenterbezirk behandelt wird (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 26.02.2019, Az.: L 11 AS 474/17).

Obdachlose wohnen nicht, sondern werden untergebracht

Unterbringung von Obdachlosen von Teilungserklärung nicht ausgeschlossen

Dass auf die Formulierung des Nutzungszwecks in der Teilungserklärung des Wohnungseigentums besondere Sorgfalt gelegt werden muss, wurde schon in anderen Beiträgen erklärt.

Dass die klagende WEG-Eigentümergemeinschaft aus Berlin  vor dem Bundesgerichtshof auf die Nase gefallen war mit ihrer Klage einem ihrer Mitglieder die gewerbliche Vermietung an eine Einrichtung, die Obdachlose tageweise unterbringt, zu verbieten, überraschte daher nicht (BGH vom 08.03.2019, Az.: V ZR 330/17).

Lesen Sie hier mehr, zur Kündigung des Mietverhältnisses bei zweckfremder Nutzung des Untervermieters im Gegensatz zur Teilungserklärung

Teilungserklärung enthielt Verbot des Wohnens

Zunächst wollte die Klägerin mit Verweis auf die Teilungserklärung der Einrichtung die Vermietung verbieten, weil der Teilungszweck das Wohnen ausgeschlossen hatte. In der Teilungserklärung wurde sogar die Nutzung als “Laden” festgeschrieben. Für die Richter war aber dieserZweck aber zu unbestimmt.

Wegen heimähnlicher Struktur kein Wohnen

Die Unterbringung von Obdachlose auch nicht dem  Bereich Wohnen zuzuordnen, sondern vielmehr eine Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung. Denn anstelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises trete eine heimähnliche Struktur mit der Zuweisung von Schlafplätzen, bestimmten Verhaltensregeln im Hinblick auf Ruhezeiten sowie die Nutzung der gemeinschaftlichen Küchen- und Sanitäreinrichtungen etc.

Tipp vom Anwalt: Daher ist auch die professionelle Unterbringung von Flüchtlingen durch Gemeinden keine dem Wohnen zuzuordnende Nutzung. Je nach der Art der Einrichtung, der baulichen Gestaltung und Beschaffenheit der Einheit kann eine derartige Nutzung aber im Einzelfall doch gegen den Zweck in der Teilungserklärung verstoßen. Lassen Sie sich bei Fragen anwaltlich beraten!

Unterlassensbegehren gegen Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft nicht erfolgreich

Auch der   Hilfsantrag, nämlich dass die Beklagte alles Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen habe, das eine Überlassung  zu Unterkunftszwecken an Obdachlose unterbleibe, scheiterte.Der BGH nutzte den Antrag, um einen Grundsatzstreit zu klären: Auch aus dem Charakter einer Anlage und den prägenden örtlichen Verhältnissen kann eine sich eine formal im Rahmen der Zweckbestimmung haltende Nutzung generell nicht mehr verhindern lassen.

Tipp vom Anwalt: Verstoßen die untergebrachten wohnungslosen Personen hingegen gegen das Rücksichtnahmeverbot kann ein in seinem Sondereigentum betroffener Eigentümer vom Störer und dem Vermieter verlangen, dass die konkrete Beeinträchtigung unterlassen wird. Dies kann dann auch durch eine Unterlassensklage und wenn gar nichts fruchtet durch die Entziehungsklage  durchgesetzt werden.

Hier geht es zu unserem Ressort WEG-Recht

Vermieter muss Internetanschluss dauerhaft gewährleisten

Neue Vermieterpflicht: Signalübertragung dauerhaft gewährleisten!

Dieses Urteil ist für Mieter Gold wert: Ein Vermieter muss dauerhaft gewährleisten, dass die Wohnung mit Telefon und Internet versorgt wird, wenn beim Einzug eine Telefondose vorhanden war. Dies gilt selbst dann, wenn der Mietvertrag dazu schweigt.

Gesamtschuld Vermieter mit Telefonunternehmen

Diese für Mieter wichtige Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nicht nur kürzlich getroffen (Urteil vom 05.12.2018, Az.: VIII ZR 17/18), sondern zugleich festgestellt, dass es auch unerheblich ist für diese Pflicht des Vermieters, wenn der Mieter im Hinblick auf die Verkabelung gegen das Telefonunternehmen Ansprüche hat, weil dann nur eine gesamtschuldnerische Verpflichtung vorläge. Der Mieter kann sich seinen Gläubiger also aussuchen!

Instandhaltungspflicht auch für defekte Leitung außerhalb Mietwohnung

Wenn die defekte Leitung außerhalb des Mietobjekts liegt, rechtfertigt das genauso wenig eine Leistungsverweigerung des Vermieters, wie der Umstand, dass verschiedene Gerichte bei einem derartigen späteren Defekt nur eine Pflicht des Vermieters zur Duldung der Reparatur durch den Mieter angenommen hatten. Dieser Rechtsprechung hat der BGH jetzt den Boden entzogen und betont, dass den Vermieter aus § 535 I 2 BGB  die Pflicht trifft die Signalübertragung eines bestehenden Anschlusses dauerhaft zu gewährleisten.

Von den Tücken von EXW im Logistikbereich


„Vertragsloser Absender“ scheiterte mit Schadensersatzforderung vor Handelskammer

International aufgestellte Diebes- und Betrügerbanden sind schon seit Jahrzehnten ein Problem in der Logistikbranche. Dieser aktuelle grenzüberschreitende Fall gegen ein großes deutsches Logistikunternehmen zeigt das Dilemma für Verkäufer einmal mehr.

Ladungsdiebstahl im großen Stil

Da versuchte eine italienische Großhändlerin erfolglos einen Schadensersatzanspruch gegen ein großes deutsches Logistikunternehmen durchzusetzen, nachdem ihr über eine Tonne Lithium-Batterien entwendet wurden. Dies lief so ab, dass Betrüger 1) unter falschem Namen und Identität zunächst die Batterien für ein Unternehmen in Frankreich in der Nähe der italienischen Grenze bestellte und die Klägerin diese dann gemäß den vereinbarten Incoterms „ex works“ (EXW) von Italien aus dorthin  liefern sollte.

Incoterms wurden verwendet

Kurz vor dem Transport änderte die Verkäuferin jedoch die Lieferadresse und hab als neues Ziel ein Gewerbegebiet in London an. Über Unterfrachtführer gelangte die Ware im Wert von fast 50.000 € schließlich in einen Vorort von London und war dann nie mehr gesehen. Als die italienische Klägerin den Schaden zuzüglich des entgangenen Gewinns von wohl an die 9000 € der vermeintlichen Verkäuferin in Rechnung stellte, flog der Schwindel auf. Die Verkäuferin versuche aber nun sich bei der Logistikerin schadlos zu halten,  die Logistikerin hingegen meinte, der Klägerin stünde gegen sie kein Schadensersatzanspruch zu.

Keine Obhut beim Spediteur

Zurecht, wie die Handelskammer des LG Saarbrücken jetzt der beklagten Spedition Recht gab (Urteil vom 27.06.2018, Az.: 17 HK O 9/16). Die Klage sei aus mehreren Gründen unbegründet, so die Richter. Zum einen seien die von der Klägerin behaupteten italienischen und englischen Normen, nach der die Logistikerin nach Einschätzung der Anwälte der italienischen Händlerin haften solle, gar nicht einschlägig. Sondern ganz einfach Art. 17 CMR, wonach die beklagte Logistikerin aber nicht hafte, da die Unter(unter)frachtführerin Obhut gehabt habe, aber nicht sie. Eine Pflichtverletzung der Unterfrachtführerin, die der Beklagten zuzurechnen sei, sei aber auch nicht erkennbar. Es falle in den Risikobereich der Verkäuferin, dass sie einem solchen Betrüger aufgesessen sei.

Vorkasse oder Akkreditiv

Tipp vom Anwalt: Verifizieren Sie, zumindest bei größeren Aufträgen, bei Neukunden immer deren Identität und sichern sie sich Ihren Kaufpreisanspruch durch Vorauskasse oder Einschaltung eines Akkreditivs. Aber passen Sie auf: Weist der Verkäufer gegenüber der Bank nicht rechtzeitig die notwendigen Lieferunterlagen vor,  so schauen Sie als Verkäufer bei der Zahlung des Kaufpreises am Ende gleichwohl in die Röhre!

CMR oft anwendbar auf Transporte zwischen CMR-Mitgliedsstaaten ohne Rechtswahl

Weil Deutschland und Italien Mitgliedsstaaten der CMR sind und die beklagte Logistikerin den Haupt- oder Zweigsitz im Raum um Saarbrücken hatte, konnte vor deutschen Gerichten geklagt werden. Mangels getroffener Rechtswahl kam nach Einschätzung des Handelsgerichts auch die CMR zur Anwendung.  Denn da der Frachtvertrag nicht zwischen Händlerin und Logistikunternehmen geschlossen wurde, sondern zwischen Betrüger 2) und der Logistikerin kam über Art. 5 Rom I, weder englisches Recht, noch über Art. 4 Rom II italienisches Recht – der Frachtvertrag war zwar als Vertrag zugunsten eines Dritten, hier der italienischen Verkäuferin, ein außervertragliches Schuldverhältnis – jedoch konnte keine unerlaubte Handlung durch die Logistikerin festgestellt werden.

Verkäuferin war Opfer von Betrügerbande

Es blieb also bei der Anwendung der CMR, da der Transport grenzüberschreitend zwischen zwei CMR-Staaten erfolgte und die Klägerin als „vertragslose Absenderin“ sich ohnehin nicht auf diesen Schadensersatzanspruch nicht berufen könne. Ihr fehle die sogenannte Aktivlegitimation trotz eines Eintrags der Spedition als Partei im Frachtbrief.

Beweiswirkung des Frachtbriefes widerlegbar

Denn dessen Beweiswirkung könne und wurde vorliegend widerlegt. Da die Ware „ex works“, also ab Werk, verkauft worden war, stand die frachtrechtliche Verfügungsgewalt über die Waren mit deren Übernahme ausschließlich der angeblichen Käuferin zu. Eine der Hauptfrachtführerin zurechenbare Pflichtverletzung der Unterfrachtführerin wollten die Handelsrichter auch nicht erkennen, denn der Transport an sich wurde ja ordnungsgemäß zum bestimmungsgemäßen Empfangsort durchgeführt. Die einzige gerichtlich festgestellte unerlaubte Handlung war jedoch der Abschluss des Kaufvertrages durch einen betrügerischen Käufer. Das Gericht stellte eine kluge Überlegung an: Hätte die Betrügerbande selber die Ware vom Werk abholen lassen, dann wäre der Schaden genauso entstanden, wenn die Betrüger das Logistikunternehmen nicht zwischengeschaltet hätten. Das Sicherungsmittel der klagenden Händlerin war also schon in dem Moment „entwertet“, als sie es aus der Hand gegeben hatte.

Verlust der frachtrechtlichen Verfügungsgewalt beachten

Tipp vom Anwalt: Die EXW beschränkt zwar die Verpflichtungen für den Verkäufer  erheblich, jedoch er verliert dann in der Regel die frachtrechtliche Verfügungsgewalt und ist kein Absender mehr. Nach EXW bleiben nämlich alle transportbezogenen und logistischen Fragen (und die damit verbundenen Kosten) der Klärung durch den Warenkäufer überlassen. Nicht der Verkäufer, sondern der Käufer beauftragt schließlich vertraglich das Transportunternehmen. Im Gegenzug besteht für den Verkäufer das Risiko, dass er weder den Beladevorgang seiner Ware noch die Zuverlässigkeit und Professionalität des Transporteurs kontrollieren kann. Und beim Verladevorgang ist der Käufer im Regelfall nicht mit dabei. Häufig springt gleichwohl der Verkäufer ein und verlädt die Ware für den Käufer mit firmeneigenen Geräten und Hilfsmitteln auf das Transportfahrzeug. Diese Gefahren sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, vor Benutzung der EXW-Klausel.

Lesen Sie hier diesen Rechtstipp zum Verhalten an der Laderampe: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/wp-content/uploads/2017/06/Newsletter15-2.pdf

Im Schiffsverkehr stehen Alternativen bereit

Der Verkäufer verstößt also gegen die vereinbarte Vertragsklausel EXW verstößt und setzt sich möglicherweise zugleich einer Vielzahl von Haftungsrisiken aussetzt.  Im Schiffsverkehr können die ICC-Vertragsformeln FCA (frei Frachtführer) oder FOB je nachdem eine Alternative darstellen.

Hier geht es zu unserem Ressort https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/transport-und-speditionsrecht/

Schadensersatz wegen Nichtaufklärung über Sozialbindung einer Wohnung

Sozialbindung als Rechtsmangel

Ein Verkäufer hat seinen Käufer darüber aufzuklären, wenn eine Wohnung wegen der Förderung aus öffentlichen Mitteln der Sozialbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) unterliegt. Diese Bindung hat zur Folge , dass eine Kostenmiete zu ermitteln ist und grds. nur Mieter mit Berechtigungsschein eine derartige Wohnung bekommen dürfen. Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.09.2018 klargestellt (Az.: V ZR 165/17).

Wohnungsbindungsgesetz schränkt Eigentumsfreiheit ein

Die Sozialbindung kann nämlich einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 BGB darstellen und ist bei Verschweigen von den engen Haftungsausschlüssen für Mietsachmängel nicht ausgeschlossen. Denn solche Haftungsausschlüsse werden jedenfalls bei arglistigem Verschweigen unwirksam sein. Dann kommt es nicht mehr darauf ankäme, ob zwischen der Täuschung und der Kaufabsicht ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Ansprüche rechtzeitig geltend machen

Freilich muss der Käufer dann seine Ansprüche rechtzeitig in der dreijährigen Verjährungsfrist geltend machen, Diese beginnt zum Jahresende des Jahres, indem der Käufer Kenntnis von der Sozialbindung erhält. Dies kann etwa  durch ein Informationsschreiben der zuständigen Kommune erfolgen.

Tipp vom Anwalt: Lesen Sie daher Schreiben der Kommunen betreffend ihre Mietwohnung sorgfältig und holen Sie sich im Zweifel anwaltliche Beratung ein.

Hier geht es zu unserem Ressort WEG-Recht