AG Würzburg: Mietschuldennachzahlung heilt auch ordentliche Kündigung

Das Amtsgericht Würzburg hat unter dem 25.08.2021 (Az.: 13 C 1183/21) eine mieterfreundliche Entscheidung getroffen. Im dortigen Verfahren hatte ein Vermieterehepaar einer Wohngemeinschaft fristlos und hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzuges gekündigt, nachdem zunächst zwei Monatsmieten nicht gezahlt wurden. Obwohl die Beklagten die Mietschulden nachgezahlt hatten, hatte die Vermieterseite Räumungsklage erhoben, die nun vom Amtsgericht Würzburg abgewiesen wurde.

Gerechtigtkeitsdefizit für den Mieter, der nachzahlt

Nach Ansicht des Gerichts war die nachträgliche Zahlung der Miete bei der Prüfung, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, zu berücksichtigen. Das Gericht stellte ein Gerechtigkeitsdefizit, welches aus einer blinden Anwendung der BGH-Rechtsprechung zur Nichterstreckung einer Heilung nach § 569 BGB der nachträglichen Zahlung auch auf den Wegfall der ordentlichen Kündigung folge. Nämlich dergestalt, dass derjenige Miete, der ausgleicht “hinterher doch der Dumme ist”, wenn der Vermieter auf die ordentliche Kündigung beharrt.

AG Würzburg schloss sich Tendenz der Instanzgerichte an

Das AG Würzburg folgt daher einer Tendenz erst- und zweitinstanzlicher Gerichte (z.B. LG Berlin, Urteil vom 28.09.2018, 65 S 97/18 sowie vom 30.03.2020, Az.: 66S 293/19, AG Mannheim vom 03.04.2019, Az.: 4 C 4743/18 und AG Rheine vom 16.05.2019, Az.: 10 C 234/18). Das Gericht hatte bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass das Mietverhältnis bereits langjährig bestand und die Mietschulden recht unverzüglich nachgezahlt wurden.

Berufungsinstanz hat nun zu entscheiden

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerseite hat Berufung eingelegt (42 S 1589/21)

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Nach Gericht beseitigt Nachzahlung von Mietschulden Kündigung der Mietwohnung

Brandaktuell ist die Entscheidung des LG Berlin, das am 13.10.2017 entschieden hat, dass eine hilfsweise ordentlichen Kündigung nicht mehr möglich ist, wenn der Mieter auf eine vorrangig fristlose Kündigung hin innerhalb der zweimonatigen Schonfrist nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage die Mietschuld vollständig bezahlt. Beim Zugang der fristlosen Kündigung solle es nämlich an eine Mietverhältnis fehlen, so dass die ordentliche Kündigung “ins Leere” gehe (Az.: 66 S 90/17). Da die Revision zum BGH zugelassen wurde, ist aber fraglich, ob diese Entscheidung Bestand haben wird.

Teilzahlung der Mietschulden vor Zugang Kündigung reichte nach LG

Noch spektakulärer war die Entscheidung des Landgerichts Potsdam aus dem Jahr 2016, nach der ein Mieter, der auf seine Mietschulden eine Teilzahlung vornimmt, so dass der Gesamtrückstand (knapp) unter die Grenzen der § 543 II 1 Nr. 3 BGB absinkt, einer berechtigten firistlosen Kündigung des Mietverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung die Wirkung zu nehmen. Mieter und Vermieter waren hier aneinander geraten, nachdem der Mieter wegen eines abgenutzten und schadhaften Teppichs die Miete minderte. Zudem gab es Zoff um Betriebsnebenkostennachforderungen und der Weigerung des Mieters diese zu bezahlen. Vor Zugang der daraufhin erfolgten Kündigung der Zweizimmerwohnung zahlte der Mieter einen Teil der Miete nach.

BGH sprang Vermieter bei und  hob Urteil des LG auf

Die Räumungsklage und die Widerklage wurden nach der abschließenden Entscheidung des BGH aber aufgehoben (Az.: VIII ZR 193/16). Sowohl Gesetzesgeschichte, wie auch der Geist der Norm ergäben eindeutig, dass nur im Falle einer vollständigen Begleichung der Mietschulden vor Zugang der wirksamen Kündigung der Mietwohnung diese entfallen lassen würde. Dabei sei die vertraglich vereinbarte Miete und nicht die tatsächliche gezahlte aufgrund wirksamer Minderung die für die Schwellenwerte entscheidende.

Zahlung vor Kündigungszugang und Schonfristzahlung

Tipp vom Anwalt: Bei einer Minderung aufgrund Mietmängeln ist als weiter Vorsicht geboten. Eine vollständige Zahlungseinstellung ist nicht akzeptabel. Bei einer Nachzahlung der Schuld muss tatsächlich der gesamte Mietrückstand bezahlt werden. Dabei gibt es neben der Möglichkeit der Zahlung vor Zugang der Kündigung noch dei sog. Schonfristzahlung des § 569 III Nr. 2 BGB.

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