Erleichterter Zugang zur Grundsicherung in der Praxis

Es geht in diesem Beitrag ausschließlich darum zu zeigen, dass eine Kluft besteht zwischen den vollmundigen Worten von Worten von Seiten der Politik zu helfen, der Verwaltungspraxis der Jobcenter vor Ort gegenüber ihren neuen völlig unverschuldeten Hilfesuchenden und den ersten Erkenntnissen aus aktuellen Gerichtsprozessen in meiner Praxis als Hartz IV-Anwalt. Vorweggenommen: Es ist ernüchternd!

„Bazooka“ rausgeholt?

Der Bundesfinanzminister wollte gar die „Bazooka“ rausholen und alle Politiker unbürokratisch den Selbständigen helfen, die durch den Lockdown unverschuldet in Not geraten sind. In Bayern sollte mit der Kombination aus staatlichen Überbrückungshilfen[1] und einem erleichterten Zugang zum Hartz IV[2] den Unternehmen durch Übernahme von Fixkosten zum einen geholfen werden zu überleben und zum zweiten zugleich der Lebensunterhalt Selbständiger gesichert werden, dass diese nicht ihre Altersvorsorge antasten müssen. Dazu sollten Vermögen bis 60.000 € nicht mehr überprüft werden. Soweit so gut. Gut gemacht Bundesregierung, möchte man sagen.

§ 67 SGB II n.F. nur eine Erleichterung für die Jobcenter?

Nun gibt es einzelne Jobcenter, die den von der Bundesagentur zur Verfügung gestellten verkürzten Antrag gar nicht benutzen. Zurecht, wie ein Hinweis einer am Sozialgericht tätigen Richterin (Az. S 16 AS 310/20): durchblicken lässt, denn dieser Antrag soll also „nur eine Erleichterung für die Jobcenter“ darstellen, nicht für die neuen Hilfebedürftigen. Da stockt dem Hartz IV-Anwalt der Atem, denn bisher ging die Öffentlichkeit davon aus, dass die neue Schicht der Hilfebedürftigen, die erst durch die Zwangsmaßnahmen der Regierung in ihrer Existenz gefährdet wurde, besonders privilegiert sein sollte. Im Gegenteil. „Hartz IV soll nur denen helfen, die sich selbst nicht helfen können. Der Rest muss erstmal selbst schauen, wie er zurechtkommt“, betonte die Richterin.

Neuer Freibetrag für Solo-Selbständige angekündigt

Und wie ist es mit dem Schutz des Vermögens der Selbständigen? Ist nun Vermögen, dass auf den ersten Blick nicht eindeutig der Altersvorsorge dient, auch geschützt? Nein, betonte die Sozialrichterin weiter. Wenn sich das Jobcenter entschließt in die Vermögensprüfung einzutreten, dann beträgt der geschützte Bereich nicht 60.000 €, sondern weniger, möglicherweise sogar nur etwa rund 10.000 € für einen Alleinstehenden Mitte der 40er. Auch ist verblüffend, dass die von Seiten der Politik mehrfach kommunizierte zusätzliche Freibetrag von 8.000 €/Jahr der Selbständigkeit[3] für das Gericht keine Rolle spielte. Das Gericht interessierte konsequenterweise nicht, was die Politiker von Heil über Altmaier bis zu Scholz gesagt haben, denn in Deutschland, wo eine Gewaltenteilung besteht, muss grundsätzlich erstmal alles durch das Parlament beschlossen werden. Die Medien, die über die großen Ankündigungen aus der Politik berichtet haben, muss man vorhalten im Nachgang nicht nachgeprüft zu haben, ob das umgesetzt wurde oder nur heiße Luft geblieben ist. Insoweit müssen sich Teile der Medien eine Hofberichterstattung vorwerfen lassen und die Politiker, dass sie bei den Menschen falsche Vorstellungen (bis zum heutigen Tage) geweckt haben.

Erleichterter Zugang nicht vor den Sozialgerichten

Dass Hilfebedürftige weder von den Jobcentern eine erleichterte Behandlung bekommen noch vom Sozialgericht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens erlebte auch ein Soloselbständiger aus dem Raum Herford vor dem SG Detmold (S 9 AS 11/21 ER). Dort ließ sich das Gericht – auch für seine Frau und die Kinder – genau Rechnung legen. Die angeblich erleichterte Prüfung für die neuen Hilfebedürftigen aufgrund der Corona bedingten Wirtschaftskrise wurde nämlich nicht auf die Sozialgerichte erstreckt.

Kluft zwischen Ankündigungen und der Realität

So gibt es eine Menge falsche Vorstellungen, nicht umgesetzte Versprechungen und Lücken im Bereich der Corona-Sozialgesetzgebung. Für die Kluft zwischen politischen Versprechungen und der Realität sei dieses Zitat des Bundesministers für Arbeit und Soziales angeführt: „Die Leistungen der Grundsicherung werden schnell und unbürokratisch gewährt. Das hilft erst einmal, um nicht ins bodenlose zu stürzen. Wir lassen die Menschen nicht allein, der Staat kümmert sich!“[


[1] https://gruenden-schweinfurt.de/uncategorized/soforthilfen-ein-vergiftetes-geschenk/

[2]https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Anworten-zugang-sgb2/faq-zugang-sgb2.html

[3] https://taz.de/Hartz-IV-in-Coronazeiten/!5723965/#:~:text=Alleinstehende%20d%C3%BCrfen%20bis%20zu%2060.000,nochmal%208.000%20Euro%20Verm%C3%B6gensfreibetrag%20draufschlagen oder https://www.veronika-bellmann.de/grundsicherungsleistungen-fuer-solo-selbststaendige

[4]https://www.focus.de/finanzen/news/wegen-corona-krise-bundesregierung-will-bei-hartz-iv-vermoegenspruefung-aussetzen_id_11798424.html

Der Betrag enthält subjektive Auffassungen des Autors. Er stellt keine Rechtsberatung dar, sondern eine allgemeine Information. Wenn Sie Infos zu Hartz IV benötigen, empfehlen wir Ihnen die Seite https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/hartz-iv/

Kostenübernahme für ffp2-Antrag beim Jobcenter stellen mit Muster

Muster für Kostenübernahme von ffp 2-Masken fürs Jobcenter

Nach der Sitzung des Landeskabinetts am Dienstag steht fest: In Bayern müssen Kunden und Fahrgäste ab kommenden Montag in Handel und Nahverkehr eine FFP2-Maske tragen. Die sogenannten Community-Masken, selbstgenähte Alltags- oder Behelfsmasken oder der medizinische Mund-Nasen-Schutz sind dann dort nicht mehr zulässig.

Nicht im Regelsatz

Zu kaufen gibt es FFP2-Masken u.a. in Apotheken und auch in diversen Drogeriemärkten. Die Preise variieren, der Stückpreis liegt liegt etwa zwischen drei und fünf Euro, im Mehrfach-Pack sinkt der Preis, jedoch ist das für Hartz IV-Empfänger schwer zu schultern, zumal diese Position nicht im Hartz IV-Regelsatz vorgesehen ist. Nach der Tragepflicht in Bayern sind entgegenstehende Entscheidungen, wie des SG Konstanz, die einen Mehrbedarf ablehnten, obsolet.

Muster für Antrag Kostenübernahme ffp2-Masken

Stellen Sie daher bei Ihrem Jobcenter diesen oder einen ähnlichen Antrag:

00 Musterstadt

___.04.2020, Musterstadt

Antrag auf Kostenübernahme für 12 ffp2-Masken

BG-Nummer: ________________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beantrage für mich die Übernahme der Kosten für den Kauf von 12 ffp-2-Masken.

Der Anspruch auf Übernahme dieser Kosten hat seine Grundlage in § 21 Abs. 6 SGB II.

Die ffp2-Masken werden laufend benötigt werden, wo deren Tragen Pflicht ist. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind im laufend benötigte Bedarfe ein Härtefallmehrbedarf i.S.d. §21 Abs. 6 SGB II zu BSG v. 08.05.2019 – B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R).

Der Bedarf für die genannten ffp2-Masken ist unabweisbar, da ansonsten nicht mehr eingekauft oder öffentliche Nahverkehrsmittel in Bayern benutzt werden können. Der Bedarf ist laufend, da die Pflicht ab dem 18.01.2021 besteht und ein Ende der verschärften Maskenpflicht nicht absehbar ist. Nach Empfehlungen von Experten sollen die Masken alle 2 Tage gewechselt werden, so dass der Antrag den Maskenbedarf für einen Monat für eine Person abdeckt.

Die Kosten pro Maske belaufen sich auf

……….. €

…………€ Gesamtkosten

Anbei finden Sie eine Kopie der Angebote, das die Grundlage für die Kostenaufstellung darstellt.

Ich bitte um zeitnahe Bearbeitung und vermerke mir dafür den ……..

Sollte bis zum genannten Datum der Anspruch nicht realisiert werden, bin ich leider gezwungen diesen auf dem Weg des einstweiligen Rechtschutzverfahrens geltend zu machen.

Tipp vom Anwalt: Stellen Sie jeden Monat für jede hilfsbedürftige Person Ihres Haushalts diesen Antrag.

Hier geht es zu unserem Ressort Hartz IV

 

 

 

 

 

 

 

SG Frankfurt: Kein Mehrbedarfanspruch wegen Corona

Muss Jobcenter im Einzelfall für Corona-Test zahlen?

Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt (Main) muss das Jobcenter weder die Kosten für einen Corona-Test noch einen Mehrbedarf für erhöhter Ernährungskosten wegen der Corona-Krise gewähren. Damit setzen Sozialgerichte ihre harte Linie gegenüber Altfällen im SGB II fort.

hier zur Entscheidung des SG Konstanz

Was war passiert? Der 45-jährige Hartz IV-Empfänger hatten in einem gerichtlichen Eilverfahren verlangt, das Jobcenter zur vorläufigen Übernahme der Kosten eines Corona-Tests in Höhe von 200,00 EUR zu verpflichten. Zudem wollte er einen Mehrbedarf in Höhe von 100,00 Euro für höhere Ernährungskosten wegen der Corona-Krise.

Anders für Mitglieder einer Risikogruppe?

Mit diesem Ansinnen ist er jetzt gescheitert. Das Sozialgericht lehnte seinen Eilantrag mit der Begründung ab, dass das Jobcenter nicht der zuständige Leistungsträger sei, sondern die gesetzliche Krankenversicherung. Der Antragsteller gehöre nach eigenen Angaben auch nicht zu einer Risikogruppe. Daher sei der Test für ihn nicht notwendig. Der Kläger habe folglich keinen Anspruch darauf, besser gestellt zu werden als andere gesetzlich  Krankenversicherte.

Ohne Engpässe kein  Anspruch für Mehrbedarf für Nahrung

Das Sozialgericht Frankfurt hat den Eilantrag des Antragstellers auh in einem weiteren Punkt abgelehnt: Im Hinblick auf das Ziel das Jobcenters zur vorläufigen Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe von 100,00 EUR für Ernährungskosten, die durch die Corona-Krise erhöht seien, zu verurteilen. Die Begründung entspricht der Begründung des Sozialgerichts Konstanz (Link oben): Der Antragsteller könne den Erwerb von Lebensmitteln nämlich aus seinem Regelbedarf bestreiten, auch in der derzeitigen coronabedingten Krise, so der Richter. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs lägen nicht vor. Der Antragsteller habe zwar behauptet, dass er als Hartz IV-Empfänger Schwierigkeiten habe, sich zu ernähren. Tatsächlich bestünden  bei Verbrauchsgütern und Lebensmitteln keine Versorgungsengpässe. Dies gelte auch für solche Waren und Lebensmittel, deren Erwerb Bezieher von Grundsicherungsleistungen aus dem Regelbedarf bestreiten müssen.

Mehr Infos zum Thema Hartz IV hier

Update: Die zehn Gebote für Hartz IV-Empfänger

Verhaltenstipps für Hartz IV-Empfänger

*Update: Die Beschwerde wurde abgewiesen*
Warnhinweis: Dieser Beitrag stößt auf Missfallen des Jobcenters der Stadt Würzburg und war Anlass für einen Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer Bamberg. Wir lassen ihn dennoch weiter hier für Sie stehen, solange uns dies nicht verboten wird. Lesen Sie hier diesen Artikel, der dem Jobcenter der Stadt Würzburg so sauer aufstößt und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung:
Hartz IV-Empfänger sein kann stressig sein. MIt den hier vorgestellten Tipps erleichtern Sie sich das Leben als Arbeitssuchender und gewinnen die Oberhand gegenüber dem Jobcenter zurück. Wer sich an diese 10 Geboten hält, der kommt gegenüber dem übermächtigen Jobcenter in eine bessere Position.

1. Kauf dir ein Fax!

Immer wieder behaupten Sachbearbeiter sie hätten Unterlagen oder Anträge nicht bekommen. Ob diese nur intern verloren gehen oder bewusst weggeschmissen werden, lassen wir hier mal offen. Mithilfe eines Faxbeleges können Sie jedoch unzweifelhaft beweisen, dass sie die Unterlagen gefaxt haben und der Jobcenter-Mitarbeiter guckt im Zweifel dumm aus der Wäsche, wenn er den Zugang bestreitet.

2. Du sollst Deine Anträge  schriftlich stellen!

Lassen Sie sich nicht mündlich abweisen. Immer wieder gibt es Sachbearbeiter die Anträge, angeblich weil sie die Position nicht zahlen müssen, gar nicht annehmen. Benutzt Ihr Sachbearbeiter diesen Trick, schmeißen Sie gleichwohl den Antrag in den Postkasten des Jobcenters, lassen Sie sich den Zugang bestätigen oder besser (siehe oben) faxen Sie!
Da Sie nichts zu verschenkenen haben, gilt: Lieber einen Antrag zu viel stellen, als einen zu wenig.

3. Du sollst das Jobcenter mit Post zuschütten!

Sie haben eine fast unendliche Zahl von Meldepflichten: Jeder Geldeingang, jedes Nebenkostenhaben, jede Urlaubsabwesenheit und und und. Sie wissen gar nicht, was sie alles melden müssen?!? Eine Nachlässigkeit hier führt jedoch schnell zu Strafen und Sanktionen.
Dann schütten Sie Ihren Sachbearbeiter einfach mit Informationen im Zusammenhang mit den oben genannten Meldepflichten zu, egal wie belanglos diese Ihnen auch zunächst erscheinen mögen, solange es Sie nicht selber belastet. Mithilfe von Fax und E-Mail ist Ihr Verwaltungsaufwand auch nicht so hoch.
Achtung: Widersprüche dürfen Sie weiterhin nicht per einfacher Mail einreichen, sondern nur schriftlich (so explizit LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.11.2021, Az.: L 11 AS 632/20).

4. Vertraue nicht deinem Sachbearbeiter!

Auch wenn Ihr Sachbearbeiter gute Absichten hat – und das unterstellen wir jetzt einfach der Mehrzahl der Jobcenter-Mitarbeiter – dann werden Ihnen dennoch immer wieder, gerade in Eingliederungsvereinbarungen, belastende Regelungen untergejubelt. Daher unterschreiben Sie nichts ungeprüft und bitten immer zumindest um Bedenkzeit.
Lesen Sie hier zu Fehlern in Eingliederungsvereinbarungen: Fehler in Eingliederungsvereinbarungen finden und sich wehren

5. Kenne deine Rechte und sei kein Opfer!

Gegen falsche Bescheide, Sanktionen sowie Rückforderungen können Sie Widerspruch innerhalb einer Frist von einem Monat nach Kenntnis, d.h. Zugang, einlegen. Gegen ältere Bescheide ist oft noch der Überprüfungsantrag möglich.
Diverse Internetseiten und facebook-Gruppen liefern Infos für Hartz IV-Empfänger. Sollte Ihre Arbeitslosigkeit nicht nur eine vorübergehende sein, empfiehlt sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung auch für den Bereich Sozialrecht ohne Selbstbeteiligung ab Widerspruchverfahren! Zahlreiche Anwälte, wie auch der hier schreibende Rechtsanwalt Christopher Richter, prüfen Ihre Hartz IV-Bescheide für Sie kostenfrei. Für mittellose Bürger gibt es zudem Beratungs- und Prozesskostenhilfe.
Lesen Sie hier zu den häufigsten Fehlern in Hartz IV-Bescheiden: Update: Die fünf häufigsten Fehler in Hartz IV-Bescheiden
Insbesondere bei den Kosten der Unterkunft gehen die Jobcenter häufig zu Unrecht von den niedrigeren internen Richtlinien aus, die aber zumeist unwirksam sind. Bestehen Sie daher auf die Höhe nach dem Wohngeldgesetz und preisen Sie einen zehnprozentigen Sicherheitszuschlag mit ein!

6. Gib den Druck an Dein Jobcenter zurück!

Das Jobcenter setzt Ihnen regelmäßig Fristen, Unterlagen einzureichen, sich bei einem potentiellen Arbeitgeber zu bewerben –  und und und. Wo steht geschrieben, dass Sie dem Jobcenter für Ihre Anliegen keine Frist setzen dürfen? Es gibt übrigens auch gesetzliche Fristen im Sozialrecht: 6 Monate Bearbeitungsfrist für Ihre Anträge und drei Monate für eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren.

7. Nie um eine Ausrede verlegen sein!

Können Sie einen Termin beim Jobcenter oder ein Bewerbungsgespräch aus persönlichen, beruflichen oder gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen, dann teilen Sie das rechtzeitig vor dem Termin mit. Faxen Sie einfach die ärztliche Bestätigung mit ein paar Zeilen durch etc.
Lassen Sie sich von Arbeitgebern bestätigen, dass Sie sich ernstlich bemüht haben. Probleme, wie einen Stau, einen Zugausfall etc. dokumentieren Sie sauber. Jedes Handy hält eine Fotofunktion bereit und in der Cloud ist nahezu unendlicher Speicherplatz.
Lesen Sie hier zu Sanktionen und wie Sie sich wehren: Sanktionen durch das Jobcenter – und wie Sie sich wehren!

8. Kauf dir eine Terminkalender

Die Jobcenter setzen so viele Fristen und Termine, so dass Sie ohne Terminkalender zwangsläufig Termine vergessen werden. Trage Sie dort auch die Entscheidungsfristen für Ihre Anträge und Widersprüche ein. Gegen einen Widerspruchsbescheid haben Sie auch einen Monat Zeit vor dem Sozialgericht Klage zu erheben.
Gerade bei vorläufigen Bescheiden besteht die Gefahr, dass Sie vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Diese werden nämlich durch Zeitablauf nach einem Jahr automatisch zu endgültigen. Beantragen Sie daher sobald wie möglich die endgültige Festsetzung und legen Sie bei Fehlern Widerspruch ein. Der Erlass des endgültigen Bescheides erledigt dann das Widerspruchsverfahrens gegen den vorläufigen Bescheid. Vergessen Sie also auch nicht gegen den endgültigen Bescheid rechtzeitig Widerspruch einzulegen! …und verlieren Sie nicht den Überblick!

9. Kauf dir einen Aktenordner und einen Locher!

Änderungsbescheide auf  vorläufige Bescheide, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide etc. machen Ihren Fall schnell unübersichtlich. Ohne ein Ablagesystem mit Aktenordner herrscht schnell ein – auch mit anwaltlicher Hilfe – kaum überschaubares Chaos in Ihrem Papierberg. Darum vernachlässigen Sie von Anfang an die Verwaltung nicht.

10. Mach Dir deinen Sachbearbeiter zum Untertan!

Nach §§ 13, 14 SGB I müssen die Sachbearbeiter Sie umfassend beraten und Sachverhalte aufklären. Nutzen Sie jede Gelegenheit Ihren Sachbearbeiter daran zu erinnern und zwar schriftlich unter Fristsetzung. Nur so haben Sie bei Verstößen auf Seite des Jobcenters dann auch eine Chance einen ungeliebten Sachbearbeiter zu wechseln.
Bedienen Sie sich dabei elektronischen MItteln, wie Fax und E-Mail. Bleiben Sie in Ihrem Schreiben aber immer freundlich-verbindlich. Zeigen Sie sich in Anhörungsschreiben oder Vorschlägen für eine EGV grundsätzlich offen für die Vorschläge des Jobcenters, teilen Sie aber Ihre Gegenansicht mit.
Hier geht es zu unserem Ressort  Hartz IV

Mietminderung auch von Hartz IV-Empfängern

Mietminderung

Die Grundsicherung, das sogenannte „Hartz IV“, erhaltende Mieter sind bei Mietmängeln ihrem Vermieter nicht schutzlos ausgeliefert. In diesem Beitrag stellt Ihnen der im Sozialrecht tätige Rechtsanwalt Christopher Richter Ihre Reaktionsmöglickeiten  als Arbeitssuchender bei Mietmängeln vor.

KdU um Minderungsbetrag kürzen

Erhalten Sie die Kosten der Unterkunft auf Ihr Konto überwiesen, dann können Sie die Miete sofort oder im Folgemonat um den jeweiligen Minderungsbetrag kürzen. Nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob Sie in dem Fall die Differenz dem Jobcenter zurückreichen müssen. Die Höhe des Minderungsbetrages richtet sich nach Art (z.B. Schimmel, Lärm von Nachbarn, kaputte sanitäre Einrichtungen, Probleme mit den Heizkörpern etc.) und Schwere des Mietmangels.

Bei Direktzahlung Jobcenter über Mietmangel informieren

Wird der Vermieter direkt vom Jobcenter bezahlt, muss dieses auf Ihre Information hin nur noch die um die Minderung gekürzten KdU an den Vermieter überweisen.
Keinesfalls darf das Jobcenter nach der Entscheidung des SG Karlsruhe (Aktenzeichen: S 15 As 2985/09) nach Minderung durch den Leistungsempfänger die Miete ohne Einverständnis des Kunden direkt und ungekürzt einfach an den Vermieter zahlen.
Lesen Sie hier Tipps und Tricks im Umgang mit dem Jobcenter: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/2017/10/16/die-zehn-gebote-fuer-hartz-iv-empfaenger/

Minderung schlägt auf Nebenkosten durch

Tipp vom Anwalt: Da die Mietminderung auch auf die Nebenkosten durchschlägt darf das Jobcenter demnach auch nicht eine Betriebsnebenkostenabrechnung bzw.eine -nachforderung direkt und ungekürzt an den Vermieter zahlen.
Kurze rechtliche Fragen beantworten wir telefonisch kostenfrei unter 0931/47085337
Hier geht es zu unserem Ressort Hartz IV

Update: Urlaub für Arbeitslose?

Urlaub für Hartz IV-Empfänger

Darf ein Hartz IV-Empfänger Urlaub machen?

Nur auf Balkonien oder auch in Übersee? Über diese interessante Frage hatte das Sozialgericht in Dortmund kürzlich zu entscheiden. Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur. stellt Ihnen die interessante Entscheidung vor (Az.: S 19 AS 3947/16).

Zunächst hatte der Mann beim Sachbearbeiter die Zustimmung zur Ortsabwesenheit für 17 Tage beantragt. Dieser Antrag wurde vom Jobcenter abgeschmettert, weil dadurch angeblich die Vermittlungsaussichten seit 2005 arbeitslosen Klägers beeinträchtigt würden. Tatsächlich hatte sich der Mann auf zwei Stellen als Helfer im Lager- und Küchenbereich beworben.

Widerspruch war nicht erfolgreich

Im Widerspruchsverfahren führte das Jobcenter aus, dass der Urlaub auch deshalb keinen Urlaub gewährt bekomme, weil er klagefreudig sei und in der Vergangenheit mehrmals über „Grundsatzregelungen“ hinweggesetzt habe.

Wie den Urlaubsanspruch durchsetzen?

Es existieren verschiedene Theorien, wie der Urlaubsanspruch durchgesetzt werden muss. Zum Teil wird vertreten die Zustimmung müsse im Wege des einstweiligen Rechtsschutz durchgesetzt werden, andere meinen, die Zustimmung könne im Nachhinein über den sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch ersetzt werden. Schließlich wird auf vertreten, dass im Falle eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides inzident geprüft werde, ob die Zustimmung zurecht verweigert wurde.

Das Gericht in Dortmund hat sich jetzt der letztigen Ansicht angeschlossen. Ein einstweiliger Rechtsschutz käme nicht in Frage, weil dort eigentlich nur vorläufige und keine endgültigen Regelungen getroffen werden dürften. Gegen den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch spreche, dass in einer nicht erteilten Zustimmung eigentlich keine Verletzung von Auskunfts- oder Beratungspflichten zu sehen sei.

Ermessen für Urlaubsgewährung auf Null reduziert

Im vorliegenden Fall war nach dem Gericht das Ermessen des Jobcenters zur Urlaubsgewährung auf Null reduziert. Die angeführten Gegenargumente seien allesamt sachfremd. „Auch für Arbeitslose ist Urlaub notwendig. Die Möglichkeit der Eingliederung in Arbeit während der Zeit der beabsichtigten Ortsabwesenheit darf also nicht nur eine entfernte sein, weil ansonsten der Urlaubsanspruch ins Leere liefe. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass die ausgeschriebenen Stellen in besonderer Weise dem Profil des Klägers entsprechen. Es seien vielmehr stinknormale Helferstellen die im Dortmunder Raum regelmäßig angeboten werden. Der Beurteilungsspielraum des Jobcenters sei daher in dem Fall ausnahmsweise auf Null reduziert und somit die Zustimmung eine gebundene Entscheidung. Daher sei die Aufhebung von Sozialleistungen zu Unrecht erfolgt und dem Kläger nachzuzahlen. Dies gelte auch für die Kosten für Unterkunft und Heizung während der Ortsabwesenheit!

Interessante Ausführungen zum Überprüfungsantrag

Das Urteil enthält weiter interessante Ausführungen zum Überprüfungsantrag, die durchaus lesenswert sind.

Hier geht es zu unserem Ressort Hartz IV: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/hartz-iv/

Bei Fragen: 0931/47085337 oder richter(ät)anwaltskanzlei-wue.de

Eintretende Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit

Kürzlich hat das SG Stuttgart übrigens entschieden, dass der Anspruch auf Leistungsfortzahlung auch bei während der Ortsabwesenheit eingetretener Arbeitsunfähigkeit nicht wegfällt (Az.: S 8 AL 812/17). Die Bundesarbeitsagentur hatte dem Mann zuvor einen Familienurlaub genehmigt und mit deren Ende die Sozialleistungen beendet. Das verstößt gegen § 146 SGB III entschieden die Sozialrichter mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2017.