Sanktionen durch das Jobcenter richtig abwehren
Sanktionen durch das Jobcenter sind ein großes Problem für viele Hartz IV-Empfänger – seit 2022 Bürgergeldempfänger – , weil sie dadurch zumindest zeitweise unter das Existenzminimum gedrückt werden. 2016 wurden monatlich angeblich 134.390 Bezieher der Grundsicherung gekürzt. Mit dem neuen Bürgergeldgesetz wurden die Regel hier geändert, vgl. § 31a SGB II.
In diesen Beitrag stellt Fachanwalt für Sozialrecht Christopher Richter, LL.M.Eur die drei häufigsten Sanktionsgründe vor und erklärt, wie Sie sich richtig wehren können:
1. Verstoß gegen Meldepflichten
Im Fall von Verstößen gegen Meldepflichten, wie das unentschuldigte Nichterscheinen zu einem Beratungsgespräch beim Jobventer wird mit einer Leistungskürzung von jeweils 10%, dh. oft 50,20 € bestraft. Die Jobcenter haben hier keine Ermessensspielraum. Mit dem neuen Bürgergeld beträgt die Kürzungsdauer jedoch nur einen Monat.
Tipp von Anwalt: Entschuldigen Sie sich rechtzeitig und legen Sie im Fall einer Sanktion rechtzeitig schriftlich Widerspruch ein, wenn Sie einen wichtigen Grund zum Fernbleiben hatten, etwa aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen oder den Meldezweck in der Einladung nicht konkret genug benannt wurde.
2. Verstoß gegen die Verpflichtung Arbeitsgelegenheiten wahrzunehmen
Achtung: Ab 01.07.2023 wird die Nichtteilnahme an Arbeitsgelegenheiten (1 €-Jobs) nicht mehr sanktioniert.
Bis dahin gilt:
Entgegen der Ansicht von vielen Jobcenter dürfen Arbeitsuchende nicht zu allen Tätigkeiten verpflichtet werden! Arbeitsstellen mit hohen fachlichen Anforderungen sind für Personen ohne berufliche Erfahrung oder sonstige Vorkenntnisse nicht geeignet. So hat das Sozialgericht Koblenz etwa entschieden, dass ein selbstständigerVersicherungsmakler nicht zur Betreuung von Kindern, behinderten Menschen und Senioren verdonnert werden darf (Az.: L 3 AS 99/15 B ER). Das Sozialgericht Oldenburg entschied am 03.04.13, dass eine ein Eingliederungsmaßnahme abgebrochen werden darf, die unzumutbar lang im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB III war.
Tipp vom Anwalt: Ihre dem Jobcenter bekannten gesundheitlichen Einschränkungen sind in der Eingliederungsvereinbarung mitzuerfassen und – auch wenn das nicht passiert – bei der Unterbreitung von Stellenangeboten Ihnen gegenüber zu berücksichtigen. Ist unklar, ob Ihnen die amtlicherseits vorgegebenen Tätigkeit zumutbar ist, dann dürfen Sie auch nicht bei Arbeitsangebotablehnung sanktioniert werden (SG Magdeburg vom 06.09.2021, Az. S 20 AS 1031/18).
3. Verstoß gegen Kooperationsplang (früher: Eingliederungsvereinbarung)
Mit dem Bürgergeld ist ein Kooperationsplan an die Stelle der Eingliederungsvereinbarung getreten. Nunmehr dürfen Bürgergeldempfänger bestraft werden, wenn sie gegen die Pflichten des sogenannten Kooperationsplans verstoßen.
Dieser wird aber wohl rechtswidrig sein, wenn in ihm die Eignung und individuelle Lebenssituation des Leistungsberechtigten keinen Niederschlag findet und er keine individuellen, konkreten Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit enthält (BSG von 23.06.2016, Az.: B 14 AS 30/15 R). Es wird wohl weiter auch Streit um die höchstzulässige Zahl von Bewerbungen geben. Zehn Bewerbungen von Arbeitssuchenden sind im Schnitt üblich.
Tipp vom Anwalt: Arbeitssuchende unter 25 Jahren werden bei Verstößen wesentlich härter bestraft als ältere Hartz IV Empfänger (vgl. § 31a SGB II). Bereits beim ersten Verstoß entfällt die Regelleistung komplett und im Wiederholungsfall werden auch die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht mehr bezahlt (sogenannte Totalsanktion). Betroffen verlieren im schlimmsten Fall Ihre Wohnung aufgrund auflaufender Mietschulden und laufende Ratenzahlungsvereinbarungen platzen aufgrund Geldnot. Damit wenigstens der Krankenversicherungsschutz nicht weitgehend ausfällt, sollten Lebensmittelgutscheine vom Jobcenter unbedingt beantragt werden. Die Totalsanktion ist auch innerhalb der Berater der Jobcenter umstritten. Entgegen einer weit verbreitete Ansicht sind die Sanktionsmöglichkeiten vom Bundesverfassungsgericht aber (noch) nicht als verfassungswidrig eingestuft worden (vergleiche auch Bundessozialgericht, Az.: B 14 AS 20/15 R).