(vereinfacht) Die pflegebedürftige Klägerin, die von einer privaten Pflegeversicherung Pflegeleistungen bezog, schloss mit der beklagten Betreiberin eines Pflegeheims im Raum Köln einen Pflegevertrag, zog aber erst ca. einen halben Monat später ins Seniorenzentrum ein. Für diesen halben Monat ließ sich das Pflegeheim über 1.000 € als Leistungsentgelt zahlen für eine als Platzgebühr bezeichnete Reservierung dieses Heimplatzes.
Verstoß gegen höherrangiges Recht
Zu Unrecht, wie jetzt der BGH (Urteil vom 15.07.2021, Az.: III ZR 225/20) entschied und die Beklagte zur Herausgabe nach § 812 I 1 (1.Alt) BGB verurteilte. Dem Zahlungsverlangen habe nämlich der Rechtsgrund gefehlt, weil die entsprechende Regelung im Pflegevertrag gegen höherrangiges Recht, nämlich § 15 I 2 WBVG i.V.m. § 87a I 4 SGB XI verstoßen würde.
Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014)
§ 87a Berechnung und Zahlung des Heimentgelts:
(…) Die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) werden für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet (Berechnungstag).(…) Von den Sätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger sind nichtig
Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG)
§ 15 Besondere Bestimmungen bei Bezug von Sozialleistungen
(…) Vereinbarungen, die diesen Regelungen nicht entsprechen, sind unwirksam.
Eingeschränkte Vertragsfreiheit im Bereich des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes
Wegen dem Vorrangs des Sozialrechts gilt dieses vorrangig vor der Vertragsfreiheit im Rahmen insbesondere von Pflegeverträgen. Zum Sozialrecht zählt auch das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes, das ein besonderes Verbraucherschutzgesetz darstellt. Da die Klägerin als Mitglied einer privaten Krankenversicherung Leistungen nach den Regeln der sozialen Pflegeversicherung bezieht (vgl. u.a. § 110 SGB XI), gilt diese Einschränkung der Vertragsfreiheit auch ihr gegenüber, so die BGH-Richter in ihrer Begründung. Denn auch diese fallen in den Anwendungsbereich des § 15 WBVG.
Besonderer Verbraucherschutz für weitere Personengruppen
Tipp vom Anwalt: Auch gegenüber anderen Pflegeversicherungspflichtigen, wie Heilfürsorgeberechtigten, die nicht in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, beihilfeberechtigten Personen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Mitgliedern der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, ist die Vertragsfreiheit im Bereich der Pflegeverträge – anders als bei reinen Selbstzahlern – eingeschränkt! Auch diese müssen keine solche Reservierungsgebühr zahlen.
Verstoß gegen Prinzip tagesgleicher Vergütung
Konkret verstoßen derartige Reservierungsgebühren gegen das Prinzip der tagesgleichen Vergütung in § 87a I SGB XI, d.h. es darf grds. nur das als Leistung abgerechnet werden, was tatsächlich auch erbracht wird. Desweiteren käme es wegen den in Pflegeverträgen verbreiteten Regelungen zu Wagnis- und Risikozuschlägen bei Leerständen häufig zu Doppelbelastungen der Heimbewohnern, wenn solche Reservierungsgebühren zulässig wären.
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Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar, sondern nur eine allgemeine Information über ein aktuelles BGH-Urteil. Lassen Sie sich daher in jedem Fall individuell beraten.