Rechtsprechung reagiert auf osteuropäische Billig-Fuhrunternehmer

Newsletter Transport- und Logistikrecht

Der Newsletter 1/2018 zum Transport- und Logistikrecht der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen befasst sich diesmal schwerpunktmäßig um die wettbewerbsverzerrende Situation durch osteuropäische Billigtransporte und wie die Gerichte hierauf reagieren.

Erbärmliche Situation von Autobahnnomaden

Zum einen geht es um die Entscheidung des EuGH, der den Autobahnnomaden die rote Karte zeigt und zum zweiten die Kabotage-Entscheidung des Amtsgerichtes Köln, die auch gebündelte Teillieferung von ausländischen Logistikunternehmen als unzulässig erklärt.

Als kleines Extra greifen wir die BGH-Entscheidung Anfang letzten Jahres nochmal auf, die die Darlegungslast von geschädigten Frachtführern gegenüber ihren Versicherern auch im Hinblick auf Schäden durch Raubüberfälle weiter verschärft

Regelmäßige wöchentliche Ruhezeit  auf Autobahnraststätten

Zunächst die Entscheidung des europäischen Gerichtshof (Az: C-102/16):

Weil Belgien es LKW-Fahrern grundsätzlich verboten hatte ihre wöchentliche Ruhezeit – also nicht die verkürzte – auf Autobahnraststätten zu verbringen, kam es an der deutschen Grenze zu regelrechten Truckercamps, wo auf engstem Raum Hunderte von osteuropäischen LKWs abgestellt wurden und dazwischen gekocht, Wäsche gereinigt und die Freizeit verbracht wurde. Und wenn die Toiletten überfüllt wurden, dann wurde neben die LKWs die Notdurft verrichtet. Genächtigt wurde freilich in der Kabine. Ziemlich erbärmliche Umstände.

Osteuropäisches Fuhrunternehmen klagte gegen Bußgeld

Ein osteuropäisches Fuhrunternehmen klagte nun gegen das Bußgeld von 1.500 € durch eine belgischen Behörde, weil sein Fahrer eben doch die wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden auf einer belgischen Raststätte verbracht hatte. Dessen Argumentation Art. 8 VIII EGVO 561/2006 sehe kein Verbot vor die wöchentliche Ruhezeit im LKW zu verbringen.

Arbeitsbedingungen der Fahrer und Gleichheit im Wettbewerb

Das sah der EuGH anders, der wegen der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und der Arbeitsbedingungen der Fahrer sowie der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe sehr wohl ein solches Gebot erkennen konnte.

Kabotagevorschriften werden umgangen

Ein Daueraufreger in der Logistikbranche ist auch die unfaire Billigkonkurrenz durch deren Fuhrunternehmen. Ein 63-jähriger Tscheche wurde nun wegen fahrlässigem Verstoß gegen § 19 IIa Nr. 3 GüKG i.V.m.  § 17a GüKGrKabotageV zu einem Bußgeld von 1.000 € verurteilt.

Trickreicher Logistiker aus Osteuropa wurde bestraft

Die Idee war eigentlich genauso simple, wie smart: Ein osteuropäischer Logistiker nahm von verschiedenen Absendern Ware entgegen, disponierte so, dass nur noch eine Fahrt nötig war und trat gegenüber dem BAG als eigener „rechtlicher“ Absender auf, indem er einen Unterfrachtführer beauftragte. Dieser lud die verschiedenen zusammengefassten Teillieferungen nun bei verschiedenen Empfängern in der BRD ab.

Frachtpapiere wurden “frisiert”

In den Frachtpapieren zwischen den Absendern in Tschechien und dem tschechischen Logistiker tauchten noch die tatsächlichen Absender auf – gegenüber dem BAG wurde hingegen nur der tschechische Absender genannt. So wurden dann auf einem 40-Tonner kleinere Mengen an Papierwaren, Bauzubehör und Holz in Paletten an verschiedene Orte im Bundesgebiet verbracht.

Kettenfrachtvertrag wurde zerlegt

Diesen Kettenfrachtvertrag nahm das Amtsgericht Köln jedoch auseinander und verwarf die Idee vom „rechtlichen“ Absender. Abzustellen sei vielmehr auf den „ersten“ Frachtvertrag zwischen tschechischem Absender und tschechischem Logistiker. Zu gut Deutsch: Es kommt auf den tatsächlichen Absender an, also auf dessen Rechnung und in dessen Auftrag der Versand erfolgt. Der Logistiker wurde vom Amtsgericht dabei also zurecht als Güterkraftverkehrsunternehmer enttarnt.

Kabotage

Hintergrund Kabotage: Kabotage ist das Erbringen von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen Seit dem 14. Mai 2010 gelten innerhalb der EU einheitliche Kabotagebestimmungen. Kabotagebeförderungen im Anschluss an eine Beförderung mit Grenzüberschreitung darf erst nach vollständiger Entladung des Fahrzeuges erfolgen. Innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates mit einem leeren Fahrzeug kann eine Kabotagebeförderung durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass zuvor eine grenzüberschreitende Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat durchgeführt wurde und dass die 7-Tage-Frist eingehalten wird.

Ladungsdiebstähle und Ladungsraub

Ein ständiges Ärgernis für international tätige Speditionen ist die Sicherheit vor Ladungsdiebstählen, insbesondere im berüchtigten italienischen Bermuda-Dreieck (Neapel-Bari-Mailand). In dieser Region spielt wohl auch der BHG-Fall des Frachtführers gegen seine Transportversicherung, die unter Berufung auf § 137 I VVG die Zahlung für den Diebstahl der Ware infolge eines Raubes verweigerte (Az.: IV ZR 74/14).

Verladung der Ware ist zu dokumentieren

Der Fahrer wurde übrigens spektakulär bei der Autobahnauffahrt gestoppt und in einem fremden PKW gekidnappt und später irgendwo ausgesetzt. Das Genick brach dem klägerischen Frachtführer der Umstand, das er die Verladung der Ware nur mit einer Rechnung dokumentieren konnte, die zugleich auch Transportbegleitpapier war, aber aber keine weiteren Dokumente, wie Pack- oder Stücklisten oder ein Kommissionierungspapier fehlten. „Eine Abweichung von dem Grundsatz, dass derjenige, der Versicherungsleistungen beansprucht, auch die Beförderung des Transportgutes nach Art und Menge ausreichend zu dokumentieren hat, ist nicht angezeigt“, schreiben die BGH-Richter dem Kläger nüchtern ins Stammbuch. Der Kläger müsse nun mal den eingetretenen Schaden darlegen, was auch den Nachweis von Identität, Art, Menge und Zustand der Gütern umfasse. Für einen Anscheinsbeweis, anders als früher, ließen die Richter keinen Raum mehr (seinerzeit noch zu dem Inhalt von verschlossenen Behältnissen, wie Containern).

Anspruch gegen Transportversicherung

Tipp vom Anwalt: Die Entscheidung setzt die strenge Linie des BGH fort (vgl. BGH 22.05.2014 (Az: I ZR 109/13). Damals wurde entschieden, dass der Fahrer beim Beladevorgang tatsächlich anwesend sein müssen und die geladenen Pakete mitdurchzählen (!) muss, will der Frachtführer bei Ladungsverlusten eine unbeschränkte Haftung vermeiden. Mit der Folge, dass er nunmehr keine Ruhezeit einlegt, sondern arbeitet und der Mindestlohn bezahlt werden muss. Nun muss der Frachtführer auch bei der Handhabung der Lieferpapier und sonstigen Dokumente sehr achtsam sein, will er nicht seinen Versicherungsanspruch gegen die Transportversicherung riskieren.

 

 

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Neue Entscheidung zum Standgeld

Standgeld

In diesem Beitrag zum Transport- und Speditionsrecht soll es diesmal um das Standgeld gehen. Das AG Tostedt hat jüngst in einem Urteil entschieden, dass ein Standgeldanspruch für den Frachtführer nicht entsteht, wenn er zum vereinbarten Zeitpunkt so spät anrückt, dass er die Beladefrist keinesfalls mehr einhalten kann (vgl. AG Tostedt vom 12.04.2017, Az.: 4 C 29/17).

Lesen Sie hier unsere Backgroundcheck Standgeld:

Der Empfänger schuldet grundsätzlich zur Fracht ein Standgeld wegen Überschreitung der Entladezeit, wenn der Absender das Entladen schuldet und der Frachtführer von der Verzögerung Mitteilung gemacht hat. Oder eben, wenn das Standgeld vertraglich vereinbart wurde.

Standgeldanspruch kann entfallen

Der Standgeldanspruch entfällt, jedoch wenn die Zeitüberschreitung in den Verantwortungsbereich des Absenders fällt. Dies ist etwa nicht der Fall, wenn der Frachtführer die Verladung und Entladung übernommen hat und er sich deshalb Defekte seiner Ladehilfsmittel, den Krankenstand oder Streik seiner Arbeitnehmer zurechnen lassen muss. Beim Auftreten von neutralen Verzögerungen, wie etwa einer rechtswidrigen Beschlagnahme des LKWs an der Grenze, ist die Rechtslage in den verschiedenen CMR-Staaten unterschiedlich (siehe dazu Fall 2).

Vorsicht bei der Ladungssicherung: Da dem Gesetz nach der Absender die beförderungssichere Verladung schuldet, fallen Verzögerungen in die Sphäre des Frachtführers, wenn mangels ausreichender Weisungen des Frachtführers betriebsunsicher verladen wird und nachträglich eine betriebssichere Ladung vorgenommen werden muss. Hier entfällt der Standgeldanspruch!

Wie hoch ist der Standgeldanspruch?

Die Angemessenheit der Vergütung bemisst sich dann grds. an den am Ort der Entladezeit üblichen Sätze, wenn die angemessene Vergütung nicht aus dem Mittel von Fahrerlohn zuzüglich Spesen und Auslösungen sowie etwaigen betriebsabhängigen Kosten ermittelt wird. Von 33 Euro/Stunde (Amtsgericht Bonn) über 66 Euro/Stunde (Amtsgericht Villingen) bis 60 Euro/Stunde (Amtsgericht Mannheim) reichen die Sätze, die deutsche Gerichte pauschal als angemessen akzeptieren. Der österreichische OGH hat kürzlich sogar 200 Euro als Standgeld für angemessen erachtet.

Vereinbarungen über das Standgeld schließen

Ein Fall vorm  AG Mannheim zeigt, dass Standgeldvereinbarungen für Rechtsicherheit sorgen: Der Frachtführer führte für den Absender einen Transport innerhalb Deutschlands durch. Der Auftrag kann zunächst telefonisch zu Stande, danach übersandte die Absenderin per Mail ihren Transportauftrag, den der Frachtführer schriftlich bestätigte In den gegenseitig übersandten AGBs befanden sich widersprechende Bedingungen zur Zahlung von Standgeld. Als Ladetermin wurde ein Zeitraum von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr festgelegt. Gleichwohl wurde erst um 14:45 Uhr mit der Beladung begonnen und diese um 15:10 Uhr beendet worden, obwohl der Frachtführer bereits vor 12:00 Uhr zum Ladeort gekommen war und sich ladebereit gemeldet hatte. Für die entstandene Verzögerung möchte der Frachtführer ein Standgeld von 30 Euro/halbe Stunde vom Empfänger haben. Zurecht, wie das Gericht unter Verweis auf die Standgeldvereinbarung und § 412 III HGB feststellte, weil der Frachtführer zu Beginn des Zeitintervalls ladebereit an der Verladestelle bereitstand. Auf diesen Zeitpunkt und nicht das Ende des Zeitintervalls sei abzustellen, um einen geordneten Ladebetrieb und Frachtumschlag sicherzustellen. Ansonsten müsste der Frachtführer ja auch bei großzügig bemessenen Ladeterminen – solche können mehrere Stunden erreichen oder auch nur den Tag angeben – erst nach stundenlangem Zuwarten mit der Verladung beginnen. Praxishinweis: Vertraglich sollten die Voraussetzungen und die Höhe von Standgeldern vereinbart werden, denn das deutsche Recht trifft mit § 421 III HGB nur eine grundsätzliche Regelung. Zum Teil ging die Praxis bisher sogar davon aus, dass pauschal maximal zwei Stunden Wartzezeit für die Beladung und maximal zwei Stunden für die Entladung bei Komplettladungen von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 40 Tonnen ein angemessener Zeitraum seien und zu keinem Standgeldanspruch führen.

CMR kennt Standgeld nicht

Gestalten Sie die Rechtslage für sich um! Hierbei beraten wir Sie gerne! Vorsicht: Im internationalen Straßengüterverkehr sieht die CMR zwar einen Kostenersatzanspruch für reine Verladekosten vor, nicht aber für das Standgeld (str.).

Nur Handelsbrauch im internationalen Straßengüterverkehr

Daher sollten Sie im internationalen Straßengüterverkehr immer eine Standgeldvereinbarung treffen, da in den CMR-Staaten nur teilweise ein Handelsbrauch dahingehend besteht, dass Standgeld gezahlt werden muss.

Standgeld in AGBs geregelt

Können Vereinbarungen im Standgeld auch in AGBs getroffen werden? Dazu eine interessante Entscheidung des OGH Wiens vom 17.04.2013: Der Empfänger hatte den Frachtführer mit dem Transport von 20.000 kg gebrauchten Stahlrohren von Panama über Kiew nach Österreich zu Frachtkosten von 1.350,00 Euro. beauftragt. Frachtführer und Empfänger kannten sich, da diese vor über vier Jahren regelmäßig bei Rußlandtransporten zusammengearbeitet hatten (damals ca. 500 LKWLadungen/Jahr). Aus irgendwelchen Gründen endete die Zusammenarbeit. In den AGBs des Frachtführers war seinerzeit folgende Klausel enthalten:

„Die Frachtrate versteht sich zuzüglich der der vereinbarten Kosten für Zusatzleistungen und zuzüglich der üblichen Nebenspesen. Standgeld in GUS, TR, Kaukasus-Republiken bzw. Orientländer: 24 Stunden frei für Be-/Entladung (inkl. Zollformalitäten) in Westeuropa, 48 Stunden frei für Be-/Endtladung (inkl. Zollformalitäten) in GUS, TR, KaukasusRepubliken bzw. Orientländern. Darüber hinaus verreichnen wir 420 Euro pro angefangene 24 Stunden.“

Über Frachtpreise und Bedingungen wurde zwischen Empfänger und Frachtführer nicht gesprochen. In seiner Auftragsbestätigung verwies der Frachtführer aber auf seine AGBs, denen der Empfänger nicht widersprach. Es kam dann zum erwarteten Chaos: An der ukrainischen Grenze wurde der Sattelschlepper mit den Stahlrohren vom Zoll fünf Monate lang zu Unrecht beschlagnahmt, weil die Grenzer die Ladung als Abfall eingestuft hatten. Erst auf den Beschluss eines ungarischen Verwaltungsgerichts gab die Staatsanwaltschaft die Ladung frei. Daraufhin forderte der Frachtführer von dem Empfänger ein Standgeld für 167 Tage in Höhe von 33.400 Euro und bekam von den österreichischen Gerichten Recht. Denn nach österreichischer Rechtsauffassung gehen neutrale Ursachen, wie hier die rechtswidrige Beschlagnahme durch den Zoll, nicht zulasten des Frachtführers. In Deutschland steht zu dieser Frage eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus.

Standgeld u.U. auch bei Verzögerungen während Transportes

Anders als nach deutschem Verständnis kann hier auch ein Standgeldanspruch bei Verzögerungen während der Beförderung bis zum Zeitpunkt der Ablieferung entstehen, da es nach der bisherigen Rechslage in der Alpenrepublik keine Sonderregelung im dortigen HGB, wie bei uns in Deutschland gibt. Die vertragliche Standgeldvereinbarung schließlich sah der österreichische Gerichtshof dann durch den Verweis in der Auftragsbestätigung und die zwar zurückliegende, aber Jahre lang andauernde Geschäftsbeziehung zwischen Empfänger und Frachtführer als wirksam vereinbart an. Auch inhaltlich sah er die Klausel als voll wirksam an.

Das Standgeld in AGBs ausschließen

Daher treffen Sie als Frachtführer Standgeldvereinbarungen. Lassen Sie sich vom Versender nicht über den Tisch ziehen, sondern lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt beraten, da Klauseln, wie „24 Stunden sind zur Be- bzw. Entladung standgeldfrei“ bereits von deutschen Gerichten als unwirksam erachtet worden sind. Auch die Abrede zwischen Absender und Frachtführer, dass die Ablieferung „frachtfrei“ zu erfolgen habe, führt nach Ansicht des AG Villingen-Schwennigen nicht dazu, dass der Standgeldanspruch gegen de Empfänger entfiele.

Den Transportversicherer nicht vergessen

Achten Sie darauf, dass Sie im Falle der Klage u.U. den Transportversicherer des Absenders mitverklagen, weil die DTV-Güter 2000/20111 hier eine volle Haftung für Mehrkosten der Weiterbeförderung infolge eines Versicherungsfalles vorsieht!

Hier geht es zu unserem Ressort Transport- und Speditionsrecht: https://www.anwaltskanzlei-wue.de/rechtsgebiete/transport-und-speditionsrecht/