Gefahr der Scheinselbständigkeit
Die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund durch einen Sozialversicherungsträger festgestellter Scheinselbständigkeit bei einem LKW-Fahrer ist ein wirtschaftliches Risiko für Transportunternehmen.
Das LSG Baden-Württemberg etwa hatte ein Transportunternehmen, das internationale Gütertransporte durchführt zu Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz in Höhe von 30.883,20 Euro (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2016, Az.: L 5 R 1899/14) verurteilt.
Spedition als Unterfrachtführer
Das Transportunternehmen arbeitete regelmäßig mit einem Kraftfahrer zusammen der unter dem eigenen Gewerbe „Vermietung und Vermittlung von Dienstleistungen (Speditions- und Kraftfahrgewerbe)“ auftrat. Er war ein „Sofa-Spediteur“, also Jemand der von zuhause aus aus mit seinem privaten Telefon und einem Fax, Transportunternehmen seine Dienste anbot. Er hatte keinen eigenen LKW – was ihm im Prozess letztlich das Genick brach – und zumindest bei den Rückfahrten durfte er mit den LKWs des Transportunternehmens eigene Frachten durchführen. Er hatte auch ein echtes Mitspracherecht bei der Frage, welche Fahrten er übernimmt und ob er sie selber oder durch einen abhängig beschäftigten Fahrer durchführt. Die erforderlichen straßenverkehrsrechtliche Genehmigungen wurden alle vom Transportunternehmen beantragt, auf dieses ausgestellt und von diesem bezahlt. Dieses trug auch die Verantwortung dafür, dass die Transporte entsprechend den erteilten Genehmigungen erfolgten. Zur Absicherung des Transportes organisierte sie auch, wenn nötig, ein privates Begleitfahrzeug.
Zwischen den beiden Unternehmen bestand die folgende Transportvereinbarung:
Anzeige wegen Scheinselbständigkeit und illegaler Arbeitnehmerüberlassung
Allerdings wurden Transportunternehmen und Sofa-Spediteur angeschwärzt wegen Scheinselbständigkeit und illegaler Arbeitnehmerüberlassung . In der Folge wurde von der Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren nach §§ 7 ff. SGB IV eingeleitet, was zum einem zum Ergebnis kam, dass der Kraftfahrer beim Transportunternehmen angestelltt sei und zum anderen gewaltige Beitragsnachforderungen für Kranken- Renten- Pflege- und Arbeitslosenversicherung nachgeforderte.
Hohe Beitragsnachforderungen für Sozialabgaben
Anders als die Vorinstanz kam das Landessozialgericht schließlich zum Ergebnis, dass alle Indizien gegen eine Selbständigkeit des Frachtführers sprächen. Dabei führten die Richter zunächst die gewohnte dreistufige Prüfung durch, indem sie die Transportvereinbarung unter die Lupe namen und zweitens auf ihre Wirksamkeit prüften bzw. ob nicht in Wahrheit ein „Scheingeschäft“ vorliegt. Drittens wurde dann der Vertrag in einer Gesamtabwägung dem Typus der Beschäftigung und nicht der selbständigen Beschäftigung zugeordnet.
Unternehmerrisiko muss da sein!
Entscheidend war vorallem, dass der Kraftfahrer im Rahmen des Dauerrechtsverhältnisses ohne eigenes Fahrzeug eingesetzt war. Ein echtes Unternehmerrisiko konnten die Sozialrichter bei unserem Sofa-Spediteur nicht erkennen. Er habe für die Fahrten für das Transportunternehmen nur seine Arbeitskraft, aber keine Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, eingesetzt. Auch die Durchführung von Rückladungen habe seine Einkünfte nur erhöht und somit seine Vergütung gesteigert.
Einsatz eines eigenen LKW oft entscheidend
Den fehlenden Einsatz eines eigenen LKW sei das maßgebliche Kriterium zur Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und Seinselbständigkeit betonte das Sozialgericht Stuttgart in einem anderen Urteil vom 25.04.2017 (Az.: 2 R 1023/13). Dass der Kläger nur unregelmäßig und auf Abruf für das Transportunternehmen eingesetzt war, spielte ebenso wenig eine Rolle, wie dass keine Lohnfortzahlung für ihn im Krankenfall und kein Urlaubsentgelt gezahlt wurde. Das Risiko unregelmäßig beschäftigt zu werden, träffe nämlich jeden Arbeitnehmer der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird. Ebensowenig entscheidend war für die Richterbank, dass er Frachtführer nach dem Vertrag die Gelegenheit hatte die Tätigkeit zu delegieren.
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
Es muss deshalb nach allem für eine Selbständigkeit ein Risiko für den Unternehmer bestehen, welches über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Also wenn zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen und Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen. Das sahen die Stuttgarter Sozialrichter in diesem Fall jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Es sei doch gerade typisch bei Scheinselbstständigkeit die Arbeitnehmerrechte, wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung, zu umgehen. Ein Ungleichgewicht: Dem Arbeitnehmer werden sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird.
Lesen Sie hier zu den häufigsten Fehlern in Sozialversicherungsbeiträgen:
Dass der Kraftfahrer auch für andere Fuhrunternehmen tätig war, interessierte das Gericht nicht. Aufgrund des Gebots der isolierten sozialversicherten Betrachtung schauten sie sich nur die Beziehung dieses Kraftfahrers mit diesem Transportunternehmen an.
Hier geht es zu unserm Ressort Transport- und Speditionsrecht
Hier geht es zu unserem Ressort Sozialrecht: Sozialrecht