Die fünf schlimmsten Fehlern in Sozialversicherungsbeitragsbescheiden

Fehler in Sozialversicherungsbescheiden

Unser Experte in der Kanzlei für das Sozialversicherungsrecht Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur sagt Ihnen hier, worauf Sie aufpassen müssen: Denn Fehler in Sozialversicherungsbeitragsbescheiden sind relativ häufig und kosten  Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft eine echte Stange an Geld. Im schlimmsten Fall sieht sich der Arbeitgeber heftigen Beitragsnachforderung sowie gegebenenfalls sogar einem Strafverfahren gegenüber und mancher Angestellter hat keine Leistungsansprüche im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Insolvenz des Arbeitgebers gegenüber der Sozialversicherung – also dann, wenn er sie am dringendsten bräuchte!

Das Sozialversicherungsrecht ist kompliziert. Falsch gemacht werden kann vieles: Welcher Arbeitgeber weiß schon, dass er vom Werkstudenten eine Kopie der aktuellen Immatrikulationsbescheinigung vorhalten muss? Bei 450 Euro-Jobs ist bei geringfügig Beschäftigten ein Verdienst über 5.400 € jährlich schädlich, was bei zusätzlichen Einmalzahlungen, wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld schnell passieren kann. Fehler bei den Aufzeichnungs-, Dokumentations- oder Beitragspflichten bedeuten häufig auch einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsgesetz und verwirklichen zugleich oft den § 266a StGB als Deliktsnorm gegen das Vorhalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Dabei rutschen dann auch Vorstände, Geschäftsführer oder sonstige Beauftragte über die Zurechnung leicht in den Täterkreis. Diese Wechselwirkung zwischen Straf- und Sozialrecht durchschauen auch viele Steuerberater nicht immer, so dass sozialversicherungsrechtliche Risiken im Falle einer Betriebsprüfung nach § 28 p I SGB IV in vielen Unternehmen lauern. Wir haben Ihnen hier die unserer Erfahrung nach gravierendsten fünf Fehler in einer „Big Five“ zusammengetragen:

1. Der Angestellte ist in Wahrheit ein Selbständiger

Transportsektor und Gaststättengewerbe

In nicht wenigen Fällen „Scheinselbständige“ zu Unrecht nicht als Arbeitnehmer angemeldet. Aber es kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass die Hauptzollämter oder Sozialversicherungsträger nach einer Betriebsprüfung zu Unrecht auf die Idee kommen der Selbständige sei in Wahrheit Arbeitnehmer und fordern oft Hunderttausende von Euros für Sozialbeiträge und Verspätungszuschläge nach. Regelmäßig liegt in der Tagt keine selbständige Tätigkeit vor, etwa wenn etwa der Kraftfahrer über keinen eigenen LKW verfügt. Aber selbst das reicht häufig nicht aus, um eine Scheinselbständigkeit auszuschließen (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 27.07.2016, Az.: L 5 R 1899/14). Wenn aber weitere Argumente, wie eigene Angestellte des Kraftfahrers, ein eigener Betriebssitz, weitgehende Weisungsfreiheit, eine eigene Gewerbeanmeldung, eine eigene Transportversicherung oder fehlende Einbindung in den Betrieb vorliegen, dann kann sich das Bild jedoch wieder drehen.

Pflegesektor

Auch im Bereich der Pflege kann dieses Problem bei ausländischen Pflegekräften in anderer Gestalt auftreten. Denn war die Pflegekraft im Herkunftsland als selbständige Pflegekraft tätig und übt die Pflege nur voraussichtlich 24 Monate hier aus ohne eine andere Pflegeperson abzulösen, dann kann sie bei Vorliegen einer A 1-Bescheinigung auch im Rahmen der 24-Stunden-Pflege von der Pflichtversicherung befreit sein. Ansonsten ist dies kaum möglich. Bei Teilzeitpflege ist im Falle von mehreren Pflegejobs eine selbständige Tätigkeit hingegen wenigstens denkbar und je nach Einzelfall zu beurteilen. Häufig jedoch besteht die Gefahr, wenn ausländische Pflegekräfte aus dem Ausland vermittelt werden, dass bei voller Eingliederung der Pflegekraft gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen wird.

Klinik-Sektor

Im Gesundheitssektor taucht die Problematik immer häufiger auf, dass Krankenhäuser und Kliniken mit Honorarkräften eine Personalreserve an selbständigen Ärzten oder OP-Schwestern vorhalten, die in Wahrheit als scheinselbständige Arbeitnehmer sind. Deren drohende Beitragsnachforderungen oftmals im sechsstelligen Bereich schweben als Damoklesschwert über dem Klinik-Sektor.

Freie Mitarbeiter in Presse und Rundfunk

Bekannt sollte eigentlich auch sein, dass eine nicht geringe Zahl der eingesetzten freien Mitarbeiter in Verlagen und Redaktionen tatsächlich Beschäftigte i.S.v. § 7 SGB IV sind. Die häufige Ausrede, dass diese Mitarbeiter ja auch für andere Auftraggeber tätig werden dürfen, hilft dem Arbeitgeber häufig nicht, sondern ist sogar kontraproduktiv: Sie könnte Vorsatz nahelegen (dazu unten)! Wenn es sich bei dem weiteren Auftraggeber auch noch um ein weiteres Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG handelt, dann wird dies von den Prüfern schnell durchschaut. Für die Frage der abhängigen Beschäftigung ist es im Übrigen egal, wenn der Freie daneben auch noch eine echte selbständige Tätigkeit ausübt. Dahinter steht der Grundsatz der isolierten sozialversicherungsrechtlichen Betrachtung, den viele Steuerberater nicht hinreichend verinnerlicht haben, so dass es immer wieder zu Haftungsfällen bei Steuerberatern kommt.

Tipp: Achten Sie darauf, dass ihr selbständiger Mitarbeiter ein eigenes echtes Unternehmerrisiko trägt. Beim kleinsten Zweifel holen Sie sich rechtliche Beratung oder leiten gleich ein sozialversicherungsrechtliches Feststellungsverfahren ein.

2. Falscher Beitragssatz im Bescheid

Hier ging oft eine Nachlässigkeit von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer voraus.

Häufigster Fehler hier ist in unserer Praxis, dass die Befreiung vom Beitragszuschlag in der Pflegeversicherung nicht erfolgt, obwohl der beitragspflichtige Elternteil doch ein Kind hat (vgl. § 55 III SGB XI). Dazu kann es kommen, wenn der Nachweis der Elterneigenschaft der Kasse nicht vorliegt und er auch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Geburt nachgereicht wird. Der Beschluss des Familiengerichts über eine Adoption oder die Heirat des leiblichen Elternteils mit dem Stiefelternteil etc. steht dabei der Geburt eines Kindes gleich. Der erste Monat nach Vollendung des 23. Lebensjahr ist zudem für den Pflichtversicherten oft beitragszuschlagsfrei.

Tipp vom Anwalt: Reichen Sie die Nachweise frühzeitig bei der Pflegekasse ein. Eine Wiedereinsetzung ist nicht möglich.

Fehler tauchen auch immer wieder bei Bescheiden der Unfallversicherung auf, indem die Berufsgenossenschaften das Unternehmen in einen zu hohen Gefahrentarif einordnen. Angeblich sind 40 % aller Beitragsbescheide fehlerhaft! Achten Sie also bereits bei der Erstmeldung darauf, dass eine korrekte Betriebsbeschreibung abgegeben wird und legen sie bei Zweifeln rechtzeitig Widerspruch ein.

Kürzlich etwa hat das Sozialgericht Dortmund mit Urteil vom 03.07.2017 entschieden, dass nach einem Outsourcing des Produktionsbereichs ein Strumpfhersteller nur noch nach Beiträge nach den Gefahrtarifstellen für ein Handelsunternehmen zu zahlen hat. Die Dortmunder Sozialrichter stellten also ausdrücklich klar, dass die  die gesetzliche Unfallversicherung Veränderungen der Arbeitswelt und Verschiebung von Produktionsprozessen in Billiglohnländer bei der Einstufung zu berücksichtigen hat (S 17 U 587/12).

Tipp: Gegen eine bereits erfolgte falsche und bestandskräftige Veranlagung nach § 159 SGB VII hilft ein Antrag auf Änderung der Veranlagung. Bei der rechtssicheren Formulierung dieses Antrags unterstützen wir Sie kompetent.

3. Die Entsendebescheinigung liegt der Sozialversicherung nicht vor

Wussten Sie, dass ihr Mitarbeiter von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung befreit ist, wenn er eine „Entsendebescheinigung“ hat? Die sogenannte „Entsendebescheinigung“ ist der Nachweis, dass die Rechtsvorschriften des Entsendestaates weitergelten und die des sogenannten Beschäftigungsstaates nicht angewendet werden. Diesen Nachweis erhalten sie von der zuständigen Krankenkasse oder dem Rentenversicherungsträger des Herkunftsstaates des entsendenden Unternehmens oder der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen. Bei Wanderarbeitern die in mehreren EU-Staaten gewöhnlich erwerbstätig sind, stellt der GKV-Spitzenverband DVKA zunächst mal den zuständigen EU-Staat für die Ausstetellung fest. Das Vorliegen einer Entsendebescheinigung steht der Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland also von vornherein entgegen. Jedoch sind die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu beachten!

Tipp: Machen Sie Ihrem Mitarbeiter Druck die Bescheinigung beizubringen und unterzeichnen Sie keinen Vertrag mit diesem bevor sie ihnen nicht vorliegt. Bei Fällenn in denen ein Träger später mit der Entscheidung des anderen zur Erteilung der Entsendebescheinigung nicht einverstanden ist, kann das sogenannte Vermittlungs- und Dialogverfahren nach EG-VO 883/2004 angestrengt werden. Durch seine Zusatzqualifikation als Master der europäischen Rechte (LL.M.Eur) kann Rechtsanwalt Christopher Richter Ihnen auf diesem für viele unbekannte rechtliche Terrain die Sicherheit zurückgeben.

4. Der Bescheid ist schlichtweg zu unbestimmt

Hier liegt der klassische Fall von behördlicher Schlamperei vor, den sie aber für sich nutzen können. Denn ein Beitragsbescheid muss als Mindestangaben zumindest den Beitragszeitraum angeben und um welche Tätigkeiten es geht. Der Bescheid muss also genaue Feststellungen hinsichtlich der Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung treffen, vgl. § 33 I SGB X. Der zeitliche Umfang der abhängigen Beschäftigung muss dargelegt werden und der Prüfungszeitraum genannt werden, der je nachdem mehrere Jahre, aber auch weniger betragen kann. Anfang und Ende des Prüfungszeitraums müssen sich also feststellen lassen, sonst besteht die Gefahr von divergierenden Regelungen bei weiteren Betriebsprüfungen (so auch LSG München vom 17.05.2011, Az.: L 5 R 848/08). Daran fehlt es manchmal und dann sollten sie sich gegen solche Bescheide wehren.

Dieselbe Problematik kann auch auftauchen, wenn ein Summenbescheid gem. § 28 f II SGB IV ergeht, obwohl die personenbezogenen Feststellungen nur mit erheblichen Schwierigkeiten doch gewonnen werden können. Das reicht dann aber nicht für einen Summenbescheid über Gesamtsozialvericherungsbeiträge. Dieser ist erst dann zulässig, wenn die Zuordnung der Beiträge zu einzelnen Personen absolut (!) unmöglich ist (so auch LSG München, Beschluss v. 21.10.2013, Az.: L 5 R 605/13 B ER). Dabei ist sogar ein erheblicher Mehraufwand der Verwaltung einzusetzen und sogar dann, wenn bei einzelnen Personen aufgrund der Verletzung von Aufzeichnungspflichten oder Manipulationen Feststellungen unmöglich sind, müssen Feststellungen erfolgen.

Tipp: Prüfen Sie auch, ob der Sozialversicherungsträger evtl. Beiträge außerhalb des Prüfungszeitraums nachfordert und legen Sie ggf. dann Widerspruch ein. Da der Widerspruch allein aber keine aufschiebende Wirkung hat, das heißt, dass sie von der Zahlung wegen des Sofortvollzugs des Bescheides nicht verschont blieben, sollten sie darüber nachdenken einen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Das Ganze ist ziemlich kompliziert, so dass unbedingt anwaltliche Hilfe eingeholt werden sollte. Herr Rechtsanwalt Richter entlastet sie in dieser schwierigen Situation gerne.

5. Zu langer Rückforderungszeitraum

Schlampereien der Behörden – Teil 2: Mit Beitragsbescheiden können rückständige Beiträge ausnahmsweise bis zu drei Jahrzehnten (!) nachgefordert werden, wenn Ihnen Vorsatz zur Vorenthaltung der Sozialversicherungsbeiträge vorgeworfen wird. Der Sozialversicherungsträger kann in der Regel nur die Beiträge der letzten vier Jahre – nach Ablauf des Kalenderjahrs, indem sie fällig geworden sind – und Säumniszuschläge nachfordern, anders ist dies aber im Falle Ihrer „Bösgläubigkeit“, die auch noch recht spät eintreten kann, etwa dann, wenn durch eine Lohnsteueraußenprüfung oder durch ein Anhörungsschreiben des Rentenversicherungsträgers auf ihre Beitragspflicht hingewiesen wurde. Dabei führt leider nicht nur der direkte Vorsatz zum 30-jährigen Rückforderungszeitraum, sondern auch bedingter Vorsatz, also wenn Ihnen vorgeworfen wird, die Beitragspflicht für möglich gehalten zu haben, aber weggewischt zu haben (Nach dem Motto: „Wird schon gutgehen“). Als weitere Sanktion kann der Sozialversicherungsträger gem. § 14 II 2 SGB IV aus dem ausgezahlten Nettolohn den fiktiven Bruttolohn hochrechnen (dazu genauer BayLSG Beschluss vom 13.01.2015, Az.: L 5 R 911/13 B ER).

Jedoch sind die Feststellungen zum Vorsatz in solchen Bescheiden oft unzureichend und lassen Punkte, die für den Arbeitgeber sprechen, außen vor. Auch die Frage, ob ein vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt wird in den Bescheiden unserer Erfahrung nach nicht erörtert.

Tipp vom Anwalt: Holen Sie sich auch vor dem regelmäßigen Subunternehmereinsatz, bei markanten Änderungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen oder bei der Mitarbeit von Angehörigen oder Gesellschaftern immer rechtliche Beratung ein oder beantragen sie gleich das sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung. Es gibt Ihnen Argumentationsspielräume, wenn sie nachweisen können, dass Sie die Frage der Sozialversicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung durchdacht haben, aber aufgrund einer falschen Abwägung nicht vorwerfbar zum falschen Ergebnis gekommen sind. Gerade im noch außergerichtlichen Bereich können so für Sie vertretbare finanzielle Lösungen mit der Sozialversicherung „ausgedealt“ und Staatsanwaltschaften – zumal bei gleichzeitiger Beitragsnachentrichtung – zu einer Einstellung des Strafverfahrens aus Opportunitätsgründen bewegt werden. Durch unser erfahrenes Anwaltsteam erfahren Sie kompetente Unterstützung in den Krisensituationen, wo es um Ihre Existenz und die Ihres Unternehmens geht.

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