Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Sorgfaltspflicht des Frachtführers beim Warenumschlag

Das OLG Köln  hat  eine Entscheidung in Bezug auf die Pflichten beim Warenumschlag getroffen, die für Frachtführer und Spediteure von Bedeutung ist (OLG Köln vom 05.09.2014, Az.: 3 U 15/14). 


Der Sachverhalt:

Es folgt eine Kette unglücklicher Umstände: Das nach Saudi-Arabien abzuliefernde Transportgut (ein Luftkanonenteile) war vom Fahrer der Spedition im Umschlaglager entgegen des vorhandenen Hinweisschildes an einer falschen Stelle abgestellt worden und gelangte über den Seeweg dann irrig nach Indien.

Fehler beim Warenumschlag

Ein für Indien bestimmtes Gut hingegen reiste ebenfalls über See nach Saudi-Arabien.  Die Verwechslung war zuvor im Warenumschlaglager der Beklagten nicht aufgefallen, denn an bei beiden Sendungen fehlte die Markierung (sog. LOT-Nummer). Und weil beide Transportgüter annähernd gleich schwer waren, wurde die Verwechslung von den Mitarbeitern des Umschlagunternehmens auch später nicht entdeckt, obwohl der Fuhrunternehmer zuvor noch per E-Mail darum gebeten hatte, die Markierung am Container nachzuholen.

Mangelnde Sorgfalt bei Kontrolle der Frachtpapiere

Der Fehler hätte aber entdeckt werden können, wenn Anlieferungsquittung und -schein noch zusätzlich kontrolliert worden wären, weil die die LOT-Nummer enthielten, denen der Destinationsort eindeutig  zu entnehmen ist. Der Rücktransport, jeweils über den Luftweg, war  immens teuer.

Regress des Frachtführers nicht erfolgreich

Der Regress des Frachtführers gegen den Umschlagsbetrieb war dennoch nicht erfolgreich [Fall vom Autor aus redaktionellen Gründen leicht modifiziert]. Aus der Urteilsbegründung: „Es stellt keinen Organisationsmangel dar, dass die LOT-Nummern, welche die Destination zweifelsfrei erkennen lassen, nicht auf der Ware selbst vermerkt sind. (…) Es stellt auch keinen Organisationsmangel (des Umschlagbetriebes) dar, dass die Frachtstücke weder vor der Ablage in den Lagerhallen noch vor der späteren Verladung in den Container nochmals auf die Korrektheit der Zuordnung überprüft werden. Solcher Überprüfung bedarf es nicht, weil bei Eingang der Ware anhand einer korrekten Markierung und der Papiere eine Zuordnung zu den einzelnen Häfen
zweifelsfrei möglich ist. Vor Verladung in den
Container ist eine Verwechslung dadurch ausgeschlossen, dass zuvor eine räumlich deutlich getrennte Aufbewahrung der Güter sichergestellt ist (…)“

Praxishinweis vom Anwalt:
Auch wenn die Entscheidung hier sicher einen Einzelfall abbildet, gibt sie doch Anlass den Fahrern einzuschärfen, dass die Transportware an der richtigen Stelle abgestellt werden muss und im Zweifel bei den Mitarbeitern des Umschlagbetriebes
Rücksprache genommen werden muss.

Kontakt: Rechtsanwalt Christopher Richter, Tel.0931/47085337, richter(at)anwaltskanzlei-wue(dot)de

 

OLG Bamberg hält Audi die Stange – kein sittenwidriges Verhalten ab Januar 2018

Kürzlich hatten wir einen Fall, der zum Themengebiet “Abgasskandal” zu rechnen ist, allerdings mit der Besonderheit, dass es sich um einen Audi A7 handelt, welcher im April 2018 vom Mandanten gebraucht beim Vertragshändler gekauft worden war.

Beim Kauf war dem Mandanten vom Händler kein Hinweis gegeben worden, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Dieser erfuhr dann erst Mitte 2020, dass dies der Fall ist, nämlich durch ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes, in dem er aufgefordert wurde zum Softwareupdate, weil sonst das Fahrzeug stillgelegt würde.

Namens des Mandanten hatte ich Audi Ende 2020 – die Gewährleistung war leider bereits abgelaufen, sonst hätte man noch gegen den Händler aus der Gewährleistungspflicht heraus vorgehen können – zunächst außergerichtlich bei Audi Rückabwicklung verlangt. Das wurde abgelehnt.

Dann haben wir vor dem LG Würzburg auf Rückabwicklung geklagt und gewonnen. Audi ging in Berufung, und argumentierte hierbei u.a., dass zum Zeitpunkt des Kaufs im April 2018 kein sittenwidriges Verhalten mehr unterstellt werden könne, weil man ab Mitte 2017 mehrere Aktionen öffentlich angekündigt habe. Auch habe man (nach einer Pressemeldung des KBA Ende Januar 2018) – im rein internen Händlerforum (!) – online mitgeteilt, dass hier die Händler zur Aufklärung gegenüber Kunden verpflichtet seinen, und diesen Händlern ein Schreiben beigefügt, welches diese am besten jedem Kaufinteressenten eines solchen Audi vorlegen sollten. Darin ist kein klarer Hinweis gegeben, dass hier ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung verkauft wird, welchem eine Stilllegung durch das KBA droht. Stattdessen wird ausgeführt, dass der Käufer ein Fahrzeug hat welches zu den 850.000 Fahrzeugen von Audi gehört, für welches eine “verbesserte Software zur noch besseren Schadstoffreduzierung” entworfen wurde, und dass diese Autos an einer Softwareaktualisierung “teilnehmen können”.

In der Berufungserwiderung haben wir detailliert dargelegt, warum darin auf keinen Fall eine deutliche Abkehr von sittenwidrigen Verhaltensweisen zu sehen sein kann, weil nämlich hier keinerlei Ehrlichkeit herauszulesen ist nach unserer Meinung.

Das sah das OLG Bamberg in seinem Urteil vom 22.12.2021 leider anders. Man dürfe nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, so wurde argumentiert. Auch die Tatsache, dass diese Schreiben rein intern waren und eine vertragliche Verpflichtung Audis zu ihren Händlern hinsichtlich der Aufklärung zwar möglich gewesen wäre, aber gerade nicht erfolgt ist, focht die Richter in Bamberg nicht an. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Unabhängig von der Tatsache, dass ich diese Begründung für äußerst fragwürdig halte, wird man sich als Audikäufer im hießigen OLG Bezirk an die Realitäten halten müssen. Ergänzend muss man sagen, dass bereits andere OLGs wohl ähnlich geurteilt haben.

Andererseits ist damit im Umkehrschluss klar, dass Audikäufer, die vor Ende Januar 2018 einen Audi mit Abschalteinrichtung gekauft haben, einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen Audi innehaben dürften. Allerdings ist hierbei die Verjährungsfrist zu beachten, die 3 Jahre läuft ab Ende des Jahres, wo der Käufer Kenntnis hatte von der Abschalteinrichtung.

Daneben drängt sich die Klage gegen die Händler auf, soweit – wie bei unserem Mandanten der Fall – diese beim Kauf eines (gebrauchten) Audi nach dem Januar 2018 keinerlei Schreiben zur Unterschrift vorgelegt bekommen haben, dass hier “ein Softwareupdate möglich ist”.

Wann verjährt eine Jobcenter-Forderung?

Streit gibt es immer wieder mit Jobcentern, ob diese aus älteren Forderungen Forderungen noch gegen Hartz IV-Empfängern vorgehen können.

Oft meldet sich zunächst die BA Recklinghausen als der Inkassoservice der Jobcenter und fordert die Altschulden ein. Oft erinnern sich die Hartz IV-Empfänger gar nicht mehr an die Bescheide und die Umstände damals, weil einfach zu viel Zeit vergangen ist.

Generell ist es so – so hat es das Bundessozialgericht kürzlich klargestellt (BGS-Urteil vom 04.03.2021, Az.: B 11 AL 5/20 R) – dass Erstattungsforderungen grundsätzlich 4 Jahre zum Jahresende gem. § 50 II SGB X, nachdem sie fällig geworden sind, verjähren. Stand heute wäre also ein Erstattungsbescheid aus dem Jahr 2018 nicht mehr vollstreckbar, wenn der Hartz IV-Empfänger die Einrede der Verjährung erhebt. Dasselbe gilt bezüglich abschließenden Festsetzungen, die vier nache nach ihrer Unanfechtbarkeit in der Regel verjähren (SG Berlin vom 19.11.2021, Az.: S 129 AS 4900/20 und LSG Berlin-Brandenburg vom 30.03.2022, L 9 AS 217/22 B ER).

Im Einzelfall kann die Verjährung aber auch mal 30 Jahre gem. § 52 SGB X betragen, nämlich dann, wenn nach der Fälligkeit noch ein sogenannter Durchsetzungsverwaltungsakt gefolgt ist. Also etwa ein Aufrechnungsbescheid oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die Aufforderung im Erstattungsbescheid innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuzahlen oder eine spätere Mahnung sind keine derartigen Durchsetzungsverwaltungsakte!

Tipp vom Anwalt: Besteht Streit zwischen dem Jobcenter und dem Hilfesuchenden über die Frage der Verjährung kann eine Feststellungsklage vorm Sozialgericht eine Entscheidung bringen. Ein Schreiben, in dem die Behörde ihre Rechtsauffassung über das Nichtvorliegen einer Verjährung äußert, wird sich kaum als anfechtbarer Verwaltungsakt interpretieren lassen.

Ist die Verjährungseinrede wirksam erhoben, dann ist die Vollstreckung dieser Forderung ausgeschlossen nach § 14 VwVG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 6.04.2022, Az.: L 8 AS 18/22 B ER).

Tipp vom Anwalt: Wehren sich sich mit der Feststellungsklage oder – wenn Vollstreckung droht – mittels Eilantrag gegen die Jobcenter-Altorderung.

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WEG-Recht: Kaschieren von Mängeln nicht zulässig

Notwendige Instandsetzung über das Gericht durchgesetzt

WEG-Mitglieder müssen Beschlüsse nicht hinnehmen, die letztlich nur dazu führen gravierende Mängel zu kaschieren. Diese nicht allzu unerwartete Feststellung hat der BGH noch zur alten Rechtslage getroffen (BGH-Urteil vom 04.05.2018, Az.: V ZR 203/17). Die Entscheidung hat aber auch nach dem WEMoG weiter Bedeutung.

Feuchtigkeitsschäden sind zu beseitigen

Drei Teileigentümer des Erdgeschosses eines über 100 Jahre altem Hamburger Gemeinschaftsgebäudes hatten sich gegen verschiedene mehrheitlich gefasste Beschlüsse zur Wehr gesetzt, die unter anderem die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden und die Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk ablehnten und stattdessen auf die Einholung eines weiteren Privatgutachtens setzten.

Verstoß gegen Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung

Diese ablehnenden Beschlüsse würden gegen den Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen, waren sich die Richter sicher. Eine Sanierung müsse zu einer Ursachenbeseitigung nach heutigem Baustandard führen. Daher wurden die Beschlüsse gem. § 21 VIII WEG durch das Gericht mittels Gestaltungsurteil ersetzt.

Beachte: Anders ist dies dem Grundsatz nach beim Schallschutz, wo nur der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltende technische Schallschutz gewährleistet werden muss, es sei denn es findet eine umfassende Baumaßnahme statt, die nahe an einen Neubau herankommt.

Wegen Durchfeuchtungen zum Aufenthalt ungeeignet

Vorliegend war entscheidend, dass die Kläger ihr Sondereigentum wegen der gravierenden Mängeln des Gemeinschaftseigentums nicht nutzen konnten, weil wegen der massiven Durchfeuchtungen der Aufenthalt von Menschen nicht mehr möglich war. Dabei spielte auch keine Rolle, dass das Gebäude hier sehr alt war.

Leistungsfähigkeit der anderen WEG-Mitglieder beachten

Tipp vom Anwalt: Wohnungseigentümer haben bei der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums einen Gestaltungsspielraum. Wenn hierfür bauliche Eingriffe erforderlich sind, gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Mittels 2/3-Mehrheit könnnen auch die Nichtzustimmenden zu einer Kostenbetiligung zumindest im Grundsatz gezwungen werden, wobei dann immer noch auf die Leistungsfähigkeit derWohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen ist,

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Achtung: Nach einer weiteren neueren Entscheidung des BGH dürfen Wohnungseigentümergemeinschaften grds. nicht zum Nachteil eines Eigentümers Verbote erlassen das gemeinsame Eigentum vertragsgemäß zu nutzen (BGH vom 15.10.2021, Az.: V ZR 225/20). So etwas in Beschlussform zu regeln, auch wenn dies der Verkehrssicherheit bzw. dem Brandschutz dient, wird häufig nicht möglich sein.

Selbständiger Handelsvertreter nur auf Namensschild?

Eine spannende Entscheidung für selbständige Vertreterim Bereich von Finanzprodukten, die auch für Handelsvertreter in anderen Bereichen, wie Versicherungen oder Vermögensverwaltungen, Bedeutung haben kann, hat das Sozialgericht Frankfurt/Main kürzlich getroffen (Az.: S 18 BA 93/18).

Bescheid nach Clearingverfahren

Im Rahmen eines Clearing-Verfahrens stellte die Deutsche Rentenversicherung die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung für rund 2 1/2 Jahre eines langjährigen Vertreters eines großen deutschen Bankhauses fest. Das Bankhaus, dass in der Vergangenheit mehrere seiner Filialen aufgelöst, umgebaut und als outgesourcte Agenturen wiedereröffnet hatte, zog gegen den Bescheid vor Gericht.

Tipp vom Anwalt: Die freiwillige Einleitung eines Clearingverfahrens kann u.U. helfen Geld zu sparen und senkt das Risiko wegen den Vorenthaltens von Sozialabgaben nach § 266a StGB strafrechtlich belangt zu werden.

Handelsvertreterverträge geschlossen

Mit freien Vertretern schloss das Geldhaus dann Handelsvertreterverträge i.S.d. §§ 84 ff. HGB, die umfassende Berichts- und Genehmigungspflichten, aber nur wenige Freiheiten vorsahen. Eingebunden waren die sogenannten Handelsvertreter über ein Back-Office-System in die normalen Tätigkeiten des Geldhauses ohne hierfür gesondert vergütet zu werden. Zudem wurden sie scheinbar ständigt gemonitort und durch Telefonanrufe und Teambesprechungen regelmäßig gebrieft und auf Linie gebracht. Der Handelsvertretervertrag wurde durch die tägliche Praxis also konterkariert, schilderte auch ein Mitarbeiter, so dass wegen der Vorgaben zum Corporate Design eigene Werbemaßnahmen zuvor vom Geldhaus genehmigt werden mussten. Vielmehr stellte das Geldhaus Briefbögen, Visitenkarten und Werbemittel kostenfrei zum Einsatz zur Verfügung. Auch über interne Fortbildungen seien Vorgaben gemacht worden, welche Finanzprodukte nach vorne gebracht werden sollten. Für Beratungsgespräche wurden sehr detaillierte Checklisten zur Verfügung gestellt. Das i-Tüpfelchen war dabei noch, dass die selbständigen Vertreter keine neuen Kunden aquerieren durften.

Tipp vom Anwalt: Achten Sie bei der Gestaltung von Handelsvertreterverträgen darauf, dass den Vertretern nicht zu starke Weisungspflichten auferlegt werden. Die Verhandlungen und das Vertragsergebnis sollen zwei Partner auf Augenhöhe wiederspiegeln.

Backoffice und Service

Für den Endkunden sei nicht deutlich erkennbar geworden, ob sie in eine reguläre Filiale oder in eine Agentur eintreten, meinte das Sozialgericht. Insbesondere am Vergütungssystem des klagenden Geldhauses bissen sich die Sozialrichter fest: Die in einer Tabelle festgelegten Provisionen bei erfolgreichen Abschlüssen konnte das Geldhaus einseitig ändern, wenn es hierfür geschäftspolitische Gründe hätte, wie es recht schwammig im Vertrag hieß. Gleichzeitig gab es für die Handelsvertreter in ihrem Gebiet aber keinen Kunden- oder Gebietsschutz, so dass sie an Abschlüssen, an denen sie nicht selber mitgewirkt haben, nicht partizipieren konnten. Dass die Umsätze übe rein Geschäftskonto bei der Klägerin laufen mussten, auf dass diese noch recht frei zugreifen konnte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf.

Regelmäßige Berichte an Agentur- und Regionalleiter

Das Gericht sah vorallem die Weisungsabhängigkeit in diesem ziemlich formalen Geschäftsmodell als zu erdrückend: Die “Berichts- und Rechenschaftskaskade” vom Vertreter zum Agenturleiter zum Gebiets- und schließlich zum Regionalleiter würden zu einer Eingliederung in den Betrieb des Geldhauses und daher zu einer abhängigen Beschäftigung führen.

Erfassen von negativen Kundenbewertungen im System

In der Gestaltung ihres Arbeitstages waren die Vertreter nicht frei, sondern es lag “eine funktionsgerecht dienende Teilhabe” vor, wie es das Gericht formulierte: So mussten feste Öffnungszeiten der Agenturen gewährleistet werden und es wurde erwartet, dass Serviceleistungen erbracht werden, die über den in den Handelsvertreterverträgen geregelten Umfang hinausgingen. Negative Kundenbewertungen flossen offenbar in die hauseigene Bewertungs-Matrix ein.

Subventionsbetrug durch staatliche Ausbildungsförderung?

Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit folgerte das Sozialgericht eine abhängige Beschäftigung. Und am Ende seiner Urteilsbegründung ließ das Gericht noch eine kleine “Bombe” platzen: Es deutete an, dass die Ausbildungszeit der Vertreter nur vorgeschoben seien könnte, um unrechtmäßig an externe Fördermittel zu kommen. Auf die Frage, ob dies bereits für einen Anfangsverdacht eines Subventionsbetrug i.S.d. § 264 VIII StGB ausreicht, ging das Sozialgericht nicht näher ein. Es darf mit Spannung abgewartet werden, ob der Rechtsstreit noch eine strafrechtliche Komponente erhält, da hier bereits ein leichtfertigtes Handeln pönalisiert ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Berufung wurde bereits eingelegt.

Tipp vom Anwalt: Seien Sie also nicht zu kreativ bei der Gestaltung von Geschäftsverträgen und lassen Sie Ihre Verträge auf sozial- und strafrechtliche Risiken prüfen. Liegt Eigennutz vor, dann ist eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren dem Gesetz nach vorgesehen. Jedoch sieht das Gesetz eine Strafbefreiung bei qualifizierter Selbstanzeige vor. Lassen Sie sich individuell beraten.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung da und enthält subjektive Meinungen des Autors. Für Vollständigkeit und Richtigkeit wird nicht gehaftet. Lassen Sie sich in jedem Fall anwaltlich individuell beraten!

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Risiko der Scheinselbständigkeit: Freie Mitarbeiter in Praxis für Physiotherapie

Der Staat ist immer hungrig darauf mehr Beitragszahler für die Sozialsysteme zu gewinnen. Nicht selten erhalten die Träger der Sozialversicherung, zumeist die Deutsche Rentenversicherung, vor den Sozialgerichten auch noch Recht.

Abrechnung mit Krankenkassen

Auch in diesem Fall vorm LSG Baden-Württemberg: Geklagt hatte unter anderem ein Betreiber einer Physiotherapiepraxis, der mehrere freie Mitarbeiter mit einem Modell beschäftigt hatte, dass vorsah, dass die Patienten, die von den Praxisinhabern nicht übernommen wurden, von den freien Mitarbeitern kontaktiert wurden und dann in ihren Räumen behandelt wurden. Dabei wurde das Equipement der Praxis, wie Behandlungsliegen oder Trainingsgeräte von den “freien Mitarbeitern” nach Absprache genutzt. Von den Einnahmen durften die freien Mitarbeiter 70 % behalten, wobei die Abrechnung mit den Krankenkassen über das praxiseigene Abrechnungssystem erfolgte.

Tipp vom Anwalt: Wollen Sie vermeiden, dass Ihre freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer von der Sozialversicherung eingestuft werden, sollten sie mit diesen Regelungen treffen, dass diese u.a. ein Unternehmerrisiko tragen, etwa eine feste Miete – durchaus auch tageweise – für die Nutzung bestimmter Räume und Behandlungsgeräte oder eine Servicepauschale für die Abrechnung mit den Krankenkassen. Zudem sollten die freien Mitarbeiter auch selbst werbend nach eigenen Patienten suchen. Für diese sollten dann weniger oder keine Anteile abgeführt werden müssen.

Finanzielle Risiken

Für die Rentenversicherung waren diese freien Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen, so dass Renten- und Sozialversicherungsbeträge nachzuzahlen waren. Die DRV sah die Freien hinreichend in den Betrieb der Praxis eingebunden und insgesamt zu wenig in einer selbständigen Rolle.

Tipp vom Anwalt: Achten Sie auch bei ihrem Internetauftritt darauf, dass ihre freien Mitarbeiter genannt und ihre Leistungen beschrieben werden. Es empfiehlt sich außerdem, dass die freien Mitarbeiter eine eigene Homepage und eigene Visitenkarten besitzen.

Problem der Scheinselbständigkeit

Dass Gericht gab der Rentenversicherung in der 2. Instanz Recht und stellte die Arbeitnehmereigenschaft des vermeintlich freien Mitarbeiters fest. Das Urteils ist noch nicht rechtskräftig (LSG Baden-Württemberg vom 27.09.2021, Az.: L 4 BA 75/20).

Tipp vom Anwalt: Seien Sie Vorsichtig bei zu eigenwilligen Gestaltungen von Verträgen mit freien Mitarbeitern. Es drohen nicht nur deftige Nachforderungen der Sozialversicherungsträger, sondern es gibt auch ein nicht zu unterschätzendes Strafbarkeitsrisiko wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen.

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Senioren-WG oder quasi-stationäre Einrichtung

Die VGH-Entscheidung betrifft zwar die Anfechtbarkeit eines Prüfberichts der Heimaufsicht, dennoch enthält die Entscheidung vom 21.10.2020 Relevantes für alle Bewohner einer Senioren-WG (Az.: 12 ZB 16.268).

Strenge Vorgaben für stationäre Pflegeeinrichtungen

Dort entschied das höchste bayerische Verwaltungsgericht nämlich, dass eine Senioren- oder Pflege-WG, die eines der Voraussetzungen von Art. 2 III 3 PfleWoqG nicht erfüllt, jedenfalls als quasi-stationäre Einrichtung betrachtet werden kann. Mit heftigen Folgen: Dann unterliegt diese als nicht privilegierte ambulant betreute Wohngemeinschaft den strengen Vorgaben für stationäre Pflegeeinrichtungen mit seinen weitergehenden Prüf- und Kontrollbefugnissen.

Ambulanter Pflegedienst war Hausherr

Gewehrt hatte sich ein Pflegedienst, der den zum Teil intensivpflegebedürftigen Bewohnern eine 24-h-Betreuung zur Verfügung gestellt hatte in einer oberen Etage eines mehrstöckigen Wohngebäudes. Die WG mit 13 Mitbewohnern besaß zwar ein Selbstverwaltungsgremium, dieses traf sich aber nur selten (2x/Jahr). Eines der Zimmer war zudem als Gästezimmer, u.a. für Personal des Pflegedienstes, vorgesehen. Der Pflegedienst besaß eine Zeit lang zudem ausschließlich die Schlüssel zu der Wohneinheit und somit das Hausrecht.

Effektives Gremium der Selbstverwaltung

Tipp vom Anwalt: Nehmen sie daher die Qualität der Arbeit des Gremiums der Selbstverwaltung ernst! Diese korrespondiert mit der Intensivität der Befugnisse der Heimaufsicht – stellt quasi ihr Spiegelbild dar. Wenn das Gremium seine Aufgaben nicht erfüllen kann, dann findet etwa auch die Qualitätsanforderungen an den Betrieb für eine stationäre Einrichtung voll Anwendung. Das formale Vorhandensein eines Selbstverwaltungsgremiums ist nicht ausreichend, sondern es muss seine Aufgaben tatsächlich und effektiv ausüben! Dies ist Ausfluss des Konzepts der abgestuften Schutzwürdigkeit für derartige Wohngemeinschaften durch den Gesetzgeber.

Quasi-stationäre Einrichtung

Das Gericht stellte jedoch fest, dass kaum Anhaltspunkte für ein gemeinschaftliches Wirken, wie Kochen oder Einkaufen oder gemeinsame Freizeitaktivitäten der Bewohner gäbe. Daher diene diese WG gerade nicht dem Zweck des “Lebens in einem gemeinsamen Haushalt”. Denn die Bewohner seien ersichtlich nicht in der Lage ein Minimum an gemeinsamer Lebensführung selbst zu bewältigen. Der zu erwartende Turnus von sechs Wochen für Treffen des Gremiums der Selbstverwaltung sei auch nicht eingehalten worden und die Protokolle zeigten, dass Fragen der strukturellen Gestaltung des Tagesablaufs, der Pflege und Betreuung nicht Gegenstand der Sitzungen waren. Für das Gericht sei damit klar, dass eine sonstige ambulant betreute Wohngemeinschaft vorläge und keine priviligierte i.S.d. Art. 2 III 3 PfleWoqG.

24-Stunden-Betreuung geht nicht

Als problematisch bezeichnete das Gericht auch den Umstand, dass der ambulante Pflegedienst eine 24-h-Betreuung gewährleistete, weil bei diesem Umfang ein Gaststatus des Pflegedienstes in der WG nicht mehr gegeben sei. Vielmehr komme ihm denn die Rolle des Hausherren zu.

Hinweis: Für privilegierte ambulant betreute Wohngemeinschaften findet nur der dritte Teil des PfleWoqG sowie ergänzend die Art. 24 und 25 Anwendung. Achten sie bei Abschluss der Mietverträge und des Betreuungsdienstregelungen darauf, dass kein irgendwie gearteter Abschlusszwang etabliert wird. (hier dazu mehr).

Update zu Verwaltungsgericht Würzburg kippt generelle Maskenpflicht im Indoorspielplatz

Die Berufung des Freistaates hatte Erfolg, der tolle Erfolg für unserer Kanzlei aus der ersten Instanz ist somit wieder passé: Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte die Maskenpflicht für alle unter 15-jährigen Besucher im Spielbereich des Indoor-Spielplatzes des Atlantis in Hambach gekippt. Vorausgegangen waren dieser vorläufigen Entscheidung im Eilverfahren zwei Polizeieinsätze, wobei die Beamten die Einhaltung dieser nach Auffassung des Landratsamt Schweinfurts in der bayerischen Infektionsverordnung geregelten Maskenpflicht noch vor Ort kontrolliert hatten, ohne aber Verstöße festzustellen.

Verschärte Verwaltungspraxis

„Mir fällt ein Stein vom Herzen“, freute sich Atlantis-Geschäftsführer Sascha Jucknieß über die erstinstanzliche Entscheidung, da die verschärfte Praxis des Landratsamts Schweinfurt bereits zu zahlreichen Stornierungen geführt habe. Die Kontrolle der Maskenpflicht, insbesondere im Bereich der Trampoline und der Klettertürme, sei für das Personal auch sehr anstrengend gewesen und sei bei den jungen Besuchern nicht gut angekommen. Eine strenge Maskenpflicht bereits ab sieben Jahren, wie sie das Landratsamt gefordert hatte, war für kurze Zeit vom Tisch. Für den Freistaat, der diesem Antrag entgegengetreten war, war das zunächst eine herbe Niederlage.

Kein beengter Raum

Die Maskenpflicht für Besucher von Indoor-Spielplätzen ergebe sich, so die Richter der 8. Kammer des VG Würzburg, nicht mit hinreichender Bestimmtheit aus der Verordnung. Die dort angeordnete Maskenpflicht für Fahrgäste (§ 13) sei nicht auf die Besucher von Indoorspielplätzen zu übertragen. Bei Letzteren handele es sich zwar auch um geschlossene Räume, aber gerade nicht beengten, so dass auch der Weg der entsprechenden Anwendung der Norm verschlossen sei. Interessant war bei der Entscheidung auch, dass die Richter klarstellten, dass die diversen Rahmenkonzepte des Staatsministeriums etwa für den Bereich Tourismus nicht mittel Bußgeld bei Verletzung durchgesetzt werden dürften. Das sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof anders, der die Norm als Rechtsfolgenverweisung verstand.

Natürlicher Spieltrieb von Kindern

„Dieses Entscheidung galt ohnehin nur zwischen den Klageparteien“, erklärt der prozessführende Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur. von der Kanzlei Niggl, Lamprecht & Kollegen damals. Aus der Begründung folge aber, dass die Verwaltungsrichter bei anderen betroffenen Indoorspielplätzen sogar noch weitgehender entscheiden würden. Diese Meinung ist mittlerweile durch die Berufungsentscheidung freilich überholt.

Man habe, so Richter damals – da man nicht generell gegen die Maskenpflicht sei – den Antrag aber bewusst auf die Altersklasse der 7 bis 14-Jährigen und ausschließlich auf die Spielflächen beschränkt, weil die Kinder dadurch in ihrem natürlichen Spieltrieb behindert wurden.

Bayern weites Problem

In den sanitären Anlagen und dem Gastrobereich sollen die über Sechsjährigen also weiter eine Maske tragen. Aus einer Befragung bei anderen Indoor-Spielplätzen wisse man zudem, dass andere Landratsämter sich gerade nicht der rigorosen Praxis des Schweinfurter Landratsamtes angeschlossen haben. Diese verschiedene Handhabung habe zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für Indoor-Spielplätze im Freistaat geführt. Da die Entscheidung des VGH Bayern weit gibt, müsste die unterschiedliche Verwaltungspraxis eigentlich ihr Ende finden.

Die Verwaltungsrichter hatten der Klägerseite aufgegeben binnen Monatsfrist Hauptsacheklage zu erheben. Die Entscheidung des VGH ist rechtskräftig (VGH vom 11.08.2021, Az.: 25 CE 21.2085).

Lesen Sie hier mehr zum Autor Christopher Richter, LL.M.Eur